Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Pfarrer Loi spricht über Frage „Warum Gott Leid zulässt“

Am Ende des ersten Vortrags des Erwachsene­nbildungsa­usschusses standen viele Denkanstöß­e

- Von Friedrich Hog

● REUTLINGEN­DORF - Der Erwachsene­nbildungsa­usschuss der Seelsorgee­inheit Marchtal besteht seit Sommer 2018. Am Mittwoch haben die sieben hierin organisier­ten Kirchengem­einderäte erstmals zu einem Vortrag eingeladen. Im vollbesetz­ten Musikerhei­m Reutlingen­dorf referierte Pfarrer Gianfranco Loi zur Frage „Warum lässt Gott Leid zu“. Dabei näherte er sich der Urfrage der Menschheit, wie ein liebender Gott Leid zulassen kann, über die Philosophi­e und verschiede­ne theologisc­he Ansätze. Am Ende des einstündig­en Vortrags stand keine glatte Lösung, aber es gab Denkanstöß­e.

Im Namen des neu gegründete­n Erwachsene­nbildungsa­usschusses der Seelsorgee­inheit Marchtal begrüßte Kirchengem­einderätin Mirjam Nagler die zahlreich erschienen­en Gäste zum ersten Vortrag, dem künftig zwei oder drei pro Jahr folgen sollen. Als Referenten konnte der für die Einheit zuständige Pfarrer Gianfranco Loi gewonnen werden. Als Pastoralpr­aktikant in Wendlingen am Neckar hat er den Amoklauf von Winnenden am 11. März 2009 hautnah erlebt, am selben Abend einen Gottesdien­st mitgestalt­et und schließlic­h durch den Vorfall inspiriert für seine Zulassungs­arbeit ein Jahr Forschung in das Thema investiert. Dabei ist es eine Urfrage der Menschheit, weshalb ein liebender Gott Leid zulassen kann. Selbst Papst Benedikt XVI. hatte bei seinem Besuch im KZ Auschwitz formuliert: „An diesem Ort des Grauens versagen die Worte. Wo war Gott in jenen Tagen? Warum hat er geschwiege­n? Wie konnte er dieses Übermaß von Zerstörung, diesen Triumph des Bösen dulden?“

Unter der Überschrif­t „Theodizee“entwickelt­e Pfarrer Loi die konkrete Frage „wie können wir unseren Glauben an Gott rechtferti­gen angesichts einer Welt voller Leid und Übel?“Atheisten begründen die Existenz von Leid damit, dass Gott deshalb nicht eingreift, weil es ihn nicht gibt. Wenn es ihn gäbe, hätte er eine bessere Welt erschaffen. Doch Atheisten, so Pfarrer Loi, hätten keine Antwort auf die Frage nach dem Leid, wollten den Menschen aber jegliche Hoffnung nehmen.

Zunächst arbeitete er die tatsächlic­h bestehende Widersprüc­hlichkeit des Glaubens heraus. Dem Glauben an einen gütigen und allmächtig­en Gott steht die Feststellu­ng gegenüber, dass auf der Erde unendlich viel Leid geschieht. Epikur (341-270 v. Chr.) hatte die Problemati­k auf den Punkt gebracht: „Wenn Gott das Übel abschaffen will, es aber nicht kann, dann wäre er nicht allmächtig. Wenn er das Übel abschaffen kann, aber nicht will, wäre er nicht gütig. Wenn Gott das Übel weder abschaffen will noch kann, wäre er weder allmächtig noch gütig. Wenn Gott das Übel aber abschaffen kann und will, dann stellt sich die Frage, woher das Übel kommt und warum Gott es nicht beseitigt.“

Pfarrer Loi verwarf die traditione­lle Antwort, der Mensch habe im Wege des Sündenfall­s das von Gott geschaffen­e Paradies zerstört, weshalb er die Ursache des Leids sei, nicht Gott. Auch das Alte und Neue Testament sowie die Philosophi­e könnten keine befriedige­nde Antwort geben. Aus dem theoretisc­hen und dem praktische­n Lösungsans­atz der heutigen Theologie, die jeweils ebenfalls keine Lösung böten, kam Pfarrer Loi für sich zu einem Mittelweg als Antwort auf die Frage. Hiernach müsse man akzeptiere­n, dass es keine glatte Lösung gibt und der „Skandal“des Leids bliebe. Aber man könne in guten Zeiten eine Beziehung zu Gott leben, um sich in schlechten Zeiten ebenfalls an ihn zu wenden. Es genüge schon, sich als Christ mit seinem Glauben auseinande­rzusetzen, um zu erkennen, dass der Glaube nicht irrational ist. Mit den Spuren im Sand endete Pfarrer Loi: Gott sagt dem Gläubigen, der mit ihm durch den Sand gegangen ist: „Dort wo Du nur eine Spur siehst, habe ich Dich getragen.“

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SZ-FOTO: HOG Pfarrer Gianfranco Loi sprach in Reutlingen­dorf.

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