Geschriebene Zeugen einer kriegerischen Epoche
Verein für Briefmarkenkunde erinnert an das Kriegsende vor 100 Jahren
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ULM - „Die Postkarte von damals ist das Handy von heute“. So erklärt Günter Thumerer, Vorsitzender des Vereins für Briefmarkenkunde die Fülle an ausgestellten Feldpostbriefen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Im Rahmen der Ulmer Münzenund Briefmarkenbörse in der Donauhalle erinnerte der hiesige Verein der Philatelisten an das Kriegsende vor hundert Jahren.
Damit knüpft er an die bisherige Tradition an, stets Ausstellungen zum Zeitgeschehen zu präsentieren. Zwei sogenannte Heimatsammler zeigten ihre Schwerpunkte in einer detaillierten Schau, deren Unmittelbarkeit manchem Geschichtsunterricht gut stünde. Nicht allein die Nachrichten von und an die Front machten betroffen; ebenso berührte die offensichtliche Diskrepanz zwischen geschriebenem Text an die Lieben und den Durchhalteparolen auf der Vorderseite.
Die Postkarten waren sowohl an den Kiosken an der Front als auch zu Hause verfügbar, erläuterte Thumerer. Hierfür gab es einige Verlage, welche die Bilder produzierten. Allerdings musste jedes Motiv genehmigt werden. Nur patriotische oder politisch unbedenkliche Karten durften in den Verkauf gehen, so Thumerer weiter. Die Bildmotive ähnelten sich somit: Es wurde die Stärke und Treue des deutschen Soldaten beschworen, der Feind wurde erniedrigt oder lächerlich gemacht, Idylle vorgetäuscht. Der gute Erhaltungszustand der ausgestellten Exemplare stärkte zusätzlich das Gefühl von Betroffenheit.
Die Zensurbehörde hatte aber nicht nur ein Auge auf die Gestaltung der Motive. Ebenso unterlag jede abgeschickte Karte, jeder Brief – sowohl aus dem Kriegsgebiet, als auch von zu Hause – der Überwachung. Anschaulich wurde dies in der Ausstellung durch Stempel, Neuverklebungen und Schwärzungen. „Die Kontrollbehörden wollten, dass der Empfänger der Post sieht, dass sie kontrolliert wird“, berichtete Thumerer nachdenklich. So könne der Schreiber darauf hingewiesen werden, sich in Zukunft weniger politisch zu äußern. Es ging schließlich darum, das Volk bei der Stange zu halten.
Blick nach Fernost
Gast der Münzen- und Briefmarkenbörse war die bundesweite Forschungsgemeinschaft China/Asien, welche sich ebenfalls am Weltkriegsgedenken beteiligte. Zu sehen waren persönliche Postkarten, aber auch Wert- und Bankbriefe. Nahezu vergessen ist heute die Verschleppung der über 4000 Deutschen in China. Das deutsche Pachtgebiet Kiautschou wurde 1914 von Japanern besetzt, welche die Verteidiger in Gefangenenlager einsperrten.
Die Post von dort in die deutsche Heimat erfolgte in der Regel auf dem Schienenweg, nicht ohne auch hier zuvor die obligatorische Zensurbehörde zu passieren. Ein Brief von Fernost nach Europa dauerte ein einem Fall zwei Jahr, erläuterte Peter Fuchs vom Verein für Briefmarkenkunde.
Zwei Tafeln über die Nachkriegsjahre rundeten die Schau ab. Ein Heft mit Lebensmittelmarken, wie sie bis Anfang der 20er Jahre ausgegeben wurden, veranschaulichte die permanente Knappheit, mit welcher die Bevölkerung täglich zu kämpfen hatte. Die Anzahl der Marken und deren Wert waren so berechnet, dass die Einlösesumme stets unter dem Mindestbedarf an Lebensmitteln lag, gibt Thumerer zu bedenken. Es sei eine regelrechte Verwaltung des Mangels gewesen.
Auch in Zeiten der Weimarer Republik änderten sich die Kartenmotive kaum. Das geschlagene Vaterland wurde demonstrativ als Opfer dargestellt und dem überlebten Kaiserreich nachgetrauert. Es erstaunt anhand dieser Bilder nicht sonderlich, dass ein Gedeihen der Demokratie unter diesen medialen Voraussetzungen gar nicht möglich war. Die Postkarten entsprachen vielleicht nicht nur dem heutigen Handy, sie wirkten auch wie „Facebook“oder „Twitter“. Die gelenkte Meinung wurde nicht digital, sondern über den Postweg verbreitet.