Debatte um Merkels Plan gegen Fahrverbote
Opposition empört über Gesetzesinitiative der Kanzlerin in Sachen Diesel – Lob von Strobl
● BERLIN/STUTTGART - Kurz vor der Landtagswahl in Hessen kocht die Debatte über drohende Dieselfahrverbote weiter hoch. Die Bundesregierung bekräftigte am Montag die Position von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass Sperrungen in Städten mit geringen Grenzwertüberschreitungen bei der Luftverschmutzung in der Regel nicht verhältnismäßig wären. Ob allerdings, wie von Merkel am Sonntagabend angekündigt, Fahrverbote per Gesetz verhindert werden können, blieb offen. „Am Ende entscheidet eine Kommune selbst, ob sie ein Fahrverbot verhängt oder nicht“, sagte ein Sprecher von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) in Berlin. Umweltverbände und Opposition kritisierten die Pläne.
Konkret will die Regierung Merkel für Städte, die den Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) je Kubikmeter Luft um höchstens zehn Mikrogramm überschreiten, „Klarheit bei der Verhältnismäßigkeit“schaffen, wie das Umweltministerium erläuterte. Neben Berlin könnte somit unter Umständen auch die hessische Metropole Frankfurt um Dieselfahrverbote herumkommen. In Hessen wird am Sonntag ein neuer Landtag gewählt.
Empört zeigte sich Cem Özdemir (Grüne), der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, über Merkels Ziel, Fahrverbote per Gesetz zu verhindern. „Das ist ein Treppenwitz“, sagte er am Montag der „Schwäbischen Zeitung“. Die Kanzlerin nehme den Druck von den Automobilherstellern, „wenn sie jetzt die Gesetze an Abgase und Luftverschmutzung anpassen möchte. Umgekehrt müsste es sein! Der Abgasausstoß muss an die Gesetze angepasst werden.“
Gemischt fielen die Reaktionen in Stuttgart aus. Hans-Ulrich Rülke, Chef der FDP-Landtagsfraktion, forderte die Landesregierung auf, die Anfang 2019 geplanten Fahrverbote in der Landeshauptstadt zu kippen. Ein Sprecher von Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte: „Wir warten dringend auf konkrete Vorschläge und nicht auf die Ankündigung von Vorschlägen.“Vizeregierungschef Thomas Strobl (CDU) sagte, die Pläne im Bund gingen in die „richtige Richtung“.
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WASHINGTON/MÜNCHEN (dpa) Die US-Kartellbehörde hat die Fusion des Industriegaseherstellers Linde mit dem US-Konkurrenten Praxair mit hohen Auflagen genehmigt. Die Federal Trade Commission betonte am Montag in Washington, dass Linde und Praxair sich aus neun Teilbereichen des Industriegasgeschäfts zurückziehen sollen. Die zwei Unternehmen haben demnach zugesagt, diese Auflagen innerhalb von vier Monaten umzusetzen.
Die US-Behörde hatte alle Beteiligten auf die Folter gespannt, weil die aktienrechtlich erlaubte Frist für die Fusion am 24. Oktober abläuft. Linde und Praxair wollen gemeinsam den französischen Rivalen Air Liquide übertrumpfen und weltgrößter Hersteller von Industriegasen werden. Die EU-Kommission hat bereits ihre Zustimmung erteilt.
Wenn die Fusion nun wie geplant über die Bühne geht, verliert Deutschland gegen den Widerstand der Arbeitnehmer damit den Sitz eines traditionsreichen Industrieunternehmens. Das neue Unternehmen soll zwar nach wie vor Linde heißen, doch als Chef vorgesehen ist der Praxair-Vorstandsvorsitzende Steve Angel. Er soll den Konzern künftig von Danbury in den USA aus führen. Unternehmenssitz soll aber die irische Hauptstadt Dublin werden, auch aus Steuergründen.
Der langjährige Linde-Vorstandschef und heutige Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle soll Aufsichtsratschef des neuen Weltmarktführers werden. Er hatte die Fusion gegen den Widerstand der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat vorangetrieben.
Zusammen würden der Münchner Traditionskonzern und sein US-Konkurrent Praxair ein Viertel des Weltmarkts beherrschen, mit rund 80 000 Mitarbeitern und gut 24 Milliarden Euro Jahresumsatz. Die beiden Unternehmen und die Investoren versprechen sich von der Fusion Synergien von 1,1 Milliarden Euro im Jahr.