Konferenz schließt Lücken zwischen Verbänden und Staat
Innenminister Seehofer sucht Lösungen für die Ausbildung und die Tätigkeit einheimischer Imame
„Als muslimische Feministin kann ein deutscher Islam nur ein geschlechtergerechter Islam sein, der an die universellen Menschenrechte und humanistischen Errungenschaften anknüpft. Islamisch-theologische Anknüpfungspunkte gäbe es aller Skepsis zum Trotz genug. Diese Form wird allerdings von reaktionären Muslimen abgelehnt. Es wird zu heftigen Auseinandersetzungen führen. Ich hoffe daher sehr, dass dieses Streiten und Austauschen fruchtbar im Sinne und zugunsten der Demokratie und Freiheit ausfällt.“
Cem Özdemir, Bundestagsabgeordneter der Grünen:
„Ich begrüße das Grundanliegen der deutschen Islamkonferenz. Vor allem finde ich es richtig, dass wieder Vertreter dabei sind, die von den konservativen islamischen Verbänden unabhängig sind. Die Verbände sind leider noch weit davon entfernt, die Voraussetzungen einer Religionsgemeinschaft nach dem deutschen Religionsverfassungsrecht zu erfüllen. Sie dürfen nicht länger Handlanger eines ausländischen Staates sein und müssen auf dem Boden unserer Verfassung zu einer Vertretung von Muslimen in Deutschland werden. Frauenfeindlichkeit, Militarismus und religiöser Fundamentalismus haben dabei keinen Platz. Das Grundgesetz schützt die freie Religionsausübung, nicht aber den Nationalismus eines ausländischen Präsidenten. Dies deutlich zu machen und zu befördern, muss das Ziel der DIK sein. Persönlich wünsche ich mir einen deutschen Islam, der der Gesellschaft zugewandt ist und in Debatten wie über Ökologie oder Medizinethik eine eigene Position einbringt.“
Mouhanad Khorchide, Professor für Islamwissenschaft im Zentrum für Islamische Theologie der Universität Münster:
„Ich erwarte von der Islamkonferenz, dass sie sich zu einer Plattform entwickelt, die erstens die verschiedenen innerislamischen Positionen sichtbar macht. Bislang wurde nur dem überwiegend konservativen Islam viel Raum gegeben, was zu einer verzerrten und einseitigen Wahrnehmung des Islams geführt hat. Zweitens sollen in dieser Plattform auch die kritischen Fragen gestellt und diskutiert werden, und zwar, um klare und praktische Handlungsempfehlungen zu liefern. Dazu gehören Fragen nach der Rolle der Moscheegemeinden in einer modernen Gesellschaft, der Gestaltung des isla- BERLIN (epd) - Die Deutsche Islamkonferenz wurde 2006 vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) als Dialogforum zwischen Staat und Muslimen ins Leben gerufen. Bis dahin gab es keine Verträge zwischen der muslimischen Gemeinschaft und dem Staat, die das Recht auf Religionsunterricht an Schulen, die Arbeit eigener Wohlfahrtsverbände und den Einzug von Steuern für die Finanzierung von Gemeindearbeit regeln. Inzwischen gibt es Vereinbarungen mit den Bundesländern oder für Themenbereiche wie den Religionsunterricht an Schulen. mischen Religionsunterrichts, dem zeitgemäßen Umgang mit heiligen Texten und vieles mehr.
Hussein Hamdan, Religionswissenschaftler, Islamberater bei der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart:
„Thematisch brauchen wir eine Diskussion über die Etablierung eines deutschsprachigen Islam in Deutschland sowie den Aufbau von hauptamtlichen Strukturen innerhalb der Verbände und Größtenteils sind die Islamverbände aber nicht als Körperschaften öffentlichen Rechts anerkannt.
Auch aufgrund der dadurch fehlenden finanziellen Grundlage beten in deutschen Moscheen oftmals Imame aus dem Ausland vor, vor allem aus der Türkei. Der Politik ist das zunehmend ein Dorn im Auge. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will in dieser Wahlperiode mit der vierten Auflage der Islamkonferenz insbesondere bei diesem Thema vorankommen. Die Islamkonferenz hat besonders im Bereich des Religionsunterrichts und der Ausbildung islamischer Moscheegemeinden. Auch über die Bekämpfung des antimuslimischen Rassismus sowie den muslimischen Antisemitismus sollte diskutiert werden. Es braucht insgesamt ein Gleichgewicht zwischen den Themenbereichen Dialog, Integration und Prävention. Neben Repräsentanten der Verbände sollten auch kritisch-reflektierte Muslime beteiligt werden, aber es können nicht „Islamkritiker“für die Muslime sprechen. Ich erwarte mir von der Islamkonferenz endlich Zielsetzungen, die durch Maßnahmen nachhaltig verfolgt werden. Ansonsten sollte man darüber nachdenken, ob die dafür verwendeten Steuergelder nicht besser in Jugendprojekte investiert werden können.“ Theologen an deutschen Universitäten wichtige Grundlagen gelegt. Dass sie als Imame an deutschen Moscheen arbeiten, ist aber noch immer nicht selbstverständlich, weil unter anderem der praktische Teil der Ausbildung fehlt. Auch hierfür sucht Seehofer nach Lösungen.
Die Anerkennung der muslimischen Religionsgemeinschaften scheitert vor allem an ihrer unklaren Mitgliederstruktur. Anders als etwa die Kirchen führen Moschee-Gemeinden keine Mitgliederregister. Die Zahl der Muslime in Deutschland kann daher nur geschätzt werden. Laut einer aus dem Jahr 2016 stammenden Hochrechnung des Forschungszentrums im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge liegt die Zahl der Muslime in Deutschland zwischen 4,4 und 4,7 Millionen.
Nur eine Minderheit von ihnen wird von Verbänden wie Ditib oder dem Zentralrat der Muslime vertreten. Zur Islamkonferenz in dieser Wahlperiode sollen daher auch mehr als in der Vergangenheit Einzelpersonen und Vertreter muslimischer Initiativen eingeladen werden, um die ganze Bandbreite des muslimischen Lebens in Deutschland abzubilden.