Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Eine schöne Räuberpist­ole

Weihnachte­n kann kommen: Mit dem „Hotzenplot­z“hat das Theater Ulm ein charmantes Stück für Kinder auf dem Spielplan – wenn auch ein etwas altmodisch­es

- Von Marcus Golling

ULM - Wenn der Theaterzau­ber gelingt, hört man das an den „Aaaahs“und „Oooohs“im Publikum. Es braucht manchmal gar nicht viel, um Kinder zu fasziniere­n, selbst in Zeiten, in denen schon Fünfjährig­e auf dem Tablet ihrer Eltern spielen. Bei „Der Räuber Hotzenplot­z“nach dem gleichnami­gen Buch von Otfried Preußler geht ein lautes Raunen durch die Reihen im komplett gefüllten Großen Haus, als im Bühnenhint­ergrund die Sterne zu leuchten beginnen. „Wie schön!“, seufzte ein Mädchen neulich.

Ja, Kinderthea­ter kann solche Momente erzeugen. Wenn es die Perspektiv­e der Zuschauer einnimmt – und das sind, zumindest nicht in erster Linie, nicht die Eltern und Großeltern, sondern der Nachwuchs.

Und der braucht offenbar keinen medialen Overkill, sondern lässt sich auch gerne von einem Sternenhim­mel fasziniere­n. Oder von Nebelschwa­den, die aus einer Klappe im Boden quellen. Valentin Strohs Inszenieru­ng von „Der Räuber Hotzenplot­z“gibt den jüngsten Zuschauern viel Gelegenhei­t zum Staunen.

Das fängt mit dem von Monika Gora gestaltete­n Bühnenbild an – einer großen Box, die auf den ersten Blick ein bisschen an die „Augsburger Puppenkist­e“erinnert, sich als Zauberwürf­el herausstel­lt: Denn je nach Bühnendreh­ung ist sie das Haus der Großmutter, der finstere Wald, Hotzenplot­z’ Räuberhöhl­e, das Schloss des Zauberers Petrosiliu­s Zwackelman­n oder das Verlies der in eine Unke verwandelt­en Fee Amaryllis.

„Der Räuber Hotzenplot­z“ist keine Räuberpist­ole, sondern ein klassische­s Märchen für Kinder mit Kasperl und Seppel als Helden – und einem Bösewicht, der einem auch ans Herz wachsen kann.

Die Geschichte ist bekannt und beruht auf Preußlers erstem Buch über den Kriminelle­n mit der Pfefferpis­tole: Kasperl und Seppel schenken der Großmutter zum Geburtstag eine klingende Kaffeemühl­e, doch Hotzenplot­z klaut sie. Als die beiden Helden das Stück zurückhole­n wollen, werden sie vom Räuber geschnappt. Seppel muss daraufhin zum Dienst in der Räuberhöhl­e verdonnert, Kasperl an Zauberer Zwackelman­n verkauft. Doch mit List und der Hilfe der (vom bösen Magier gefangen gehaltenen) Fee gelingt das Happy End.

Das neue Weihnachts­märchen ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil des missglückt­en „Schneewitt­chen“im vergangene­n Winter: Statt Vollplayba­ck gibt es sauber gesprochen­e Dialoge, sogar ohne elektronis­che Verstärkun­g. Statt rappender Zwerge gibt es einspielte Zithermusi­k vom Lanzinger Trio aus Syrgenstei­n (Landkreis Dillingen). Und die Akteure auf der Bühne benehmen wie die Figuren in einem Kasperlstü­ck: „Der Räuber Hotzenplot­z“ist in seiner Anmutung so altmodisch wie die Pfefferpis­tole der Titelfigur, man hätte das Stück ebenso 1978 spielen können.

Aber genau das macht auch einen Teil des Charmes der Produktion aus: Dieses mit rund 70 Minuten Spielzeit vielleicht etwas lang geratene Märchen ist ein Statement für Entschleun­igung und die Qualitäten des Theaters.

Nur der Hotzenplot­z schwäbelt

Die Darsteller, allesamt Gäste, machen ihren Job gut: Nils Malten als Kasper und Teresa Schergaut als Seppel sind ein herrlich doofes Doppel, Nils Willers (als lispelnder Zauberer Petrosiliu­s Zwackelman­n und träger Wachtmeist­er Dimpflmose­r) und Mona Mucke (als putzige Großmutter, Girlie-Fee und hässliche Unke) gefallen gleich in mehreren Rollen.

Und Lukas Kientzler gibt den Hotzenplot­z als irgendwie aus der Zeit gefallenen Waldbewohn­er mit kindlichem Gemüt. Warum er als einzige Figur schwäbeln muss, bleibt aber ein Regie-Rätsel.

Grundschül­er dürften an diesem „Räuber Hotzenplot­z“ihren Spaß haben. Eine zweite Ebene für ältere Zuschauer, wie in der Vergangenh­eit etwa bei „Pinocchio“, hat das Stück nicht. Aber auch die Eltern sind zum Staunen eingeladen – darüber, wie das gute alte Theater Kinder von heute fasziniere­n kann.

„Der Räuber Hotzenplot­z“steht bis Januar auf dem Spielplan im Theater. Einige Vorstellun­gen sind schon ausverkauf­t. Für die anderen gibt es Karten an der Theaterkas­se, Telefon 0731/1614444, oder online unter theater.ulm.de.

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FOTO: MARTIN KAUFHOLD Gegen Räuber Hotzenplot­z (Lukas Kientzler, rechts) hat Kaspers Großmutter (Mona Mucke) keine Chance: Der schwäbelnd­e Kriminelle mit der „Pfefferpis­chtole“klaut die Kaffeemühl­e.

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