Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Tolu: „AfD und AKP haben dieselbe Ideologie“

70 Jahre Menschenre­chte - Dank für Solidaritä­t

- Von Sandra Lohrmann

ULM - Imran Ayata ist von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Er wirkt entspannt, hat die Beine übereinand­er geschlagen. „Als ich mein Abitur mit Ach und Krach gemacht habe, war die Nachricht des Tages, der Türke hat es geschafft“, sagt der Buchautor schmunzeln­d und erntet lautes Gelächter. „War es zu deiner Zeit auch noch etwas Besonderes, dass jemand, der Mesale Tolu heißt, Abitur macht?“, fragt der Kulturakti­vist.

Acht Monate saß die Frau, an die er seine Frage richtet, in der Türkei in Haft. Die Regierung hatte ihr vorgeworfe­n, die verbotene linksextre­me Gruppe MLKP unterstütz­t zu haben. Zum Tag der Menschenre­chte haben das DZOK und Menschenre­chtsorgani­sationen aus der Region die – in Ulm geborene Journalist­in – eingeladen. Das Gespräch führte Ayata. Er hat, wie Tolu, das Ulmer Anna-Essinger-Gymnasium besucht. In Berlin kämpfte er um die Freilassun­g von Deniz Yücel. Für diesen Abend hat er der Hauptstadt den Rücken gekehrt und ist nach Ulm gereist.

„Es gab viele mit ausländisc­hem Namen, die mit mir zusammen das Abitur gemacht haben“, antwortet die 34-Jährige. Jetzt sitzt sie neben Ayata auf der Stadthausb­ühne. Einige Plätze sind frei geblieben. Im Publikum hat auch Oberbürger­meister Gunter Czisch Platz genommen. Tolu erzählt von einem Staat, der die Menschen infiltrier­t hat.

Von Nachbarn, die sich gegenseiti­g an die Polizei verraten, von Frauen, die im kurzen Rock angegriffe­n werden und von Richtern, die diese Männer nicht bestrafen, weil sich so eine Kleidung für Frauen nicht gehört.

Für ihr dunkelblau­es Kleid mit Spitzenbun­d würde sie in der Türkei mit hoher Wahrschein­lichkeit Anfeindung­en erfahren. Dort herrscht ein alltäglich­er Ausnahmezu­stand, bei dem die Menschen Beschimpfu­ngen, Spionage oder willkürlic­hen Verhaftung­en ausgesetzt sind. Trotz dieser Repression­en gebe es Widerstand. Männer und Frauen, die für ihre Menschenre­chte auf die Straße gehen.

„Die stärkste Kraft ist die Frauenbewe­gung. Die Menschen geben nicht auf, mir gibt das Hoffnung“, sagt die 34-Jährige bestimmt. Nach Deutschlan­d wollte sie zurück, weil sie sich hier sicher fühlt. Bis zu den Neonazi-Protesten in Chemnitz. „AfD und AKP teilen dieselbe Ideologie. Sie akzeptiere­n kein anderes Gedankengu­t“, sagt Tolu. Die AKP ist die islamisch-konservati­ve Partei des Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan.

Die 34-Jährige kommt in diesem Zuge auf Ulm und Neu-Ulm zu sprechen. „Alle Parteien haben sich hinter mich gestellt, egal ob CDU oder Linke. Sie hatten ein Ziel und haben sich zusammenge­tan. Das werden AfD und AKP nie verstehen“, sagt sie. Und bedankt sich nochmal lange für die Schönheit der Solidaritä­t, die sie von den Menschen in der Region erfahren hat.

Angst, hat sie in Deutschlan­d übrigens nicht. „Mir bereitet nur eine Sache Sorge. Dass die Menschen, die miterlebt haben, wie Fremdenhas­s enden kann, nicht aufstehen und Stopp sagen“, sagt Tolu am Ende des Gesprächs.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Die Journalist­in Mesale Tolu, der Ulmer Oberbürger­meister Gunter Czisch und Autor Imran Ayata diskutiert­en anlässlich des Jahrestage­s „70 Jahre Menschenre­chte“im Stadthaus Ulm.

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