„Es gibt keine ,Merkel-CDU‘“
CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer über die Kandidatur für den Parteivorsitz
BERLIN - CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer setzt im Wettbewerb um den Parteivorsitz auf Themen wie Wohnungsnot, Digitalisierung und das Stadt-Land-Gefälle. Das sagte die Kandidatin im Gespräch mit Andreas Herholz. Aber auch das Thema Migration spiele eine Rolle – so sollen straffällig gewordene Syrer abgeschoben werden, sofern die Lage es zulasse.
Frau Kramp-Karrenbauer, in den Umfragen zum CDU-Kandidatenwettbewerb liegen Sie bei den CDU-Anhängern deutlich vorn. Sind Sie schon auf der Zielgeraden?
Natürlich freuen mich diese Zahlen. Aber es zählt der Bundesparteitag. Das Rennen ist offen. Jeder von uns hat ein anderes Angebot an die Mitglieder.
Jetzt ist viel von Erneuerung die Rede. Braucht die „Merkel-CDU“jetzt einen Kurswechsel?
Es gibt keine „Merkel-CDU“, sondern nur eine Partei mit mehr als 400 000 Mitgliedern. Ich halte nichts von einem allgemeinen Kurswechsel. Die CDU war in ihrer Vergangenheit immer dann am stärksten, wenn sie ihre unterschiedlichen Wurzeln und Ausprägungen – konservativ, liberal und christlich-sozial – gezeigt und zu einem gemeinsamen Programm zusammengebunden hat. Als ich in den 1980er-Jahren eingetreten bin, konnte man das am Programm und an den Köpfen sehen. Das war eine sehr starke Phase damals. Das muss auch heute wieder unser Ziel sein und den von mir begonnenen Prozess für das neue Grundsatzprogramm sollten wir dafür unbedingt nutzen.
CDU-Vizechef Armin Laschet hat davor gewarnt, beim Kandidatenwettbewerb vor allem das Migrationsthema in den Mittelpunkt zu stellen.
Die Zuhör-Tour und die Regionalkonferenzen haben gezeigt, dass es jede Menge anderer Themen gibt: Wohnungsnot, Digitalisierung oder das Stadt-Land-Gefälle. Aber natürlich ist auch das Thema Migration für unsere Mitglieder wichtig. Für das kommende Frühjahr habe ich ein Werkstattgespräch vorgeschlagen. Dann reden wir noch einmal darüber, was 2015 nach der Grenzöffnung in der Flüchtlingskrise war und vor allem wie wir in Zukunft bei dem Thema weiter vorankommen können.
Ihr Mitbewerber Friedrich Merz hat eine Debatte über das Asylrecht angestoßen und hält im Zuge einer europäischen Lösung einen Gesetzesvorbehalt von Artikel 16a, der das Asylrecht regelt, für notwendig…
Das Beispiel zeigt, wie sensibel das Thema ist. Bei allem, was wir zur Be- wältigung und Begrenzung der Migration vorschlagen, muss man immer sehr darauf achten, dass das, was man vorschlägt, hinterher auch Wirkung entfaltet. Sonst produziert man Enttäuschung. Wir haben in diesem Jahr bisher rund 2400 anerkannte Asylbewerber, die über die Grundgesetzregelung zum Asyl Schutz vor politischer Verfolgung erhalten haben. 61 000 fallen unter die Regeln der Genfer Flüchtlingskonvention und anderer Regelungen. Das heißt, der Großteil der Menschen ist überhaupt nicht betroffen. Deswegen müssen wir an anderer Stelle Maßnahmen ergreifen. Wir müssen Schengen vollenden mit der Sicherung der EU-Außengrenzen und der konsequenten Rückführung derer, die kein Bleiberecht haben.
Sie fordern straffällig gewordene Flüchtlinge ohne Bleiberecht auch nach Syrien abzuschieben – trotz der Sicherheitslage in den Kriegsgebieten.
Wenn es die Lage in Syrien hergibt, muss man Straftäter wieder dorthin zurückführen. Der Lagebericht des Auswärtigen Amtes in Syrien hat ergeben, dass dies im Moment nicht möglich ist. Aber die Lage ändert sich ständig. Das heißt also nicht, dass man mit künftigen Veränderungen die Rückführungen nicht vornimmt.
Gesundheitsminister Jens Spahn will eine Leitkultur-Debatte führen. Spricht etwas dagegen?
Über den Begriff Leitkultur regt sich niemand mehr auf. Wenn jemand zu uns kommt, muss er unsere Regeln einhalten. Das ist selbstverständlich und wird auch von denjenigen anerkannt, die die Debatte damals kritisch verfolgt haben. Wir müssen uns dieser Aufgabe nun wirklich stellen und sie umsetzen. Ein Beispiel: Wenn jemand in den Aufnahmeeinrichtungen sagt, er nimmt das Essen einer Frau nicht an, dann sollte er kein Essen bekommen. Unsere Regeln besagen, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Wir erwarten, dass das jeder akzeptiert, der zu uns kommt.
Wie würde das 100-Tage-Programm von Ihnen als CDU-Chefin aussehen?
Mein 100-Tage-Programm würde direkt nach dem Bundesparteitag beginnen: Das Werkstattgespräch über den verlässlichen Staat und innere Sicherheit und Migration, darauf aufbauend die Ausarbeitung des Europawahlprogramms und im Rahmen des Grundsatzprogramms Vorschläge für Dynamik in Wirtschaft und Gesellschaft. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Die Mitglieder sollen sich sofort beteiligen können. Es müssen konsequent die Parteiarbeit und Kommunikation verbessert werden. Mit meinem Wechsel vom Ministerpräsidentenamt in das Parteiamt der Generalsekretärin zu Jahresbeginn haben wir mit der Zuhör-Tour und anderem die Parteiarbeit bereits verändert. Jetzt ist es Zeit für den nächsten Schritt.
Kanzlerin Kramp-Karrenbauer, wie klingt das für Sie?
Ich würde mich zunächst freuen, wenn es nach dem 7. Dezember „Parteivorsitzende Kramp-Karrenbauer“heißen würde. Natürlich muss eine CDU-Vorsitzende innerlich dazu bereit sein, für die Kanzlerschaft zu kandidieren. Wir haben aber eine Kanzlerin Angela Merkel und ich möchte, dass das auch so bleibt. Auch die Menschen haben die Erwartung, dass sie das, wofür sie und die CDU gewählt worden sind, nämlich zu regieren, auch wirklich fortsetzt. Außerdem: Wer in Deutschland Kanzlerin oder Kanzler wird, das bestimmen immer noch die Wählerinnen und Wähler.
Wenn Sie nicht zur CDU-Chefin gewählt werden, wollen Sie kein Parteiamt mehr übernehmen, nicht mehr hauptamtlich für die CDU tätig sein. Würden Sie in die Regierung gehen?
Wenn ich nicht gewählt werde, werde ich nicht mehr als Generalsekretärin weitermachen. Das ist ein Gebot der Fairness. Der Parteivorsitzende muss die Freiheit haben, sein Team neu aufzustellen. Das bedeutet für mich nicht, dass ich der Partei den Rücken kehren würde. Wo immer die Partei mich um Mithilfe bittet, kann sie das tun. Ich werde mich nicht verweigern.