Kirchen sollten nicht nur tun, was ankommt
Prägnante Predigt zum Reformationstag
ULM (köd) - Nach dem großen Jubiläum 2017 war die Aufmerksamkeit zum 501. Geburtstag der Reformation in diesem Jahr geringer. Doch bei der Feier im Ulmer Münster stand mit Heinz Gerstlauer ein Mann auf der Kanzel, dessen Wort Gewicht hat. Gerstlauer, sozial engagierter ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart, ist bekannt für seine prägnanten Predigten. Zudem gab es auch in diesem Jahr etwas zu feiern: die Gründung der Diakoniestiftung in Ulm vor zehn Jahren.
Gerstlauer beschäftigte sich mit der Frage, wie begnadete Menschen aussehen. Erkennt man sie am Erfolg? Den begnadeten Lehrer an seinen Schülern, den begnadeten Prediger an vollen Kirchen? In ein solches Schema würde das Kind mit Downsyndrom nicht passen, das Liebe verteilen kann wie kaum ein anderes. Genauso wenig wie der Künstler, dessen Leben von Krisen geschüttelt ist oder der schlechte Schüler, der ein echter Freund ist.
Gerstlauer warnte vor einer Tendenz, Gott auf die Seite der Tüchtigen zu stellen. Die Versuchung treffe auch Kirchen und Kirchengemeinderäte, wenn darüber diskutiert wird: „Wie können wir bei den Leuten besser ankommen?“Denn dann werde für den Preis des Wohlfühlens in Gruppen und Zirkeln nur gemacht, was ankommt – eine Ansprache am Bauzaun für die Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 oder ein Gottesdienst im Grünen für Wanderfreunde. Das 21. Jahrhundert sei kein Zeitalter der Ungläubigkeit, sondern eines der Leichtgläubigkeit, sagte Gerstlauer. Auf der Strecke bleibe, was sich nicht gut verkaufen lässt: zum Beispiel, dass einer des anderen Last tragen solle. Und dass zur Kirche die Diakonie gehört – was etwa hunderttausend jährliche Anrufe bei der Telefonseelsorge zeigen. Die Versuchung, nach Mehrheiten zu schielen und Gott dorthin zu manövrieren, wo man ihn haben will, mache profillos, warnte Gerstlauer.
Die Ulmer Diakoniestiftung: Die am 31. Oktober 2008 gegründete Ulmer Diakoniestiftung verfügt inzwischen über einen Kapitalstock von einer halben Million Euro. Die Erträge werden für soziale Zwecke ausgeschüttet. Ziel is eine Verdoppelung des Kapitals bis zum 20-jährigen Jubiläum der Stiftung.