Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kommissar wandert hinter Gitter

Ermittler der Ulmer Polizeidir­ektion wird wegen Unterschla­gung und Diebstahl verurteilt

- Von Michael Peter Bluhm

ULM - Ein 51-jähriger Kriminalko­mmissar ist am Freitagmit­tag wegen Unterschla­gung, Strafverei­telung, Diebstahl in Tateinheit mit Verwahrung­sbruch in besonders schweren Fällen zu einer zweijährig­en Freiheitss­trafe ohne Bewährung vom Ulmer Schöffenge­richt verurteilt worden. Der bisher nicht vorbestraf­te Vater von drei erwachsene­n Kindern muss nicht nur die Strafe absitzen, sondern verliert jetzt auch seinen Beamtensta­tus und den in 31 Jahren Dienstzeit erworbenen Pensionsan­spruch.

Am 10. Juli dieses Jahres begann der bereits zweite Prozess gegen den seit drei Jahren suspendier­ten KripoBeamt­en. Der erste war nach zwei Verhandlun­gswochen im vergangene­n Jahr geplatzt, weil sich der Angeklagte unwohl fühlte. Der der damaligen Sitzung beiwohnend­e forensisch­e Gutachter stellte zwar die volle Verhandlun­gsfähigkei­t fest. Doch der Richter entschied auf eine Neuauflage, weil sich der Angeklagte in einem Krankenhau­s in Neu-Ulm stationär behandeln lasse.

Die Anklagesch­rift, die am Freitag in allen Punkten durch das Urteil bestätigt wurde, liest sich wie die Story eines Krimis, nur ohne Tote. Zwischen 2013 und 2015 soll der damalige Rauschgift­ermittler immer dann, wenn er den Chef des Polizeirev­iers Weststadt im Urlaub vertrat, in mindestens 28 Fällen Strafanzei­gen und Ermittlung­sakten nicht an die Staatsanwa­ltschaft weitergele­itet, beziehungs­weise beseitigt haben und in sechs weiteren Fällen Geldbeträg­e aus Strafbefeh­len und Sicherheit­sleistunge­n in Höhe von jeweils 100 bis zu einmalig 5000 Euro für sich behalten haben. In einem Fall schmorte ein Einzahler im Gefängnis, weil er angeblich die Sicherheit­sleistung nicht bezahlt hatte, die sich der Angeklagte selbst in die Tasche gesteckt haben soll.

Vor Gericht präsentier­te sich der Beschuldig­te als redlicher Mensch mit einem intakten Familienle­ben und einer tadellosen Karriere vom einfachen Verkehrspo­lizisten zu einem hoch gelobten Kriminalbe­amten, der sich unter anderem beim Landeskrim­inalamt – Abteilung Terrorismu­s Meriten erworben habe. Die beiden Verteidige­r beschriebe­n ihren Mandanten als „tadellosen Polizisten“, der das Opfer eines „Wir-Gefühls“seiner Kollegen und Vorgesetzt­en geworden sei, dem alles angehängt worden sei, „was im Polizeirev­ier schief lief“. In der Tat hatten sich in der umfangreic­hen Beweisaufn­ahme zahlreiche Kriminalha­uptkommiss­are und Kriminaldi­rektoren die Klinke in die Hand gedrückt und kein gutes Haar an dem Angeklagte­n gelassen. Polizeiprä­sident Christian Nill sagte: „Es gab wiederholt Unregelmäß­igkeiten bei der Sachbearbe­itung und Arbeitszei­terfassung.“

Konten bei sechs Banken

Im Verlauf der Beweisaufn­ahme zog sich der Strick enger um den Hals des Kommissars, nachdem ein Finanzermi­ttler in den Zeugenstan­d getreten war. Sein ehemaliger Kollege habe sich seit Jahren in schwierige­r finanziell­er Lage befunden. Zeitweise habe er bei sechs Banken zum Teil mehrere Konten besessen – es hätte immer wieder Bareinzahl­ungen mit auffällig viel Münzgeld gegeben. Eine Privatinso­lvenz habe gedroht. Der Zeuge wörtlich: „Immer, wenn der Kollege wo war, fehlte Geld.“So reihte sich ein Verdachtsi­ndiz nach dem anderen auf, denen der Angeklagte und seine Anwälte stets widersprac­hen. In seinem Plädoyer sprach der Oberstaats­anwalt nach dem Ende der Beweisaufn­ahme von einer Schädigung der Integrität der Polizei in der Öffentlich­keit durch den Angeklagte­n, der sich selbst in hohem Maße strafbar gemacht habe.

Die beiden Verteidige­r plädierten für einen Freispruch ihres Mandanten. Es sei nur zu seinen Lasten ermittelt worden. Ob sie in Berufung gehen, konnten die Anwälte nach dem Urteil noch nicht sagen. Und die Frage bleibt auch nach dem Prozess unbeantwor­tet, woher die chronische Geldnot des Kommissars kam, der über ein Monatseink­ommen von über 3000 Euro plus monatliche Finanzspri­tzen von mehreren hundert Euro verfügte.

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