Wenn das Tanken zur Zitterpartie wird
Test in der Ehinger Region zeigt: Mal kurz das E-Auto an einer Stromtankstelle aufzuladen, ist gar nicht so einfach
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EHINGEN - Benzin oder Diesel zu tanken ist ziemlich einfach, vorausgesetzt man weiß, welchen Kraftstoff das eigene Auto verträgt. Denn die Zapfsäulen an verschiedenen Tankstellen unterscheiden sich nicht sonderlich, egal an welchem Ort man tankt. Als Fahrer eines Elektroautos würde man sich das auch wünschen. Ein Test in der Ehinger Region zeigt nämlich: Strom an unterschiedlichen Ladesäulen zu tanken ist eine vertrackte Angelegenheit: Jedes Mal gilt es aufs Neue herauszufinden, ob und wie das Tanken funktioniert. Jeder Tankversuch wird so zu einem Zitterspiel.
Knapp 300 Kilometer kann man mit einer Batterieladung in neueren E-Autos zurücklegen. Sind nur noch wenige Prozent Ladung vorhanden, ist man froh, wenn sich in der Nähe eine Ladesäule findet. Direkt vor der Tiefgarage Lindenplatz in der Ehinger Innenstadt weist ein Schild zu einer E-Tankstelle. Schnell finden sich im Parkdeck zwei grün markierte Parkplätze zum Laden. „Hier tanken Sie gratis Ökostrom“, prangt darüber das Versprechen. „Bitte zum Anmelden Kundenkarte vor das RFID-Symbol halten“, steht auf dem Bildschirm der Ladebox. Doch was ist RFID? Und welche Kundenkarte brauche ich? Es gibt keinerlei Erklärungen vor Ort, der Tankversuch ist fehlgeschlagen.
Googelt man die Stromtankstelle, findet sich ein Ansprechpartner der Stadt mit Telefonnummer. Er erklärt, dass die RFID-Technik, die über Radiowellen funktioniert, im Personalausweis und in neueren Bankkarten enthalten ist. Außerdem könne man auch ein NFC-fähiges Smartphone an die Ladebox halten, um den Tankvorgang zu starten. Und tatsächlich: Jetzt, da man weiß, was mit „Kundenkarte“gemeint ist, funktioniert es. Fünf Stunden darf man hier in der Tiefgarage kostenlos tanken, man zahlt lediglich die Parkgebühr von 60 Cent pro Stunde, die erste Stunde ist kostenlos. 30 Kilowattstunden, drei Viertel der Batterie, sind beim Test in dieser Zeit aufgeladen.
Seit der Installation der Ladesäule im Oktober 2016 bis Dezember dieses Jahres wurden hier mehr als 21 000 Kilowattstunden getankt, erklärt die Ehinger Stadtverwaltung. „Wir stellen fest, dass die Frequentierung der Ladesäulen stark zugenommen hat.“Die Daten der Nutzer, die den Tankvorgang etwa mit dem Personalausweis freischalten, würden nicht gespeichert, versichert die Stadtverwaltung.
„Ladekarte nicht berechtigt“
Eine weitere städtische Stromtankstelle gibt es in Dächingen, sie wird von der EnBW betrieben. Auch hier gibt es einen RFID-Sensor, um den Ladevorgang zu starten. Ich halte meinen Personalausweis vor, doch es passiert – nichts. „Ihre Ladekarte ist nicht berechtigt“, lese ich, schon wieder stehe ich da, ohne tanken zu können. Eine Nachfrage bei der Stadt und bei EnBW ergibt: Hier wird eine EnBW-Ladekarte oder eine spezielle App benötigt. Immerhin: Hat man sich die App aufs Handy geladen und sich registriert, kann man bis Mitte Januar noch für ein Euro beziehungsweise zwei Euro bei Schnellladesäulen tanken. Bezahlt wird mit Kreditkarte oder per Lastschrift. Die Stadt Ehingen möchte die Lade-Infrastruktur weiter ausbauen. „Im nächsten Jahr soll der Bau weiterer Ladesäulen erfolgen“, teilt die Stadtverwaltung mit.
Eine weitere Tankmöglichkeit in Ehingen gibt es bei der Donau-IllerBank. Hier ist das Laden tatsächlich einfach – auf einem großen Bildschirm erhält man Anweisungen zu den einzelnen Schritten. Bezahlen kann man mit der Kreditkarte. Ein Versuch bei den Ladesäulen in der Tiefgarage Sternplatz des Verbunds New Motion dagegen schlägt fehl. Nach dem Einscannen des QR-Codes vor Ort erscheint auf der geöffneten Browserseite die Meldung: „Wir konnten die Daten dieser Ladestation nicht abrufen.“
Auch im westlichen Alb-DonauKreis finden sich Ladestationen – die Elektrotankstelle in Munderkingen, die im Sommer dieses Jahres eröffnet wurde, muss man allerdings erst einmal finden, besonders wenn es schon dunkel ist. Für Einwohner und Einkäufer ist der Standort außerhalb der Innenstadt sicherlich auch nicht der geschickteste. Funktioniert hier das Laden zumindest voraussetzungslos? Nach mehreren Telefonaten mit einer Pressesprecherin von Erdgas Südwest finde ich heraus, dass man hier wiederum zum Tanken eine Ladekarte, und zwar der Plattform Intercharge, benötigt oder die EnBW-App. Außerdem sollte man einen Fahrstromvertrag mit einem Anbieter haben, wird mir erklärt. Die Ausführungen klingen kompliziert. „Ich weiß nicht, ich hab’ kein Elektroauto“, sagt die Gesprächspartnerin auf eine Nachfrage – auch sie scheint überfordert.
Wirklich einfach und dazu noch kostenlos kann man sein E-Auto vor dem Rathaus in Erbach laden. Hier steckt man einfach sein eigenes Kabel ein und los geht’s. Die Parkzeit ist allerdings auf drei Stunden begrenzt.
Hinter der Grenze zu Ulm, in Einsingen, gibt es eine Ladesäule der SWU Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm, eine von insgesamt 54 Stationen der SWU in der Ulmer Region. Unvorteilhaft ist hier, dass die beiden Parkplätze vor der Ladestation nicht als E-Parkplätze ausgewiesen sind und deshalb hin und wieder von Autos mit Verbrennungsmotor blockiert sind. Dafür kann man hier auch ohne App oder Ladekarte tanken, dazu muss man einfach den QR-Code an der Ladesäule scannen. Ist der Betrag von fünf Euro per Online-Bezahldienst Paypal beglichen, tickt allerdings die Uhr: Ein Countdown von 90 Sekunden startet. Bei zwei Versuchen ist deshalb auch hier der Tankvorgang fehlgeschlagen, weil der Stecker im Auto nicht richtig fest saß und das Zeitlimit nicht eingehalten werden konnte.
„Bitte neu anmelden“
„Bitte neu anmelden“steht dann auf der Anzeige. Die fünf Euro wurden beide Male trotzdem abgebucht, erst nach Rücksprache mit SWU und dem Dienstleister Smartlab wurde das Geld zurücküberwiesen. SWU-Pressesprecher Bernd Jünke erklärt auf Nachfrage: „90 Sekunden, das reicht doch.“Außerdem sei ihm von Kollegen versichert worden, dass der Betrag, wenn der Tankvorgang nach dem Bezahlen nicht gestartet wurde, in der Regel sofort zurücküberwiesen wird.
Fazit: Die Anzahl der Ladesäulen im Alb-Donau-Kreis und vor allem im Ulmer Gebiet kann sich sehen lassen, zieht man als Vergleich andere Regionen heran. Und auch vor dem Hintergrund, dass laut Zahlen des Landratsamts im Alb-Donau-Kreis Ende November dieses Jahres gerade einmal 208 reine Elektrofahrzeuge zugelassen waren, in der Stadt Ulm 172. Allerdings wäre etwas mehr Einheitlichkeit dringend notwendig, sodass Elektroauto-Fahrer auch mal unterwegs eine Ladesäule ansteuern können, ohne sich fragen zu müssen, ob es auch klappen wird mit dem Tanken. Manchmal wäre schon eine kurze Anleitung vor Ort hilfreich gewesen. Ganz sicher ist: Ohne Smartphone und die eine oder andere App wird es in jedem Fall schwierig. Und mit nur einer Ladekarte eines einzigen Verbunds ebenso.