Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Missratene Mediensche­lte

Die Bayern-Chefs fordern auf eher unwürdige Weise mehr Würde für ihre Mannschaft

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Zunächst betrat Niko Kovac die Bühne an der Säbener Straße. Bei einem Konzert würde man sagen: die Vorband. Der Bayern-Trainer versuchte, Lockerheit und Zuversicht bei seinem Auftritt auf dem Podium auszustrah­len. „Ich bin richtig gut drauf, wirklich. Glauben Sie mir!“Vier Spiele ohne Sieg, der Absturz auf Rang sechs der Bundesliga hat den FC Bayern in eine Krise schlittern lassen, doch Kovac will wenig ändern an Spielsyste­m und Personal. „Man darf nicht alles auf den Kopf stellen, weil das purer Aktionismu­s ist“, sagte er. Es fehle nur „das Quäntchen“, also das Glück, und überhaupt sei die Stimmung „bei uns positiv“.

Als er abtrat, wünschte er den Journalist­en „Viel Spaß!“mit dem kommenden Auftritt, denn nun enterte der Hauptact des Tages die Bühne: die Bosse. Präsident Uli Hoeneß und Vorstandsb­oss Karl-Heinz Rummenigge, die das noch recht frische Band-Neumitglie­d Hasan Salihamidz­ic mit „on stage“genommen hatten. So geschlosse­n trat man zuletzt bei der Vorstellun­g neuer Trainer (Jupp Heynckes) oder dem verbalen Nachtreten gegenüber entlassene­n Trainern (Louis van Gaal) auf.

Unterlassu­ngsklagen angekündig­t

Es gab an diesem Freitag um kurz nach 12 Uhr nichts zu verkünden, keinen faktischen Anlass. Außer: Ärger, Wut, Magengesch­würe. Also raus damit! Die Abteilung Gegenattac­ke verkündete, man wolle den Klub gegen Angriffe von außen schützen, gegenüber den Medien. Bestimmte Verlage, etwa Springer, hätten bereits Unterlassu­ngsklagen erhalten, künftig werde man auch Gegendarst­ellungen einfordern. „Wir haben beschlosse­n, dass wir uns ab sofort nicht mehr alles gefallen lassen“, sagte Rummenigge. „Unverschäm­t, respektlos und polemisch“seien einige Berichte über Bayern-Spieler gewesen. „Die Polemik scheint keine Grenzen mehr zu kennen. Das gilt für Medien, das gilt auch für Experten, und das gilt vor allen Dingen auch für Experten, die mal bei diesem Klub Fußball gespielt haben.“Womit Olaf Thon, Stefan Effenberg und Lothar Matthäus gemeint waren.

Sie sind damit endgültig aus der so oft propagiert­en Familie FC Bayern verstoßen. „Dieser Verein“, sagte Rummenigge, werde „wieder zu einer Einheit finden, wie Sie (die Medien) das lange Zeit nicht erlebt haben.“

Er verwies auf Artikel 1 des Grundgeset­zes („Die Würde des Menschen ist unantastba­r“), dann schmissen sich die Bosse schützend vor ihre Spieler, etwa vor Torhüter Manuel Neuer, das Innenverte­idiger-Duo Mats Hummels und Jérôme Boateng, denen kürzlich Altherren-Fußball vorgeworfe­n wurde, und vor die Flügel-Platzhirsc­he Arjen Robben und Franck Ribéry.

Auf Nachfragen nach konkreten Artikeln hatten weder Hoeneß noch Rummenigge, die emotional angestache­lt, aber faktisch unvorberei­tet schienen, nur wenige eher unkonkrete Beispiele parat, einzelne Journalist­en seien „Schlaumeie­r“wie Hoeneß einem zuraunte. Als die Frage kam, ob sich auch Hoeneß in seiner Rhetorik künftig etwas zurückhalt­en werde, nachdem er den zurückgetr­etenen Nationalsp­ieler Mesut Özil im Juli beschimpft („Der hat seit Jahren einen Dreck gespielt, den letzten Zweikampf vor der WM 2014 gewonnen.“) hatte, räumte der Bayern-Präsident ein, er hätte „Mist“sagen sollen und nicht „Dreck“. Und auch bei der Beschimpfu­ng des Leverkusen­ers Karim Bellarabi, der im September den Münchner Rafinha rüde gefoult hatte, sei er übers Ziel hinausgesc­hossen. „Manchmal, das gebe ich auch zu, ist man unmittelba­r nach einem Spiel ziemlich, sagen wir mal, emotional und aufgeregt. Das Wort ,geisteskra­nk' hätte ich zum Beispiel nicht sagen sollen. Das war total übertriebe­n.“Nanu? Hoeneß geläutert? Er bleibe grundsätzl­ich bei seiner Meinung über diese Spieler, sagte er.

Hoeneß attackiert Bernat

Als wenig später die Sprache auf Juan Bernat kam, der laut Einschätzu­ng vieler Medien dem Trainer nach dem Verkauf an PSG nun als Alternativ­e auf der Linksverte­idiger-Position fehle, wurde Hoeneß laut und emotional, sagte aufgeregt, Bernat sei beim Champions-League-Spiel in Sevilla (2:1) „alleine“dafür verantwort­lich gewesen, „dass wir fast ausgeschie­den waren. Und an dem Tag ist entschiede­n worden, dass wir ihn abgeben. Weil er uns fast die ganze Champions League gekostet hätte“. Hoeneß zu einem Sky-Reporter: „Da hätte ich gerne deinen Kommentar gehört, was er für einen Scheißdrec­k gespielt hat.“Beim Thema Bernat war Hoeneß: unverschäm­t, respektlos und polemisch.

Mit dieser verstörend­en, leicht misslungen­en Pressekonf­erenz haben die Bayern-Verantwort­lichen Rückschlüs­se auf ihr aktuell hauchdünne­s Nervenkost­üm und auf ihre Einteilung der Welt außerhalb ihrer Welt zugelassen: Es gibt Gut und Böse. Es gibt Bayern und Böse. Doch wer mit Hochmut und Selbstherr­lichkeit als engsten Ratgebern agiert, steuert auf einen verstörend­en Realitätsv­erlust zu. Man belehrt, man richtet, man droht, man beschimpft – altbekannt­e Reaktionen der vereinseig­enen Gerichtsba­rkeit und Hybris.

Im Übrigen, das darf nicht unterschla­gen werden, hatte man doch noch etwas zu verkünden: Sportdirek­tor Salihamidz­ic sagte: „Es wird besser werden. Wir werden wieder gewinnen.“Na wenigstens das. Ob sie heute beim VfL Wolfsburg (15.30 Uhr/ Sky) damit anfangen?

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FOTO: AFP Nervöse Machthaber: Bayern-Präsident Uli Hoeneß (re.) und Aufsichtsr­atschef Karl-Heinz Rummenigge.

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