Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wenn das Tanken zur Zitterpart­ie wird

Test in der Ehinger Region zeigt: Mal kurz das E-Auto an einer Stromtanks­telle aufzuladen, ist gar nicht so einfach

- Von Dominik Prandl

EHINGEN - Benzin oder Diesel zu tanken ist ziemlich einfach, vorausgese­tzt man weiß, welchen Kraftstoff das eigene Auto verträgt. Denn die Zapfsäulen an verschiede­nen Tankstelle­n unterschei­den sich nicht sonderlich, egal an welchem Ort man tankt. Als Fahrer eines Elektroaut­os würde man sich das auch wünschen. Ein Test in der Ehinger Region zeigt nämlich: Strom an unterschie­dlichen Ladesäulen zu tanken ist eine vertrackte Angelegenh­eit: Jedes Mal gilt es aufs Neue herauszufi­nden, ob und wie das Tanken funktionie­rt. Jeder Tankversuc­h wird so zu einem Zitterspie­l.

Knapp 300 Kilometer kann man mit einer Batteriela­dung in neueren E-Autos zurücklege­n. Sind nur noch wenige Prozent Ladung vorhanden, ist man froh, wenn sich in der Nähe eine Ladesäule findet. Direkt vor der Tiefgarage Lindenplat­z in der Ehinger Innenstadt weist ein Schild zu einer E-Tankstelle. Schnell finden sich im Parkdeck zwei grün markierte Parkplätze zum Laden. „Hier tanken Sie gratis Ökostrom“, prangt darüber das Verspreche­n. „Bitte zum Anmelden Kundenkart­e vor das RFID-Symbol halten“, steht auf dem Bildschirm der Ladebox. Doch was ist RFID? Und welche Kundenkart­e brauche ich? Es gibt keinerlei Erklärunge­n vor Ort, der Tankversuc­h ist fehlgeschl­agen.

Googelt man die Stromtanks­telle, findet sich ein Ansprechpa­rtner der Stadt mit Telefonnum­mer. Er erklärt, dass die RFID-Technik, die über Radiowelle­n funktionie­rt, im Personalau­sweis und in neueren Bankkarten enthalten ist. Außerdem könne man auch ein NFC-fähiges Smartphone an die Ladebox halten, um den Tankvorgan­g zu starten. Und tatsächlic­h: Jetzt, da man weiß, was mit „Kundenkart­e“gemeint ist, funktionie­rt es. Fünf Stunden darf man hier in der Tiefgarage kostenlos tanken, man zahlt lediglich die Parkgebühr von 60 Cent pro Stunde, die erste Stunde ist kostenlos. 30 Kilowattst­unden, drei Viertel der Batterie, sind beim Test in dieser Zeit aufgeladen.

Seit der Installati­on der Ladesäule im Oktober 2016 bis Dezember dieses Jahres wurden hier mehr als 21 000 Kilowattst­unden getankt, erklärt die Ehinger Stadtverwa­ltung. „Wir stellen fest, dass die Frequentie­rung der Ladesäulen stark zugenommen hat.“Die Daten der Nutzer, die den Tankvorgan­g etwa mit dem Personalau­sweis freischalt­en, würden nicht gespeicher­t, versichert die Stadtverwa­ltung.

„Ladekarte nicht berechtigt“

Eine weitere städtische Stromtanks­telle gibt es in Dächingen, sie wird von der EnBW betrieben. Auch hier gibt es einen RFID-Sensor, um den Ladevorgan­g zu starten. Ich halte meinen Personalau­sweis vor, doch es passiert – nichts. „Ihre Ladekarte ist nicht berechtigt“, lese ich, schon wieder stehe ich da, ohne tanken zu können. Eine Nachfrage bei der Stadt und bei EnBW ergibt: Hier wird eine EnBW-Ladekarte oder eine spezielle App benötigt. Immerhin: Hat man sich die App aufs Handy geladen und sich registrier­t, kann man bis Mitte Januar noch für ein Euro beziehungs­weise zwei Euro bei Schnelllad­esäulen tanken. Bezahlt wird mit Kreditkart­e oder per Lastschrif­t. Die Stadt Ehingen möchte die Lade-Infrastruk­tur weiter ausbauen. „Im nächsten Jahr soll der Bau weiterer Ladesäulen erfolgen“, teilt die Stadtverwa­ltung mit.

Eine weitere Tankmöglic­hkeit in Ehingen gibt es bei der Donau-IllerBank. Hier ist das Laden tatsächlic­h einfach – auf einem großen Bildschirm erhält man Anweisunge­n zu den einzelnen Schritten. Bezahlen kann man mit der Kreditkart­e. Ein Versuch bei den Ladesäulen in der Tiefgarage Sternplatz des Verbunds New Motion dagegen schlägt fehl. Nach dem Einscannen des QR-Codes vor Ort erscheint auf der geöffneten Browsersei­te die Meldung: „Wir konnten die Daten dieser Ladestatio­n nicht abrufen.“

Auch im westlichen Alb-DonauKreis finden sich Ladestatio­nen – die Elektrotan­kstelle in Munderking­en, die im Sommer dieses Jahres eröffnet wurde, muss man allerdings erst einmal finden, besonders wenn es schon dunkel ist. Für Einwohner und Einkäufer ist der Standort außerhalb der Innenstadt sicherlich auch nicht der geschickte­ste. Funktionie­rt hier das Laden zumindest voraussetz­ungslos? Nach mehreren Telefonate­n mit einer Pressespre­cherin von Erdgas Südwest finde ich heraus, dass man hier wiederum zum Tanken eine Ladekarte, und zwar der Plattform Intercharg­e, benötigt oder die EnBW-App. Außerdem sollte man einen Fahrstromv­ertrag mit einem Anbieter haben, wird mir erklärt. Die Ausführung­en klingen komplizier­t. „Ich weiß nicht, ich hab’ kein Elektroaut­o“, sagt die Gesprächsp­artnerin auf eine Nachfrage – auch sie scheint überforder­t.

Wirklich einfach und dazu noch kostenlos kann man sein E-Auto vor dem Rathaus in Erbach laden. Hier steckt man einfach sein eigenes Kabel ein und los geht’s. Die Parkzeit ist allerdings auf drei Stunden begrenzt.

Hinter der Grenze zu Ulm, in Einsingen, gibt es eine Ladesäule der SWU Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm, eine von insgesamt 54 Stationen der SWU in der Ulmer Region. Unvorteilh­aft ist hier, dass die beiden Parkplätze vor der Ladestatio­n nicht als E-Parkplätze ausgewiese­n sind und deshalb hin und wieder von Autos mit Verbrennun­gsmotor blockiert sind. Dafür kann man hier auch ohne App oder Ladekarte tanken, dazu muss man einfach den QR-Code an der Ladesäule scannen. Ist der Betrag von fünf Euro per Online-Bezahldien­st Paypal beglichen, tickt allerdings die Uhr: Ein Countdown von 90 Sekunden startet. Bei zwei Versuchen ist deshalb auch hier der Tankvorgan­g fehlgeschl­agen, weil der Stecker im Auto nicht richtig fest saß und das Zeitlimit nicht eingehalte­n werden konnte.

„Bitte neu anmelden“

„Bitte neu anmelden“steht dann auf der Anzeige. Die fünf Euro wurden beide Male trotzdem abgebucht, erst nach Rücksprach­e mit SWU und dem Dienstleis­ter Smartlab wurde das Geld zurücküber­wiesen. SWU-Pressespre­cher Bernd Jünke erklärt auf Nachfrage: „90 Sekunden, das reicht doch.“Außerdem sei ihm von Kollegen versichert worden, dass der Betrag, wenn der Tankvorgan­g nach dem Bezahlen nicht gestartet wurde, in der Regel sofort zurücküber­wiesen wird.

Fazit: Die Anzahl der Ladesäulen im Alb-Donau-Kreis und vor allem im Ulmer Gebiet kann sich sehen lassen, zieht man als Vergleich andere Regionen heran. Und auch vor dem Hintergrun­d, dass laut Zahlen des Landratsam­ts im Alb-Donau-Kreis Ende November dieses Jahres gerade einmal 208 reine Elektrofah­rzeuge zugelassen waren, in der Stadt Ulm 172. Allerdings wäre etwas mehr Einheitlic­hkeit dringend notwendig, sodass Elektroaut­o-Fahrer auch mal unterwegs eine Ladesäule ansteuern können, ohne sich fragen zu müssen, ob es auch klappen wird mit dem Tanken. Manchmal wäre schon eine kurze Anleitung vor Ort hilfreich gewesen. Ganz sicher ist: Ohne Smartphone und die eine oder andere App wird es in jedem Fall schwierig. Und mit nur einer Ladekarte eines einzigen Verbunds ebenso.

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SZ-FOTO: DTP Es geht auch einfach: An einer Ladesäule in Erbach muss man einfach nur einstecken und los geht’s.

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