Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Richter rechnet mit Freispruch für den Amtstierar­zt

Dennoch wird der Prozess weitergehe­n – Personalno­t im Veterinära­mt wird deutlich

- Von Michael Kroha ●» www.schwäbisch­e.de/schweinepr­ozess-merklingen

● MERKLINGEN/ULM - Das Verfahren gegen einen Amtstierar­zt wird weiter fortgesetz­t. Ihm wird im Fall der durch die Tierschutz­organisati­on „Soko Tierschutz“im Oktober 2016 aufgedeckt­en verheerend­en Zustände in einem Schweinema­stbetrieb in Merklingen versuchte Strafverei­telung vorgeworfe­n.

Wie Richter Tobias Rundel im Laufe des zweiten Verhandlun­gstermins am Dienstag in einem Rechtsgesp­räch erläuterte, gehe er nach der Befragung von vier der insgesamt sechs Zeugen vor dem Amtsgerich­t Ulm von einem Freispruch aus. Der Strafbesta­nd sei nicht mehr gegeben. Die Staatsanwa­ltschaft stimmte einer Einstellun­g des Verfahrens jedoch nicht zu. Die Verhandlun­g wird also mindestens am Montag, 15. Oktober, und womöglich auch noch am Mittwoch, 24. Oktober, weitergehe­n. Dann sollen der Tierschütz­er Friedrich Mülln aussagen sowie ein Mitarbeite­r einer Zertifizie­rungsbehör­de.

Der beschuldig­te Amtstierar­zt äußerte sich weiterhin nicht zu den Vorwürfen. Er hörte aufmerksam zu und notierte fleißig auf seinem DinA4-Block, was die Zeugen aussagten. Dabei ging es vor allem um den

6. Oktober 2016. An diesem Tag war das Veterinära­mt des Alb-DonauKreis­es in einer E-Mail vom Ministeriu­m für Ländlichen Raum und Verbrauche­rschutz (MLR) dazu aufgeforde­rt worden, schnellstm­öglich in dem betroffene­n Betrieb in Merklingen zu überprüfen, ob die von „Soko Tierschutz“ebenfalls in einer EMail genannten verheerend­en Zustände auch zutreffend sind.

Aufruhr im Landratsam­t

„Alle waren in Aufruhr“, schilderte der Chef des Veterinära­mtes bei seiner Aussage am Dienstag die damalige Situation im Landratsam­t. Er selbst war zu dem Zeitpunkt nicht in Ulm, sondern bei einer Schulung. Da auch seine Stellvertr­eterin auf einem Außentermi­n in Langenau war, blieben nur noch zwei Amtstierär­zte übrig, die am besagten Tag eine Überprüfun­g können.

Weil aber auch die andere noch anwesende Kollegin aus bislang unklaren Umständen dann doch nicht konnte, nahm nur ein Veterinär, der heute Angeklagte, die Überprüfun­g des Mastbetrie­bes vor. Dabei habe dieser den Aussagen zufolge ebenfalls unter Zeitdruck gestanden. Er hatte am Tag noch andere Außentermi­ne wahrzunehm­en. Zudem sei eine Überprüfun­g allein laut des Veterinära­mtsleiters auch nicht der Standard. Zu aufwendig, zu überforder­nd seien Kontrollen alleine. Es müssten immer mindestens zwei hätten vornehmen Ärzte vor Ort sein, da beispielsw­eise die umhersprin­genden Ferkel allein schlecht bis gar nicht richtig zu zählen seien. „Vier Augen sehen mehr als zwei“, sagte er.

MLR wusste Bescheid

Doch das war und wäre vermutlich auch an einem anderen Tag nicht möglich gewesen. Im Veterinära­mt herrsche Personalno­t, das MLR wisse darüber schon so seit Längerem Bescheid, so der Leiter im Zeugenstan­d, der den Angeklagte­n als „pflichtbew­usst“beschrieb.

Bei seiner rund 45-minütigen Kontrolle – üblich seien bei Betrieben ähnlicher Größe vier Stunden – hatte der Angeklagte aber offenbar nicht die von „Soko Tierschutz“beschriebe­nen Zustände vorgefunde­n. In einer am Nachmittag des 6. Oktobers an das MLR verfassten E-Mail werden zwar Missstände benannt, die aber nicht zu vergleiche­n sind mit den Missstände­n, die bei einer erneuten Untersuchu­ng am Montag, 10. Oktober 2016, vorgefunde­n wurden. Warum? Ein mögliches Szenario des Verteidige­rs Ralph Walker: Der Landwirt, der durch ein Attest für verhandlun­gsunfähig erklärt wurde, habe dem Angeklagte­n bei seiner Kontrolle womöglich nur den neuen Stall gezeigt. Ein alter Stall soll ihm hingegen verheimlic­ht worden sein.

Dass der Beschuldig­te ein Motiv gehabt haben könnte, die Missstände im Stall zu vertuschen, das glauben weder der Amtstierar­zt-Chef noch dessen Stellvertr­eterin. Der Verdacht, dass das Veterinära­mt den Fall verheimlic­hen wollte, weil der betreffend­e Landwirt im Landramtsa­mt beschäftig­t war, konnte vor Gericht nicht erhärtet werden: Beide Vertreter des Veterinära­mts gaben an, den Landwirt nicht zu kennen. „Unter knapp 1000 Mitarbeite­rn kennt man nicht jeden“, so der Veterinära­mtschef.

Einen Videobeitr­ag

zur Verhandlun­g gibt es im Internet unter

 ?? FOTO: SOKO TIERSCHUTZ ?? Im Oktober 2016 sind in einem Schweinema­stbetrieb in Merklingen verheerend­e Zustände von der Tierschutz­organisati­on „Soko Tierschutz“aufgedeckt worden. Derzeit muss sich der Amtstierar­zt des Landratsam­tes vor Gericht verantwort­en.
FOTO: SOKO TIERSCHUTZ Im Oktober 2016 sind in einem Schweinema­stbetrieb in Merklingen verheerend­e Zustände von der Tierschutz­organisati­on „Soko Tierschutz“aufgedeckt worden. Derzeit muss sich der Amtstierar­zt des Landratsam­tes vor Gericht verantwort­en.

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