Zeit ist Geld
Entschädigungen für Verspätungen sollen höher ausfallen und einfacher werden
Mehr als zwei Stunden zu spät, weil der Zug nicht kam? Bislang gibt es bei solchen Verspätungen in Deutschland höchstens die Hälfte des Ticketpreises zurück. Nach dem Willen des EUParlaments sollen Bahnreisende künftig deutlich höhere Entschädigungen bei verspäteten oder ausgefallenen Zügen bekommen (Foto: dpa). Die EU-Abgeordneten stimmten am Donnerstag für entsprechende Vorschläge. ●
BERLIN - Die Rechte der Kunden von Bahnen und Fluggesellschaften könnten bald deutlich gestärkt werden. Das wäre der Fall, wenn die EU höhere Entschädigungen für Verspätungen vorschreiben sollte. Das Europäische Parlament hat diesem Vorschlag seines Verkehrsausschusses schon zugestimmt.
Auch in Deutschland tut sich etwas. In der kommenden Woche wird das Saarland einen Entschließungsantrag im Bundesrat einbringen. Kernpunkt ist die Forderung, dass Airlines oder Bahnen bei Verspätungen oder Ausfällen von sich aus die betroffenen Passagiere entschädigen müssen. Bisher zahlen die Transportunternehmen Schadenersatz nur auf Antrag. Bei den Fluggesellschaften ist dies oft ein langwieriges Unterfangen.
Deshalb will das Saarland das Verfahren umkehren. „Wer Flug- oder Bahntickets bucht und dann sprichwörtlich am Gate oder Bahnsteig stehengelassen wird, darf am Ende nicht länger der Dumme sein und seinen finanziellen Ansprüchen hinterherlaufen müssen“, sagt Verbraucherminister Reinhold Jost. Die beste Lösung sei eine automatisierte Entschädigungszahlung der Reiseunternehmen an ihre Kunden, wenn entsprechende Ansprüche vorliegen. „Die erfordert wenig Arbeitsaufwand und würde allen Beteiligten viel Ärger ersparen“, erläutert der Minister.
Kritik an komplizierten Verfahren
Das Verfahren ist leicht verständlich. Die Flug- und Bahngesellschaften verfügen in der Regel sowohl über die Buchungsnummer einer Reise als auch über die Daten zur Bankverbindung ihrer Kunden. Kommt ein Zug viel zu spät an, oder streicht eine Airline einen Flug, soll der jeweilige Anbieter dem Passagier die fällige Entschädigungsleistung einfach überweisen.
„Es ist nicht einzusehen, warum Flug oder Zug per App gebucht werden können, die Entschädigung dann aber schriftlich auf komplizierten Formularen beantragt werden muss“, heißt es im Antrag an den Bundesrat. Kommt das Ansinnen in der Länderkammer durch, muss die Bundesregierung eine entsprechende Gesetzesänderung prüfen.
Die Deutsche Bahn zeigt sich für den Vorschlag offen, hält die Umsetzung allerdings für schwierig. „Die Digitalisierung des Fahrgastrechteprozesses ist sowohl fachlich wie auch technisch gesehen komplex und herausfordernd“, dämpft ein Sprecher die Erwartung an eine schnelle Reform. Ein automatisiertes Verfahren könnte den Konzern auch viel Geld kosten. Denn derzeit kommen nicht einmal vier von fünf Zügen pünktlich am Ziel an. Die Fahrgäste müssen ein Formular ausfüllen, online oder auf Papier, wenn sie eine Entschädigung erhalten wollen. Es liegt nahe, dass etliche Kunden den Aufwand scheuen.
Bei einem automatisierten Verfahren müsste die Bahn daher wohl mehr für Ausgleichszahlungen ausgeben als bisher. Die Dimensionen sind ohnehin schon beachtlich. Im vergangenen Jahr regulierte die Bahn 1,5 Millionen Fälle. Dafür überwies das Unternehmen 30 Millionen Euro an die Fahrgäste. Im laufenden Jahr dürfte der Betrag aufgrund der sinkenden Pünktlichkeitswerte und einiger Zugausfälle noch einmal höher ausfallen.
Teurer käme die Bahn auch eine Reform der Fahrgastrechte in der EU, die das Europäische Parlament an diesem Donnerstag beschlossen hat. Die Abgeordneten wollen deutlich höhere Entschädigungen für Bahnreisende durchsetzen. Der halbe Ticketpreis soll bereits ab einer Verspätung von mehr als einer Stunde erstattet werden, bei mehr als zwei Stunden wird der volle Preis fällig. Allerdings muss das Parlament nun noch den Europäischen Rat von der Verschärfung überzeugen. Ob die darin vertretenden Mitgliedsländer den Vorschlag in dieser Form billigen, ist unsicher.