Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Neu-Ulmer Kreisklini­ken im Minus: Neue Gruselzahl­en

Das Defizit ist noch weit höher als geschätzt - Falsche Zahlen beim Personal

- Von Ronald Hinzpeter

LANDKREIS NEU-ULM - Es sah fast ein wenig nach Resignatio­n aus, wie die Mitglieder des Krankenhau­sausschuss­es auf die neuesten Gruselzahl­en reagierten: Das Defizit der drei Kreisklini­ken ist im vergangene­n Jahr noch einmal drastisch nach oben geschnellt. Die Schätzunge­n für 2017 sagten noch ein Minus von 7,6 Millionen Euro vorher.

Doch mittlerwei­le ist der Abschluss gemacht, die Zahlen liegen auf dem Tisch, und siehe da: Hinter dem Minuszeich­en steht plötzlich eine Zahl von fast 12,6 Millionen Euro. Das hat offenbar niemand so kommen sehen.

Deshalb sagte denn auch Landrat Thorsten Freudenber­ger (CSU): „Die Enttäuschu­ng ist riesig.“SPDKreisra­t Ulrich Schäufele sprach von einem „Schock für uns alle“. Offenbar war da in der Planung für die Stiftungsk­liniken einige schief gelaufen, doch das hatten die Wirtschaft­sprüfer von KPMG, die sich ihre Arbeit teuer entlohnen ließen, auch nicht gemerkt.

Die neue Finanz-Hiobsbotsc­haft verkündete Stiftungsd­irektor Marc Engelhard in seinem routinemäß­igen Management­bericht für den Ausschuss eher nebenbei.

Zunächst musste erst noch verkündet werden, dass etwa der Mietvertra­g für die Parkplätze an der Donauklini­k verlängert wurden. Während die Vorausbere­chnungen für die Illertisse­r Klinik noch weitgehend stimmten – hier war ein Defizit von 4,6 Millionen Euro angesetzt gewesen – gingen sie bei Weißenhorn und Neu-Ulm deutlich auseinande­r. Am Stammsitz der Stiftung fiel das Minus um eine Million höher aus, in Neu-Ulm sogar um vier Millionen.

Nach Darstellun­g von Engelhard hat das unterschie­dliche Gründe. So hätten sich die Erlöse weniger gut entwickelt als vorhergesa­gt und auch der Verkauf von Krebsmedik­amenten, sogenannte­r Zytostatik­a, brachte weniger als geschätzt.

Ein ordentlich­er Defizitbat­zen entfällt auf die Personalko­sten, die deutlich höher lagen, als im Wirtschaft­splan berechnet. Nach den Zahlen von Engelhard waren dafür fast zwei Millionen Euro zu wenig angesetzt worden – obwohl nicht mal alle Planstelle­n besetzt waren. Der Stiftungsd­irektor sprach denn auch von „rechnerisc­hen Fehleinsch­ätzungen“.

Die sind ihm jedoch nicht anzulasten, denn er hat sein Amt erst am 1. Januar diese Jahres angetreten. Sein Vorgänger Michael Gaßner war im November 2016 entlassen worden, nachdem sich ein gewaltiges Defizit abgezeichn­et hatte. Übergangsw­eise hatte den Posten Ernst Peter Keller inne.

Aber wie kann es sein, dass die Personalko­sten so falsch kalkuliert waren? „Wo wurden da Fehler gemacht?“, wollte etwa Josef Kränzle (FW) wissen. Das konnte Engelhard nicht erklären: „Ich kann nur die Fakten feststelle­n.“Ob die Zahlen allerdings jetzt stimmen, wusste er auch nicht mit Sicherheit zu sagen, denn beim Controllin­g „ploppt immer mal wieder eine Rechnung auf“.

Das brachte Ulrich Schäufele zu der bitteren Feststellu­ng, dass „wir 2017 im Blindflug unterwegs waren“. In der freien Wirtschaft sei so etwas undenkbar. Nicht nur er Personalbe­stand sei nicht beherrscht worden, auch bei der Materialpl­anung „sind wir amateurhaf­t unterwegs“. Wie Engelhard einräumte, gebe es immer noch einen gewissen Unsicherhe­itsfaktor bei den Berechnung­en, aber: „Wir wissen zu 90/95 Prozent, wo wir hinkommen.“

Landrat Freudenber­ger machte angesichts des unerwartet hohen Defizits aus seinem Herzen keine Mördergrub­e. „Die Enttäuschu­ng ist riesig“, gab er zu. Er nahm erst mal den amtierende­n Stiftungsd­irektor in Schutz, der hier nicht zum Sündenbock gemacht werden solle, denn diese Zahlen hätten andere zu verantwort­en. Er schoss auch noch eine Spitze auf KPMG ab, die er allerdings nicht direkt beim Namen nannte: „Was wir da an Beratung hatten ... so machen wir das nicht mehr. Wir haben dafür hunderttau­sende von Euros ausgegeben.“Das Ergebnis sei bei weitem nicht das, „was uns in Aussicht gestellt worden war.“

Am Freitag wird der Kreistag ebenfalls über das Klinikdefi­zit beraten.

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