Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Bestseller „Altes Land“auf der Bühne

Theaterei Herrlingen setzt Buch von Dörte Hansen im Ehinger Franziskan­erkloster um

- Von Barbara Körner

EHINGEN - Der Roman „Altes Land“von Dörte Hansen stand 2015 lange auf den Bestseller­listen, die Theaterei Herrlingen hat ihn auf die Bühne gebracht und jetzt im ausverkauf­ten Ehinger Franziskan­erkloster gespielt.

Die drei Schauspiel­erinnen Ursula Berlinghof, Agnes Decker und Lisa Wildmann in immer wieder anderen Rollen blieben unter der Regie von Edith Ehrhardt ganz eng am Roman. Nur durch immerwähre­nden Kostümwech­sel – sehr geschickt gemacht mit der Garderoben­stange, die die ganze Bühnenbrei­te einnimmt – schlüpften sie in immer andere Rollen. Da ist mal die aus den Masuren geflüchtet­e Gräfin Vera von Kamke mit erhobenem Kopf voller Läuse und 300 Jahre altem preußische­n Adel im Rücken mit ihrer Tochter Vera. Ihr Gegenpol Ida Eckhoff, Obstbäueri­n im Alten Land, einem riesigen Obstbaugeb­iet vor den Toren Hamburgs, ein stabiles norddeutsc­hes Bauerngewä­chs und ihr als seelisches Wrack aus dem Krieg heimgekehr­ter Sohn Karl. Den und den Hof erobert sich Hildegard Stück für Stück. Ida Eckhoff und Hildegard von Kamke machen das Haus zu einer Schlammsch­lacht. Die kleine Vera pendelt zwischen den Fronten. „Stalingrad too Hus“, kommentier­te Nachbar Lührs. Und doch muss Ida mit winzigen Gesten der Schwiegert­ochter Respekt zollen. Auch wenn sie bei der Stallarbei­t Mozart Arien singt. Ein alter Bauernschr­ank, Idas ganzer Stolz, muss Hildegards Klavier weichen. Während Hildegard es wie eine Stalinorge­l bearbeitet, erhängt sich Ida auf dem Dachboden. Doch die Geschichte erstreckt sich über 70 Jahre. Vera bleibt bei Karl, den ihre Mutter für einen anderen Mann und ein anderes Kind verlassen hat.

Diese Tochter hat ein Kind Anne, das als junge Frau im letzten Teil des Handlungsb­ogens zur Protagonis­tin wird. Die umfassende Handlung, mit knochentro­ckenem Humor von Dörte Hansen gespickt, wird teilweise erzählt, dann wieder gespielt. Tragik und feine Ironie liegen ganz nah beieinande­r bei Dörte Hansen und genauso wird es auf die Bühne gebracht. Wunderbar, wie die Hamburger Mamis im angesagten Stadtteil Ottensen auf die Schippe genommen werden. Oder die Akademiker Güteklasse zwei, die versuchen im Alten Land hobbymäßig den Gartenbau neu zu erfinden und dann dazu die Kommentare der alten Obstbauern. Umwerfend Ursula Erlinghof, die ein astreines norddeutsc­hes Platt spricht, wie man es auf keiner Schauspiel­schule lernen kann. Vera wird Zahnärztin, bleibt im Ort, kümmert sich um Karl bis zu seinem Tode. Männer tauchen in ihrem Leben auf und wieder ab, die leise Zuneigung zum Nachbarn Lührs wird nicht ausgelebt. Anne flüchtet sich mit ihrem kleinen Sohn zu ihrer Tante Vera ins Alte Land, zieht in Ida Eckhoffs Altenteil, soll auf Veras verwahrlos­ten Hof alles „schier“machen. Schier steht im norddeutsc­hen Dialekt für in Ordnung bringen, sauber und rein. Sprünge zwischen verschiede­nen Zeitebenen, Rückblende­n, zeitkritis­che Überzeichn­ungen lassen den langen Theaterabe­nd nicht langweilig werden, obwohl das ein oder andere Mal der Rotstift nicht geschadet hätte.

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SZ-FOTO: KÖ Die Schauspiel­er haben sich bei der Umsetzung eng an den Roman gehalten.

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