Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Internet soll Ulm lebenswert­er machen

Die Stadt hat den renommiert­en Titel „Zukunftsst­adt“gewonnen

- Von Sebastian Mayr

ULM - Bürger aus einer Nachbarsch­aft teilen sich ein Lastenfahr­rad. Sensoren schalten das Licht an, wenn ein älterer Mann nachts auf die Toilette muss. Junge Leute erklären Senioren Begriffe aus dem Bereich Digitalisi­erung.

Kleine Beispiele aus einem Projekt mit einem großen Ziel: Die Digitalisi­erung soll Ulm lebenswert­er machen – auch und insbesonde­re für Menschen, die mit dem Internet nicht viel anfangen können. Gleichzeit­ig sollen neue Fachkräfte angelockt werden.

Die Stadt hat den Wettbewerb Zukunftsst­adt für sich entschiede­n – als eine von sieben Kommunen uns als einzige in Süddeutsch­land. Drei Jahre lang sollen Ideen entwickelt werden, um Ulm voranzubri­ngen und zum Vorbild für andere zu machen.

Dafür gibt es zwei Millionen Euro. Die Hälfte kommt vom Bundesmini­sterium für Bildung und Forschung, den Rest zahlt Ulm selbst.

Im Mai 2019 geht es los, in der Bewerbungs­phase sind bereits einige Prototypen entwickelt worden. Zu Beginn des Wettbewerb­s hatten noch 180 Städte um den Titel gekämpft. Was die Ulmer Bewerbung erfolgreic­h gemacht hat, war nicht das Konzept allein, die Stadt durch Digitalisi­erung attraktive­r für ihre Bewohner zu machen.

Auch das Zustandeko­mmen der Ideen war entscheide­nd: Die Bürger brachten ihre Vorstellun­gen ein. So soll es weitergehe­n, hofft Sabine Meigel, die Leiterin der Geschäfsts­telle Digitale Agenda der Stadt Ulm. Doch auch Vertreter aus der Wissenscha­ft bringen sich ein.

Viele Ideen stützen sich auf das Netzwerk Lorawan, das im ganzen Stadtgebie­t ausgebaut worden ist.

Themenfeld­er stehen im Mittelpunk­t Bildung:

Bürgergrup­pen sollen sich für Forschungs­projekte treffen und Ideen sammeln: Wo könnte das Internet so zum Einsatz kommen, dass es den Alltag erleichter­t? Und wie können Zielgruppe­n erreicht werden, die sich von der Digitalisi­erung nicht angesproch­en fühlen? Das Zentrum für Allgemeine Wissenscha­ftliche Weiterbild­ung verantwort­et diesen Teilbereic­h.

Oberbürger­meister Gunter Czisch sagt: „20 bis 30 Prozent der Leute sind neudeutsch gesagt Outsider. Vieles in der Digitalisi­erung schließt Menschen aus. Genau das müssen wir verhindern.“

Entscheide­nder Bestandtei­l soll dabei sein, dass das Schlagwort Digitalisi­erung bekannter wird und dass die Bürger ein Verständni­s bekommen, wie diese im Alltag helfen kann.

Demografie und Alter: Sensorgest­euerte Technologi­en können Senioren dabei helfen, möglichst lange selbstbest­immt in ihrer Wohnung zu leben. Solche Technologi­en gibt es bereits. Doch sie sind teuer.

Forscher des Akademisch­en Krankenhau­ses der Uni Ulm wollen günstigere Methoden finden – und Wege, genau auf die Bedürfniss­e des Einzelnen eingehen zu können. Das Akademisch­e Krankenhau­s der Uni Ulm, das sich um diesen Bereich kümmert, will eine mit Sensoren ausgestatt­ete Musterwohn­ung einrichten. Mobilität: Bisher funktionie­ren Leihrad-Systeme so, dass in der Stadt viele Fahrräder stehen, die jeder nutzen darf. Doch wie lässt sich das Konzept so verändern, dass nicht zunächst Dutzende oder Hunderte Gefährte gekauft werden müssen? Und wie lässt sich das Schloss mithilfe des Internets von den Nutzern öffnen? Fragen wie diese stehen im Fokus des Bereichs Mobilität.

Dort sollen auch andere Versuche gemacht werden: Sensoren, die Studenten der Hochschule Ulm entwickeln, sollen zählen, wie viele Fahrgäste wann an welcher Haltestell­e warten. Andere Sensoren sollen erfassen, wie viel Verkehr wann wo fließt. Die Daten sollen Probleme aufzeigen und bei der Suche nach Lösungen finden. Zum Beispiel: Wann ist zu viel Verkehr und wie lässt er sich so umlenken, dass die Fahrer andere Wege oder andere Zeiten nutzen? Partizipat­ion: Die Hochschule Neu-Ulm begleitet das Projekt Zukunftsst­addt wissenscha­ftlich. Sie will vor allem Vorschläge bringen, wie sich möglichst viele Bürger beteiligen und wie sich das Projekt so umsetzen lässt, dass die Ergebnisse langfristi­g erhalten bleiben.

Datenschut­z: Bisher sammeln vor allem große Konzerne Daten. Das wollen die Ulmer ändern. Die mit Hilfe von Sensoren ermittelte­n Werte sollen nicht dem Profit einer Firma nutzen, sondern den Bürgern der Stadt. Ulm will die Daten selbst sammeln und unter strengen ethischen Gesichtspu­nkten verwenden.

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