Psyche des Opfers soll untersucht werden
Prozess gegen 40-Jährigen wegen versuchten Mordes und Vergewaltigung geht weiter
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BAD SCHUSSENRIED - Der Prozess am Landgericht Ravensburg gegen einen 40-Jährigen aus dem Landkreis Biberach hat eine überraschende Wendung genommen. Der Mann ist wegen versuchten Mordes und Vergewaltigung angeklagt. Bisher hatte er sich weder zu seiner Person noch zur Tat geäußert. Nun ließ er gleich zu Beginn der Verhandlung den Richtern einen Antrag zukommen. Damit überraschte er selbst sein ambitioniertes Anwaltsgespann.
Er bitte um die Nachstellung im Gerichtssaal des „schlicht und einfach unmöglichen“Handykabelangriffs, dessen der 40-jährige Angeklagte unter anderem angeklagt wird. Und zwar eine Nachstellung unter den Augen des geladenen rechtsmedizinischen Gutachters. Und das ganz offensichtlich ohne Wissen seiner beiden Strafverteidiger. Er habe Sorge, das Gericht sei „nicht in der Lage, Wahrheit von Lüge zu trennen“, und dass das Urteil schon geschrieben sei, las der Vorsitzende Richter Maier weiter aus dem Papier des ansonsten nicht auskunftsfreudigen Angeklagten vor. Mit dem Aufruf „Ich bitte Sie, Justitia in den Vordergrund zu stellen“endete der Schrieb des Angeklagten. Woraufhin sein Pflichtverteidiger um „fünf handgestoppte Minuten“mit seinem Mandanten bat. Das Resultat: Der Angeklagte nahm den Antrag zurück.
Im Laufe des Verhandlungstages gab es noch weitere, gut vorbereitete und offizielle Beweisanträge: So bat der Verteidiger darum, man möge ein unabhängiges psychologisches Gutachten von einem weiteren Sachverständigen anfertigen lassen. Begutachtet werden soll laut seines Antrages das als Nebenklägerin auftretende Opfer. Die Frau habe offensichtlich „heftige Stimmungsschwankungen“. Und sie leide an einer „tiefgreifenden Instabilität in zwischenmenschlichen Beziehungen“, wie verschiedene Vorstrafen nahe legten. Seine Flügelfrau, die Wahlverteidigerin aus Karlsruhe, stellte davor bereits den Antrag, die Chefärztin der Forensischen Psychiatrie in Bad Saulgau zur Vernehmung zu laden. Dort war der Angeklagte zuletzt im Dezember 2017 in Behandlung.
Der rechtsmedizinische Gutachter, als erster Zeuge des Tages, rückte indes einiges zurecht: Die als „Platzwunde“des Opfers aktenkundig gewordene Verletzung am Hinterkopf der 39-Jährigen hielt er ebenso wie die anderen Stichwunden auch für eine „schneidende Verletzung“. Eine einwandfreie Drosselmarke konnte der Gutachter indes nicht bestätigen. „Wenn ich an einem Kabel ziehe, dann gibt es eine zirkuläre Marke und beidseitige Einblutungen“, sagte der Gutachter. Die dokumentierte Rötung am Hals der Geschädigten könne jedoch von einem „Kleidungszug“herrühren, alles sei denkbar. Zu den Kopfverletzungen des Angeklagten – die Frau schlug ihm mit mehreren Bierflaschen auf den Kopf – beschied der Gutachter: Die QuetschRisswunden hätten „keinen medizinisch-relevanten Blutverlust“nach sich gezogen, ein Schädel-Hirn-Trauma könne aus einem derartigen Schlag nicht resultieren.
Die Notärztin, die in der Tatnacht die 39-jährige Frau am Tatort erstversorgte, sagte bereits bei der polizeilichen Vernehmung aus, die Patientin habe ihr geschildert, dass sie sich nach einem brutalen Übergriff ihres Sex-Partners „mit Bierflaschen gewehrt“habe. Daraufhin habe er auf sie eingestochen. Die Menge an Blutspuren und deren Auswertung jedoch lassen nicht einwandfrei darauf schließen, dass der Mann bei seiner Attacke mit der Schere bereits verletzt gewesen sei. „Die Blutspuren im Kinderzimmer passen zu den Verletzungen an der Geschädigten, die im Wohnzimmer zu denen am Angeklagten“, sagte eine Sachverständige.
Am Montag wird die Verhandlung um 10 Uhr in öffentlicher Sitzung fortgesetzt. Dann wird das Gericht darüber entscheiden, ob den Beweisanträgen der Verteidigung stattgegeben und die Verhandlung deutlich ausgedehnt werden muss.