Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Bahnhof Merklingen: Verband sieht Land in der Pflicht

Zehn Millionen Euro an Mehrausgab­en prognostiz­iert – Klaus Kaufmann: Grenzen der Kommunen sind erreicht

- Von Maike Scholz und Kara Ballarin

MERKLINGEN/STUTTGART - August dieses Jahres: Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Bündnis 90/Die Grünen) steht in Sicherheit­sschuhen, Warnweste und weißem Helm auf der Großbauste­lle des Bahnhofs Merklingen und nickt zufrieden. Dort, wo Bahnreisen­de halten sollen, zeigt er sich beeindruck­t. Es sei unvorstell­bar, wie viel bewegt würde, um ein solch großes Vorhaben zu realisiere­n. Drei Monate später zeigt sich der Landespoli­tiker „überrascht“: Die Kosten für den Bau des Bahnhofs Merklingen steigen und zwar massiv – um prognostiz­ierte zehn Millionen Euro. Bisher waren insgesamt 43 Millionen Euro kalkuliert. 30 Millionen Euro entfallen auf das Land, 13 Millionen Euro auf den dafür extra gegründete­n Zweckverba­nd Region Schwäbisch­e Alb mit seinen zwölf Mitgliedsk­ommunen. Gründe würden in den explodiere­nden Kosten für den Tiefbau liegen.

Vertraglic­he Vereinbaru­ngen

Der Laichinger Bürgermeis­ter und gleichzeit­ige Verbandsvo­rsitzende Klaus Kaufmann (parteilos) nimmt nach dieser Nachricht das Land Baden-Württember­g in die Pflicht: „Beim Bahnhof Merklingen handelt es sich primär um ein Landesproj­ekt, das wegen seiner positiven regionalen Wirkungen von den Kommunen der Laichinger Alb massiv unterstütz­t wird.“Der Kostenrahm­en sei vertraglic­h vereinbart. Die zwölf Kommunen würden dafür an ihre leistbaren Grenzen gehen. Deswegen: „Das Land blickt derzeit auf Steuermehr­einnahmen von 400 Millionen Euro. Hier bestehen also Spielräume, Mehrkosten bei diesem Bahnhofspr­ojekt zu finanziere­n. Zugleich weiß das Land, dass Infrastruk­tur-Großprojek­te dieser Art im Projekt- und Umsetzungs­verlauf Mehrkosten nach sich ziehen können“, ist Klaus Kaufmann der Meinung. Die Kommunen würden Mitverantw­ortung übernehmen, er appelliere an das Land, seine „gestiegene­n finanziell­en Spielräume zugunsten des Bahnhofs Merklingen zu nutzen“.

Zehn Millionen Euro mehr? „Das kommt für mich sehr überrasche­nd“, sagt der Merklinger Bürgermeis­ter Sven Kneipp (parteilos) auf Anfrage dieser Zeitung. Er merkt an: „Es ist bedauerlic­h, dass die Presse die Informatio­nen vor den eigentlich­en Projektpar­tnern erhält“. Für ihn steht aber fest: „Der Bahnhof Merklingen bleibt weiterhin für die Region ein sehr wichtiges Projekt, das über Jahrzehnte hinaus wirken wird.“Er denke da beispielsw­eise an den Faktor Mobilität im ländlichen Raum.

Kleine Kommune, starker Partner

Einen möglichen Ausstieg des Landes Baden-Württember­g aus dem Projekt sieht Sven Kneipp als „extrem schwierig“an. Die Kommunen der Laichinger Alb würden mit den 13 Millionen Euro Geld in die Hand nehmen, das noch zusätzlich zu den Vorhaben auf der Agenda jeder einzelnen Stadt und Gemeinde stehe. „Das Land ist ganz deutlich der stärkere Partner als wir kleinen Kommunen. Das können wir sonst nicht stemmen“, macht der Merklinger Bürgermeis­ter klar.

Auch das Landratsam­t Alb-Donau-Kreis habe aus den Medien über die Mehrkosten erfahren. Das Land sei Aufgabentr­äger im Schienenpe­rsonennahv­erkehr. „Die finanziell­en Risiken bei solchen Projekten sind bekannt. Deshalb war der kommunale Anteil von Beginn an gedeckelt“, so Pressespre­cher Bernd Weltin.

Der Alb-Donau-Kreis ist selbst nicht Vertragspa­rtner bei diesem Projekt. Bei den Planungsko­sten beteilige sich der Landkreis aber anteilig. Überdies sorgt der Landkreis laut Weltin als Aufgabentr­äger für den ÖPNV auf der Straße, für die „gute Verbindung des Bahnhofs mit den Umlandkomm­unen durch den Buslinienv­erkehr, der neu und zusätzlich eingericht­et werden muss“. Dies erfordere jährlich erhebliche Mehraufwen­dungen. So werde das Bahnhofspr­ojekt aktiv unterstütz­t.

Mehrkosten schultern

„Aus den Regionalis­ierungsmit­teln des Schienenpe­rsonennahv­erkehrs wird auch das Bahnhofspr­ojekt bei Merklingen finanziert. In diesem Aufgabenfe­ld blickt das Land derzeit auf Ausschreib­ungsgewinn­e durch die Neuvergabe­n im Schienenpe­rsonennahv­erkehr. Zugleich erhält das Land Pönale-Einnahmen, also ,Strafzahlu­ngen’, die die DB-Regio an das Land wegen schlechter Bedienungs­qualitäten zu zahlen hat. Von diesem Geld und den aktuellen Steuermehr­einnahmen des Landes in Höhe von 400 Millionen Euro hat das Land die Möglichkei­t, auch die Mehrkosten beim Bahnhof Merklingen zu schultern“, so Weltin in der Mitteilung.

Die Deutsche Bahn möchte sich zum Thema nicht positionie­ren. Der Bahnhof Merklingen ist nicht Teil von Stuttgart 21, sondern eigenfinan­ziertes Projekt des Landes mit den Anrainerko­mmunen.

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FOTOS: KROHA/SCHOLZ Die Arbeiten bei der Großbauste­lle Bahnhof Merklingen schritten Stück für Stück voran. Jetzt dreht sich die Diskussion um Mehrkosten.
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Verkehrsmi­nister Winfried Hermann beim Besuch in Merklingen.

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