Da ist Musik drin
Christian Ehring spielt in Ulm viel Bekanntes, aber um das CSU-Debakel kommt er natürlich nicht rum
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ULM - Er ist der Mann mit den am besten sitzenden Anzügen und dem unverschämtesten Grinsen der deutschen Kabarettszene. Wenn er einen Gag abgefeuert, spreizt er gerne die Hände ein wenig ab und zieht die Mundwinkel fast auf Nasenhöhe. Der obere Teil des Gesichts bleibt dabei erstaunlich unbewegt – und somit ist schon klar, da stimmt was nicht, der meint das nicht so, der will nur – na ja, spielen schon, aber auch beißen. Seine TV-Sendung Extra 3 mit dem „Irrsinn der Woche“sowie die Auftritte in der Heute Show gehören mit zum Besten, was an deutscher Satire zu haben ist. Der braucht nicht mit Grimassen Angela Merkel zu imitieren, um komisch zu sein. Bei seinem wieder mal ausverkauften Gastspiel im Ulmer Stadthaus spielte Ehring allerdings im wesentlichen das Gleiche wie vergangenes Jahr, natürlich angereichert mit aktuellen Einschüben. Wobei denjenigen, die am Donnerstag seine letzte Sendung gesehen hatten, die eine oder andere Spitze bekannt vorkam. Wer also den Auftritt in Ulm verpasst hat: In der ARD-Mediathek nachgucken und Spaß haben.
So richtig viel Applaus brandet an diesem Abend auf, als sich Ehring die CSU vorknöpft, vor allem wegen ihre Fixierung auf das Flüchtlingsthema. Damit habe sich die Partei aufgeführt „wie der blöde Kevin auf dem Kindergeburtstag, der die ganze Zeit nervt“. Ehring, der sich privat für Flüchtlinge einsetzt, bekennt: „Ich bin Grünen-Wähler – so wie Sie“, spricht er ins Publikum und ergänzt mit Blick auf das Ergebnis der Bayern-Wahl: „Mittlerweile funktioniert der Satz sogar in Passau.“Wobei die einstige Öko-Partei natürlich auch nicht ungeschoren davonkommt, etwa in ihrem unbedingten Willen mitzuregieren. Bei den gescheiterten Verhandlungen für eine Jamaica-Koalition im vergangenen hatten die Grünen weitreichende Zugeständnisse gemacht, bevor die FDP den Rückzug antrag. Ehrings Vermutung: „Wenn das noch zwei Wochen länger gedauert hätte, dann hätte Claudia Roth persönlich Atomtransporte ... im Diesel ... direkt durch den Hambacher Forst...“Ganzen Sätze sind nicht mehr nötig, der Saal tobt.
In die lange Reihe der Witze zum Berliner Flughafen reiht Ehring noch einen ganz schönen ein, als er sich über die vor allem in Abgasdingen findigen deutschen Ingenieure auslässt. In der Bundeshauptstadt sei es gelungen, den ersten vollkommen CO2-neutralen Flughafen der Welt zu schaffen. Nicht fehlen darf eine Bemerkung zur #MeToo-Bewegung, die Männer nachhaltig verunsichert habe in der Frage, ob man denn nun überhaupt noch Komplimente machen dürfe. Ehrings Ansage: „Wenn man die Hände dazu braucht, ist es kein Kompliment.“
Im wesentlichen befasst sich Ehring mit den Widersprüchen der vermeintlich Besserlebenden, den linksliberalen Wohlstandsbürgern mit ihrem biologisch reinen Gewissen, das nicht immer den Realitäts-Check besteht. Etwa beim Thema Flüchtlinge, deren Betreuung manchem zu einer Art Lifestyleprojekt wird. Da findet es Ehrings fiktive Ehefrau angeblich ganz wichtig, einen Geflüchteten in die Einliegerwohnung zu holen, welche der volljährige Sohn demnächst räumt. Die Idee ist prima, sagt der Gatte – aber nur als Idee. Das mit den Zuwanderern habe doch noch Zeit, die liefen ja nicht weg. Nun könne doch erst mal was für die Zweisamkeit tun.
Das ist schön ausgedacht, vor allem als am Ende der Geschichte der in einem Kennenlerngespräch als so witzig und helle erlebte junge Eritreer nach tagelanger Hängepartie erklärt, er werde nicht einziehen. Das macht den gutwilligen Vermieter fassungslos: „Der Flüchtling sagt ab!“Der hatte wohl geahnt, dass das auf eine fürsorgliche Belagerung hinauslaufen könnte, mit Mülltrennungskurs und Sprachunterricht, in dem Vokabeln wie „Planfeststellungsverfahren“und „Mindesthaltbarkeitsdatum“drohen.
Ach ja: Christian Ehring spielt auch gut Klavier – eine aussterbende Kunst unter Kabarettisten. Nicht nur in seinen gesprochenen Texten ist also Musik drin.