Union und SPD fallen auf Rekordtief
Profiteure sind die AfD und vor allem die Grünen – Hofreiter zielt auf die „linke Mitte“
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BERLIN - Die früheren Volksparteien verlieren offenbar weiter massiv an Zustimmung. Kurz nach dem politischen Beben bei der Landtagswahl in Bayern und eine Woche vor dem Urnengang in Hessen sind Union und SPD auf Bundesebene in zwei Umfragen auf ein jeweils neues Rekordtief gefallen. Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, kämen CDU/CSU laut ARD-Deutschlandtrend und ZDF-„Politbarometer“nur auf 25 bis 27 Prozent. Die SPD liegt in beiden Erhebungen nur noch bei 14 Prozent. Das sind die jeweils schlechtesten Werte, die die Meinungsforscher jemals für Union und SPD ermittelt haben. Profiteure dieser Entwicklung sind, neben der AfD, aktuell vor allem die Grünen.
Während die Parteien der Großen Koalition zusammen nur noch bei um die 40 Prozent liegen, sind die Grünen mit 19 beziehungsweise 20 Prozent derzeit klar zweitstärkste Kraft. Auf den dritten Rang kommt mit unverändert 16 Prozent die AfD, die in beiden Umfragen vor der SPD liegt. Die FDP kommt laut den Umfragen auf 8 bis 11 Prozent, die Linke auf 9 bis 10 Prozent.
Nach ihrem guten Bayern-Ergebnis geht es für die Grünen auch bundesweit beschleunigt aufwärts: bei der ARD um zwei Punkte, beim ZDF sogar um drei Punkte. Wenn am 28. Oktober in Hessen gewählt wird, könnten die Grünen unter Umständen stärkste Partei werden. Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir warnt jedoch trotz der Prognosen, die aktuell ein Rekordergebnis von etwa 22 Prozent für seine Partei vorhersagen, vor Euphorie. „Stimmungen sind noch lange keine Stimmen“, mahnte der 47-Jährige. Dennoch könnte AlWazir, der in der schwarz-grünen Koalition von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) Wirtschaftsminister ist, der zweite grüne Ministerpräsident werden – nach Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg. Noch liegt in Hessen jedoch die CDU mit rund 26 Prozent vorn.
Dass die Grünen demnächst selbst eine Volkspartei sein könnten, glaubt Anton Hofreiter, der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, nicht. „Von dem Begriff Volkspartei halte ich wenig“, sagte der 48-Jährige am Freitag im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Diese seien „eher ein Auslaufmodell“, ihre Idee sei überholt. „Ich will, dass die Grünen die führende Kraft der linken Mitte werden. Und zwar dauerhaft“, erklärte er. Auch Hofreiter räumte ein: „Die politischen Fehler und das Dauerchaos von CDU, CSU und SPD helfen uns natürlich auch. Deshalb stehen wir so stark da.“
Zweifel am dauerhaften Erfolg der Grünen, die noch vor der Bundestagswahl 2017 um den Einzug ins Parlament bangen mussten, äußerte Christian Lindner. „Die Grünen profitieren vor allem von der momentanen Schwäche der SPD und einer gefühlten Stimmung“, sagte der FDPVorsitzende. „Mal sehen, wie das weitergeht.“
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