Wenn sich die Nachbarschaft plötzlich ändert
Über alte Bebauung und moderne Bauvorhaben will sich der Gemeinderat Erbach bald austauschen
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ERBACH - Der Gemeinderat Erbach muss sich mit Bauvorhaben in bisher eher ruhigen Wohngebieten beschäftigen. Wie mit der Behandlung der Baugesuche und einer Voranfrage im Technischen Ausschuss offenkundig wurde, gibt es für Anrainer ein stärker werdendes Problem: Durch Erben und gewinnorientierte Investoren kann es plötzlich zu massiven Veränderungen in den betroffenen Nachbarschaften kommen, wenn Gebäude und Grundstücke erweitert und stärker genutzt werden. Das aber darf bei Erfüllung der Auflagen nach dem geltenden Bebauungsplan nicht abgelehnt werden.
Ausschussmitglied August Weber (FWV) brachte das Problem bei Anwesenheit zahlreicher Zuhörer zur Sprache. Aufmerksam wurde die Öffentlichkeit im Verlauf der Diskussion der Räte und Verwaltungsmitarbeiter aber auch, dass Inkonsequenz der Volksvertreter sich rächt. Bauherren können, wenn sie die Vorschriften des Bebauungsplans nicht erfüllen können oder wollen, einen Befreiungsantrag stellen, der scheinbar in Ausnahmefällen bereits befürwortet wurde. Gibt es einmal eine Ausnahme, kann diese im Bebauungsplangebiet einem anderen Bauherren eigentlich nicht verwehrt werden, sagte Rathausmitarbeiter Uwe Gerstlauer und erinnerte, diese Tatsache auch bei jedem solchen Fall in der Vergangenheit den Abstimmungsberechtigten gesagt zu haben. Klagen vor dem Verwaltungsgericht, weil Bauherren ihre Wünsche durchsetzen wollen, seien keine Seltenheit. Zwei bis drei Fälle im Jahr kämen vor, erklärte Gerstlauer. Bürgermeister Achim Gaus schlug vor, das Klausurtreffen des Gemeinderates im kommenden Jahr diesem Thema zu widmen und über alten Bebauungspläne und moderne Anforderungen an den Wohnbau zu beraten. Zum Beispiel gab es in den 1960erJahren pro Familie üblicherweise nur ein Auto und damit keine Stellplatzprobleme.
Entstanden war die Diskussion im Ausschuss über ein Baugesuch nach Kenntnisgabeverfahren in der Schubartstraße 10 und eine Bauvoranfrage für den Rosenweg 1 und 3. Im Rosenweg soll auf den beiden Grundstücken ein Gebäude mit zahlreichen Wohnungen entstehen, die ein Dutzend Carports benötigen, welche allerdings die Baugrenze überschreiten. Der Bauherr fragte deshalb vorab an, ob eine Befreiung möglich wäre. Nachdem ein erster Entwurf abgelehnt worden war, bewertete die Verwaltung den jetzt eingereichten Plan mit nach hinten versetzten Carports „als bessere Alternative“, der zugestimmt werden könnte – obwohl auch diese Variante die Baugrenze überschreitet. Mehrheitlich stimmten die Ausschussmitglieder dem Vorschlag der Verwaltung zu, darunter auch August Weber.
Der Plan zur Schubartstraße 10 war von der Verwaltung vorgelegt worden, um abermals die Bedürfnisse von Investoren im Bereich alter Bebauungsplangebiete aufzuzeigen. Die Front des Einfamilienhauses bleibt bestehen, während die Rückseite erheblich verändert wird, um durch einen Anbau fünf Wohnungen zu schaffen. Grenzte bisher ein Garten an die Nachbargrundstücke, so werden es künftig hinter dem Haus die Stellplätze der Bewohner sein. Das bringt Unruhe für die Anrainer, die sich bei der Stadt zahlreich beschwerten.
Ohne Diskussionen stimmten die Ausschussmitglieder weiteren Vorhaben zu. In Steinenfeld 3 geht es um eine geänderte Nutzung von Ställen, im Ersinger Eschle soll ein Anbau zwischen einem Gebäude und Futtersilo entstehen. In Erbach im Gewann „Hinterer Hangelenbach“ist ein Bergahllenanbaue geplant.