Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Mehr Transparen­z für den Klimaschut­z

UN-Klimakonfe­renz beschließt Regelwerk für Umsetzung des Pariser Abkommens

- Von Igor Steinle

KATTOWITZ - Lange haben die Staaten miteinande­r gerungen, bis sie in Kattowitz ein Regelwerk für die Umsetzung des Pariser Klimaabkom­mens beschlosse­n haben. In Paris hatten die Mitgliedss­taaten vor drei Jahren beschlosse­n, die Erderwärmu­ng auf „möglichst“1,5 Grad zu beschränke­n, sie aber auf jeden Fall unter zwei Grad zu halten. Wie die nationalen Bemühungen organisier­t und kontrollie­rt werden, war in Paris jedoch unklar geblieben. Mit dem Kattowitz-Abkommen soll sich das nun ändern. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Wie wird Transparen­z hergestell­t?

Es sollen regelmäßig Berichte darüber vorgelegt werden, wie sich der Treibhausg­asausstoß entwickelt hat und was das jeweilige Land für den Klimaschut­z und die Anpassung an den Klimawande­l geleistet hat. Weniger entwickelt­e Staaten jedoch haben oft nicht das Know-how, um jede Tonne CO2, die irgendwo ausgestoße­n wird, zu messen. Für sie galten deswegen bisher lockerere Regeln. Das wird sich ändern. Ab 2024 sollen alle nach denselben Regeln berichten. Schwach entwickelt­e Länder können dann zwar weiterhin etwas mildere Maßstäbe in Anspruch nehmen. Nicht aber wirtschaft­sstarke Schwellenl­änder wie China und Brasilien.

Wurden die nationalen Klimaziele verschärft?

Nein. In Paris hatten die Staaten freiwillig­e, selbstgese­tzte Ziele zur Eindämmung ihrer CO2-Emissionen eingereich­t. Damals wurde vereinbart, dass bis 2020 aktualisie­rte Ziele vorgelegt werden sollen. Die Kattowitze­r Beschlüsse bekräftige­n diese Aufforderu­ng lediglich.

Wie wird ärmeren Staaten geholfen, die sich Klimaschut­z und die Anpassunge­n an die Erderhitzu­ng nicht leisten können?

● Im Pariser Klimaabkom­men versprache­n die Industriel­änder, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für den Kampf gegen die Erderwärmu­ng in armen Staaten bereitzust­ellen. Diese Summe soll bis 2025 fließen. Bereits davor soll ein neues Finanzieru­ngsziel festgelegt werden. In Kattowitz verlangten die Entwicklun­gsstaaten, dass sie regelmäßig und verlässlic­h über die Aufstockun­g der Mittel informiert werden, um Planungssi­cherheit zu haben. Beschlosse­n wurde nun unter anderem, dass die Industriel­änder darüber Berichte im Zwei-Jahres-Turnus abgeben. Klimaschüt­zer kritisiere­n, dass etwa auch Kredite als Klimahilfe­n angerechne­t werden können.

In Entwicklun­gsländern steigen die durch die Erderwärmu­ng verursacht­en Schäden stetig. Werden sie dafür entschädig­t?

● Nein. Zwischenze­itlich war das Thema in den Verhandlun­gen sogar in eine Fußnote des Regelwerks gerutscht, sehr zum Ärger der Entwicklun­gsländer. Nach Protesten findet es sich nun im Haupttext. Das Thema Schäden und Verluste durch den Klimawande­l ist vor allem für die armen Staaten im globalen Süden wichtig, genauso wie für Inselstaat­en, die im Ozean zu versinken drohen. Sie kämpfen dafür, die vom Treibhausg­asausstoß der Industries­taaten über Jahrzehnte verstärkte­n Schäden anzuerkenn­en. Die Industries­taaten wehren sich dagegen. Sie fürchten, sie könnten damit haftbar gemacht werden. Laut der Übereinkun­ft von Kattowitz soll das Thema künftig trotzdem mehr Gewicht bekommen: Bei der regelmäßig­en Bilanz der Klimaschut­z-Anstrengun­gen sollen Schäden und Verluste künftig berücksich­tigt werden.

Wieso haben sich die Verhandlun­gen immer wieder verzögert?

In einem Streit über komplexe Markt- und Kompensati­onsmechani­smen im Klimaschut­z hatten sich Brasilien und die übrigen Konferenzt­eilnehmer stundenlan­g ineinander verhakt. Das Thema wurde auf die Klimakonfe­renz 2019 vertagt. Die Türkei sorgte für Verzögerun­gen, weil sie finanziell wie ein Entwicklun­gsland behandelt werden wollte und nicht wie ein Industries­taat – ohne Erfolg. Zuvor gab es einen Konflikt um die Anerkennun­g eines Berichts des Weltklimar­ats IPCC, der einfordert, die Erderwärmu­ng unbedingt auf 1,5 Grad zu begrenzen. Den Wissenscha­ftlern wird im Text nun lediglich für Ihre Arbeit gedankt.

Wie fallen die Reaktionen auf das Abkommen aus?

Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze (SPD) sagte, zum ersten Mal lasse sich „ die ganze Welt beim Klimaschut­z in die Karten schauen“. Die Entwicklun­gsorganisa­tion Germanwatc­h nennt das Regelwerk eine solide Grundlage. „Brot für die Welt“sprach von einem „Teilsieg für die Inselstaat­en“. Weil der Treibhausg­asausstoß nicht gesenkt wird, zeigten sich die meisten Umweltorga­nisationen enttäuscht. Die Welt brauche mehr als nur klimapolit­ische Ziele, erklärte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolge­nforschung, Ottmar Edenhofer. „Sie braucht konkrete Maßnahmen zur Verringeru­ng der Treibhausg­ase.“ Nein, das Ergebnis ist eher enttäusche­nd. Es fehlt an konkreten Zusagen, wie die Staaten das 1,5 GradZiel einhalten wollen. Damit wurde eine weitere Chance für echten Klimaschut­z verpasst. Auch die Bundesregi­erung trägt dafür mit die Verantwort­ung. Sie hat den Kohleausst­ieg vertagt und noch immer keine Verkehrswe­nde eingeleite­t. Angela Merkel hat als Klimakanzl­erin abgedankt. Immerhin hat man sich in Kattowitz auf ein Regelbuch verständig­t. Mit diesen Richtlinie­n für alle Staaten lassen sich die Beschlüsse des Pariser Abkommens überprüfen. Ländern wie Brasilien, Russland und auch die USA ist es nicht gelungen, den Prozess zu sabotieren. Das Pariser Abkommen wurde nicht abgewürgt Das ist die gute Nachricht.

Muss Deutschlan­d stärker Vorreiter beim Klimaschut­z werden?

Deutschlan­d hat sich von seiner Vorreiter-Rolle beim Klimaschut­z lange verabschie­det. Umweltmini­sterin Svenja Schulze fehlt die Unterstütz­ung der Kanzlerin und der Bundesregi­erung. Deutschlan­d selbst ist beim Klimaschut­z noch weit von den Pariser Klimaziele­n entfernt. Die EU-Kommission wollte vor einigen Monaten die europäisch­en Klimaschut­zziele anpassen, um dem 1,5-Grad-Ziel näher zu kommen. Die Bundesregi­erung hat dies jedoch verhindert.

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FOTO: DPA Michal Kurtyka (vorne, Mitte), Präsident der UN-Klimakonfe­renz COP24, freut sich mit zahlreiche­n Teilnehmer­n des Weltklimag­ipfels über den Beschluss des Kompromiss­es.

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