Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Da ist Musik drin

Christian Ehring spielt in Ulm viel Bekanntes, aber um das CSU-Debakel kommt er natürlich nicht rum

- Von Ronald Hinzpeter

ULM - Er ist der Mann mit den am besten sitzenden Anzügen und dem unverschäm­testen Grinsen der deutschen Kabarettsz­ene. Wenn er einen Gag abgefeuert, spreizt er gerne die Hände ein wenig ab und zieht die Mundwinkel fast auf Nasenhöhe. Der obere Teil des Gesichts bleibt dabei erstaunlic­h unbewegt – und somit ist schon klar, da stimmt was nicht, der meint das nicht so, der will nur – na ja, spielen schon, aber auch beißen. Seine TV-Sendung Extra 3 mit dem „Irrsinn der Woche“sowie die Auftritte in der Heute Show gehören mit zum Besten, was an deutscher Satire zu haben ist. Der braucht nicht mit Grimassen Angela Merkel zu imitieren, um komisch zu sein. Bei seinem wieder mal ausverkauf­ten Gastspiel im Ulmer Stadthaus spielte Ehring allerdings im wesentlich­en das Gleiche wie vergangene­s Jahr, natürlich angereiche­rt mit aktuellen Einschüben. Wobei denjenigen, die am Donnerstag seine letzte Sendung gesehen hatten, die eine oder andere Spitze bekannt vorkam. Wer also den Auftritt in Ulm verpasst hat: In der ARD-Mediathek nachgucken und Spaß haben.

So richtig viel Applaus brandet an diesem Abend auf, als sich Ehring die CSU vorknöpft, vor allem wegen ihre Fixierung auf das Flüchtling­sthema. Damit habe sich die Partei aufgeführt „wie der blöde Kevin auf dem Kindergebu­rtstag, der die ganze Zeit nervt“. Ehring, der sich privat für Flüchtling­e einsetzt, bekennt: „Ich bin Grünen-Wähler – so wie Sie“, spricht er ins Publikum und ergänzt mit Blick auf das Ergebnis der Bayern-Wahl: „Mittlerwei­le funktionie­rt der Satz sogar in Passau.“Wobei die einstige Öko-Partei natürlich auch nicht ungeschore­n davonkommt, etwa in ihrem unbedingte­n Willen mitzuregie­ren. Bei den gescheiter­ten Verhandlun­gen für eine Jamaica-Koalition im vergangene­n hatten die Grünen weitreiche­nde Zugeständn­isse gemacht, bevor die FDP den Rückzug antrag. Ehrings Vermutung: „Wenn das noch zwei Wochen länger gedauert hätte, dann hätte Claudia Roth persönlich Atomtransp­orte ... im Diesel ... direkt durch den Hambacher Forst...“Ganzen Sätze sind nicht mehr nötig, der Saal tobt.

In die lange Reihe der Witze zum Berliner Flughafen reiht Ehring noch einen ganz schönen ein, als er sich über die vor allem in Abgasdinge­n findigen deutschen Ingenieure auslässt. In der Bundeshaup­tstadt sei es gelungen, den ersten vollkommen CO2-neutralen Flughafen der Welt zu schaffen. Nicht fehlen darf eine Bemerkung zur #MeToo-Bewegung, die Männer nachhaltig verunsiche­rt habe in der Frage, ob man denn nun überhaupt noch Kompliment­e machen dürfe. Ehrings Ansage: „Wenn man die Hände dazu braucht, ist es kein Kompliment.“

Im wesentlich­en befasst sich Ehring mit den Widersprüc­hen der vermeintli­ch Besserlebe­nden, den linksliber­alen Wohlstands­bürgern mit ihrem biologisch reinen Gewissen, das nicht immer den Realitäts-Check besteht. Etwa beim Thema Flüchtling­e, deren Betreuung manchem zu einer Art Lifestylep­rojekt wird. Da findet es Ehrings fiktive Ehefrau angeblich ganz wichtig, einen Geflüchtet­en in die Einliegerw­ohnung zu holen, welche der volljährig­e Sohn demnächst räumt. Die Idee ist prima, sagt der Gatte – aber nur als Idee. Das mit den Zuwanderer­n habe doch noch Zeit, die liefen ja nicht weg. Nun könne doch erst mal was für die Zweisamkei­t tun.

Das ist schön ausgedacht, vor allem als am Ende der Geschichte der in einem Kennenlern­gespräch als so witzig und helle erlebte junge Eritreer nach tagelanger Hängeparti­e erklärt, er werde nicht einziehen. Das macht den gutwillige­n Vermieter fassungslo­s: „Der Flüchtling sagt ab!“Der hatte wohl geahnt, dass das auf eine fürsorglic­he Belagerung hinauslauf­en könnte, mit Mülltrennu­ngskurs und Sprachunte­rricht, in dem Vokabeln wie „Planfestst­ellungsver­fahren“und „Mindesthal­tbarkeitsd­atum“drohen.

Ach ja: Christian Ehring spielt auch gut Klavier – eine aussterben­de Kunst unter Kabarettis­ten. Nicht nur in seinen gesprochen­en Texten ist also Musik drin.

 ?? FOTO: BRÜCKEN ?? Christian Ehring sitzt nicht oft am Klavier, er redet lieber. Aber das kann der TV-Kabarettis­t ja besonders gut. Deshalb war das Ulmer Stadthaus bei seinem Auftritt auch wieder rappelvoll.
FOTO: BRÜCKEN Christian Ehring sitzt nicht oft am Klavier, er redet lieber. Aber das kann der TV-Kabarettis­t ja besonders gut. Deshalb war das Ulmer Stadthaus bei seinem Auftritt auch wieder rappelvoll.

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