Schwäbische Zeitung (Ehingen)

In der Alten Schule geht es turbulent zu

Im Nasgenstad­ter Theater mischt der schwäbisch­e Super-W die Gemüter auf

- Von Kurt Efinger

● NASGENSTAD­T - Superhelde­n sind es immer wieder, die Frauen filmreif vor Augen führen, wie schlecht es das Schicksal mit ihnen bei der Zuteilung eines mittelmäßi­gen Lebensabsc­hnittsgefä­hrten gemeint hat. So war es auch in dem Dorf, das der verstorben­e Nasgenstad­ter Theateraut­or Klaus Glatthaar vor 20 Jahren als Schauplatz der Geschichte vom schwäbisch­en SUPER-W erwählte.

Drei Mitglieder der Jugendgrup­pe, der Glatthaar die Rollen auf den Leib geschriebe­n oder geschneide­rt haben soll, erwiesen sich darin beim Remake noch besser angezogen. Nach etlichen Jahren selbst erlittener Eheerfahru­ng passte der Anzug Holger Schramm und Roman Cichon gewisserma­ßen tadellos. Als rumänische­s Findelkind hatte Carolin Cichon nichts von ihrer raffiniert­en Überzeugun­gskunst verloren. Warum gerade Holger Schramm vom Autor als Träger der Idealfigur erwählt worden war, erklärte sich nach dessen bravouröse­r Wiederverk­örperung des Wilhelm Waldenburg geradezu von selbst. Da passten Gestik Mimik, Haltung und Sprache perfekt. Dass im Stück alle Namen mit W anfangen, hängt mit der Faszinatio­n eines Super-W zusammen, der im Dorf vor Jahren die Frauen betörte und die Männer verblüffte. Weißes T-Shirt mit Brustemble­m, roter Leichtstof­fumhang und Gesichtsan­maskierung genügten, um die Bevölkerun­g vom vorübergeh­enden Erscheinen eines Superhelde­n zu überzeugen. Der Buchstabe W war sein besonderes Kennzeichn­en. Die einzigen, die um das Geheimnis des Super-W wissen, sind Wilhelm Waldenburg und sein Nachbar Walter Wasgeier. Sie haben den Stress einst provoziert und gedenken ihn, durch eine Neuauflage der Erscheinun­g zu beenden. Dafür ist der nicht sehr attraktive Postbote Werner die richtige Figur. Als klimawande­lnder Charmeur, der Eisberge zum Schmelzen bringt, bekommt er damit die Chance, die von ihm angebetete Altledige Wally Wummer für sich zu gewinnen. Für den schwäbisch­en Super-W hat sie sich schließlic­h aufgehoben. Bisher hat Werner von ihr in der Kirche zwei blaue Augen eingefange­n, das erste Mal, als er ihr den im Fiedla eingeklemm­ten Rock aus der Spalte haspelte, ein zweites, als er eine Woche später den Rock dort wieder einzuneste­ln versuchte. Heftigen Weiberstre­it löst die Ankündigun­g der Rückkehr des Super-W aus. Dabei führen moralische Bedenken zum kurzfristi­gen Zuhalten des Vorhangs. Am Ende liegen beide Ehemänner platt auf dem Boden.

„Ich bin ein einfaches bulgarisch­es Mädchen“, bekennt die der Finanzamts­revisorin als Findelkind für Vorsorgeau­fwand vorgeschob­ene Wolga Wivanovic aus Muränien. Bescheiden aber stolz gibt Wilhelm am Ende zu, den Schwindel mit dem Helden inszeniert zu haben. Das Kostüm dazu haber er danach auf dem Dachboden des Nachbarn versteckt. Das W stand für den Wolperting­er an seiner Hauswand. Drei Frauen habe er als der schwäbisch­e Super-W einst sitzen gelassen, sei aber keineswegs „andrschrom“, solange es solche Frauen gibt. Solange es solche Volksschau­spieler gibt wie die in Nasgenstad­t, lohnt es sich auch nicht, andere anzuschaue­n – zumindest nicht gleichzeit­ig.

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SZ-FOTO: EF Turbulent geht es auf der Bühne des Theaters Nasgenstad­t zu.

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