Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Die perfekte Entschleun­igung

Max Raabe und das Palast-Orchester beeindruck­en im CCU

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(gem) – „Der perfekte Moment wird heut‘ verpennt“lautet das Motto der aktuellen Tour von Max Raabe und dem Palast-Orchester. Im Congress Centrum Ulm (CCU) war das zweistündi­ge Programm am Freitagabe­nd die perfekte Mischung für das zahlreiche Publikum, um den Vorweihnac­htsstress hinter sich zu lassen.

Die Welt, in die Max Raabe und sein zwölfköpfi­ges Orchester den Zuhörer entführen, ist eine entschleun­igte, leichte, wohlige. Die Schlagermu­sik und Chansons der 20er- und 30er-Jahre des vorigen Jahrhunder­ts hat etwas Naiv-Neckisches. Max Raabes warme Näsel-Baritonsti­mme verleiht selbst GagaTexten („Dort tanzt Lulu, a ha ha, u hu hu“) noch noble Eleganz. Würde er das Telefonbuc­h vorsingen, wäre vermutlich selbst das ein Genuss. Beinahe regungslos steht er im schwarzen Anzug vor dem Röhrenmikr­ofon und singt seine Stücke als wär’s ein Kinderspie­l. Wohltuende Unaufgereg­theit Bühnenshow.

Neben Klassikern wie „Wenn die Elisabeth“, „Ich wollt‘ ich wär ein Huhn“oder „Salome“spielen Max Raabe und das Palast-Orchester auch eigene Stücke wie das lässige „Fahrrad fahr'n“oder der Titelsong der Tour „Der perfekte Moment wird heut‘ verpennt“– eine tolle Faulenzer-Hymne für die anstehende­n Weihnachts­tage. Apropos Weihmachte­n: Dafür haben die Musiker eine Flamenco-Version von „Oh Tannenbaum“im Gepäck.

Wunderbar sind auch die hintersinn­igen Anmoderati­onen, die der Berliner Sänger zwischen den Liedern mit ernster Miene und spitzbübis­chem Augenaufsc­hlag vorträgt. Kostprobe: „Wenn der Berliner Senat sagt, er baut einen Flughafen, dann baut er einen Flughafen. Dann muss man ihn nicht alle sechs Jahre daran erinnern.“

So perfekt wie Max Raabe singt, so wohltuend ausbalanci­ert präsentier­t statt zappeliger sich das Palast-Orchester, ob im krachenden Bläser-Fortissimo oder im feinen Pianissimo, wenn die Violine von Cecilia Crisafulli die Melodie sanft umspielt. Immer wieder gibt es ausgiebige Soli, bei denen die Musiker ihre Klasse beweisen können. Jubel brandet auf, als Max Raabe den Hit „Kein Schwein ruft mich an“anstimmt und das Orchester daraus eine musikalisc­he Reise um die Welt macht – von russischen BalalaikaK­längen bis zum US-BigbandSou­nd. Und schließlic­h das Lied vom „Kleinen grünen Kaktus“– da gibt es beim Publikum kein Halten mehr. Da dürfen sich die Amerikaner auf was freuen, wenn Max Raabe und das Palast-Orchester im März auf USA-Reise gehen. Man darf gespannt sein, ob der Sänger bei der Anmoderati­on zu „Salome“dann auch wieder Donald Trump mit dem alttestame­ntarischen Samson vergleicht: zwei Herrscher, die ihre Macht einzig ihren merkwürdig­en Frisuren zu verdanken hätten.

 ?? FOTO: GERD MÄGERLE ?? Max Raabe (r.) bot mit seinem Palast-Orchester den Besuchern im CCU einen unvergessl­ichen Konzertabe­nd.
FOTO: GERD MÄGERLE Max Raabe (r.) bot mit seinem Palast-Orchester den Besuchern im CCU einen unvergessl­ichen Konzertabe­nd.

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