AfD provoziert Polizeieinsatz im Stuttgarter Landtag
Der Einzug der AfD ändert laut einer Studie die Form der Debatten im Landtag
STUTTGART (tja) - Weil er sich weigerte, nach einem Verweis den Plenarsaal zu verlassen, hat der AfDLandtagsabgeordnete Stefan Räpple einen Polizeieinsatz ausgelöst. Er hatte die Sitzung am Mittwoch mehrfach durch Zwischenrufe unterbrochen. Er beruhigte sich trotz mehrfacher Ermahnungen der Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) nicht. Als diese Räpple des Saales verwies, blieb er sitzen. Erst als Polizisten und andere Abgeordnete ihm zuredeten, verließ er den Raum.
Während die AfD-Landtagsfraktion sich hinter Räpple stellte, will ihn die Landespartei ausschließen. Er habe sich mehrfach parteischädigend verhalten und gegen Grundsätze der AfD verstoßen.
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STUTTGART - Hämisches Lachen und Beleidigungen: Derartige Reaktionen bei Sitzungen des Landtags haben mit Einzug der AfD einer Studie der Universität Hohenheim zufolge zugenommen. Die AfD nutze abfälliges Lachen mit Abstand am häufigsten und kritisiere die anderen Parteien stärker als diese sich gegenseitig, so die Studie.
Während die AfD das als lebhafte Diskussion ansieht, empören sich die anderen Fraktionen. „Natürlich hat es schon immer Zwischenrufe im Parlament gegeben“, sagt GrünenAbgeordneter Uli Sckerl, „aber noch nie in dieser Häufigkeit und noch nie in dieser penetrant lauten, unsachlichen und hämischen Art, wie wir sie bei der AfD erleben.“Reinhold Gall (SPD), bezieht sich bei seiner Kritik auf den Ausschluss von Stefan Räpple am Mittwochmorgen aus dem Landtag (siehe weiterer Text): „Das zeigt das Erreichen einer weiteren Eskalationsstufe des Missverhaltens von AfD-Parlamentariern im badenwürttembergischen Landtag.“
Das Forschungsteam analysierte, wie bestimmte Reaktionen wie Zwischenrufe oder Beifall eingesetzt werden. Diese vermerken die Stenografen in Sitzungsprotokollen ebenso wie die Reden. „Diese Reaktionen sind rhetorische Mittel, die die AfD nutzt, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen“, sagt Olaf Kramer, Rhetorikprofessor an der Universität Tübingen. Parallel zur Studie der Uni Hohenheim analysierte er das Verhalten der AfD im Bundestag. Vor allem für die Medien inszeniere die AfD gerne starke Bilder und emotionalisiere die Debatten.
Zwischenrufe als gezieltes Mittel
Dem kann auch Uli Sckerl (Grüne) zustimmen: „Das Gros der AfD-Abgeordneten selbst polemisiert und provoziert in den Debattenbeiträgen.“Im Mittelpunkt stünden Hetze und das Schüren von Verunsicherung und Angst. Forscher aus Hohenheim schlussfolgern wie Olaf Kramer, dass die AfD Zwischenrufe gezielt nutzt, um Redner anderer Fraktionen aus dem Konzept zu bringen. Anton Baron, parlamentarischer Geschäftsführer der AfD im Landtag, kontert: „Das ,hämische und abfällige Lachen‘ ist sicherlich keine Fraktionstaktik. Allerdings kann es sich um eine spontane Reaktion handeln, wenn die politische Konkurrenz einmal mehr eine in unseren Augen realitätsferne Stellungnahme abgibt.“
Olaf Kramer zufolge führe das Verhalten der AfD dazu, dass auch die anderen Fraktionen vermehrt dazwischenrufen. Diese These deckt sich mit den Ergebnissen der Studie aus Hohenheim: In der aktuellen Legislaturperiode sei es zu allgemein mehr kritischen Zwischenrufen gekommen als in der vergangenen. Beide Forschungsteams schlussfolgern: Durch den Einzug der AfD in den Landtag werde der Ton rauer. Hitzige Debatten zwischen Politikern sind laut Olaf Kramer keine Erfindung der AfD – vor allem in den 1970er-Jahren zu Zeiten des ehemaligen CDU-Politikers Franz Josef Strauß habe es durchaus kritische Auseinandersetzungen gegeben. „Im Vergleich zu damals sind unsere politischen Debatten langweilig und zurückhaltend geworden. Problematisch wird eine lebendige Diskussion aber dann, wenn die Logik verletzt wird“, sagt Kramer. Die AfD bringe das auf eine ganz neue Ebene, auf der Argumente weniger bedeuteten als Emotionen.
Das sehen die Abgeordneten der AfD anders. Die anderen Fraktionen stellten sie an den Pranger, sagt Anton Baron, der laut Studie selbst gerne „stört“: In 68 Protokollen sind mehr als 2700 Zwischenrufe von Anton Baron verzeichnet – so viel wie von keinem anderen Abgeordneten. Auf Baron folgen Reinhold Gall (SPD) mit 1210 und Andreas Stoch (SPD) mit 1140 Zwischenrufen. KarlWilhelm Röhm von der CDU war in der vergangenen Legislaturperiode
STUTTGART - Der AfD-Abgeordnete Stefan Räpple hat einmal mehr einen Eklat im Landtag ausgelöst. Als ihn die Landtagspräsidentin Muhterem Aras des Saales verwies, weigert sich Räpple. Erst als Polizisten mehre Minuten mit ihm sprachen, verließ er das Plenum. Seine Landespartei will ihn nun ausschließen.
Vorausgegangen war ein Zwischenruf Räpples an die Adresse der SPD: „So sind sie, die roten Terroristen!“Dafür kassierte er einen Ordnungsruf der Präsidentin. Diese hatte seit 2016 bis zum Mittwoch sieben solcher Mahnungen ausgesprochen, sechs davon an Mitglieder der AfD, einen an den Grünen Jürgen Walter.
Räpple beruhigte sich im weiteren Verlauf der Debatte nicht. Mehrfach mahnte ihn Aras zur Ruhe. Schließlich zog FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke in seiner Rede Parallelen zwischen Räpple und der Gesinnung der Nationalsozialisten: „Die geistigen Vorläufer von Leuten wie Herrn Räpple sind im Stechschritt durch das Brandenburger Tor marschiert.“
Räpple rief mehrfach, das sei eine persönliche Beleidigung. Aras gestand ihm zu, später dazu noch einmal ans Mikrofon zu treten. Doch Räpple störte weiter, woraufhin Aras ihn nach weiteren Mahnungen von der Sitzung ausschloss. Räpple weigerte mit rund 5450 Zwischenrufen in 150 Plenarsitzungen Spitzenreiter gewesen. „Ich war selber über den immensen Vorsprung überrascht. Vielleicht liegt es an meiner ingenieurwissenschaftlichen Ausbildung, dass mir bei vielen Debattenbeiträgen die verifizierbaren Fakten fehlen“, rechtfertigt sich Baron.
Kaum Applaus, aber zahlreiche kritische Zwischenrufe für die AfD: Ein so stark abgrenzendes Verhalten hat es laut Studie in der vorherigen Legislaturperiode, als die AfD noch nicht im Landtag saß, gegenüber keiner Fraktion gegeben. „Die anderen Parteien bilden quasi eine Allianz gegenüber der AfD“, sagt Catharina Vögele von der Universität Hohenheim. Das, so schlussfolgert sie, führt zu einer Isolation der AfD. „Das hätte die AfD im Landtag sicher gerne, kultiviert sie doch ihren Opfermythos“, entgegnet Hans-Ulrich Rülke (FDP). „Es gibt im Landtag keine Front gegenüber der AfD, jedoch eine ganz klare Grenze aus Anstand und demokratischer Auffassung.“Und über diese Grenzen, so stimmt Rülke den Ergebnissen der Studie zu, begebe sich die AfD-Fraktion auf der Suche nach Provokation gerne.