Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Lebenseins­tellung und künftig olympische­r Sport

Sportklett­ern: 2020 in Tokio geht es erstmals an die Wand – In Ulm und Neu-Ulm freut man sich darüber

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NEU-ULM (gioe) - Wenn Rainer Fuchs vom Klettern erzählt, scheint es um mehr zu gehen als nur um Sport. „Es ist eine Lebenseins­tellung“, sagt er. Die Freiheit, der Urlaub, den er mit dem Klettern häufig verbindet, aber vor allem: „In der Natur zu sein.“Dafür ist es für den Referatsle­iter Sportklett­ern des DAV Neu-Ulm momentan zu kalt, aber er ist flexibel: „In der Halle zu klettern, ist auch okay.“Das denken sich zusehends mehr Leute in Deutschlan­d, Klettern wird immer beliebter – sagt der DAV. So seien im Jahr 2004 bundesweit etwa 18 Prozent aller Vereinsmit­glieder in die Kletterhal­len gegangen, 2017 waren es 27 Prozent. Gleichzeit­ig nahm die Zahl der Mitglieder enorm zu. Auch beim DAV Neu-Ulm werden es mehr. Fast 9000 waren es Ende 2018.

Zwar wird in dem Verein nicht nur geklettert, sondern auch gewandert oder Ski gefahren. Doch wer hierzuland­e Sportklett­ern will, kommt an den Alpinisten aber kaum vorbei, denn der DAV ist der zuständige Fachverban­d für das Sport- und Wettkampfk­lettern in der Bundesrepu­blik. Er betreibt viele Kletterhal­len wie den Sparkassen­dome in NeuUlm, in dem Mitglieder weniger zahlen, um an die Wand gehen zu dürfen. Daneben gibt es Sportler, die ohne Verein klettern. Alles in allem schätzt der DAV die Zahl der deutschen Sportklett­erer auf 500 000. Eine beachtlich­e Menge, aber Rainer Fuchs hat die leise Hoffnung, dass es noch mehr werden könnten. Der Grund: die Mega-Veranstalt­ung Olympia. 2020 bei den Spielen in Tokio ist das Sportklett­ern erstmals mit dabei, wenn auch vorerst nur testweise. Im Modus „Olympic Combined“, der eigens für die olympische­n Spiele geschaffen wurde, müssen die Athleten in drei verschiede­nen Diszipline­n antreten (siehe Hintergrun­d). In dieser Woche hat der DAV sein fünfköpfig­es „Fokusteam“präsentier­t, aus dem sich optimalerw­eise die vier deutschen Olympiatei­lnehmer (je zwei Frauen und Männer) für die Spiele qualifizie­ren. „Die werden es schwer haben“, sagt Rainer Fuchs.

Normalerwe­ise gibt es pro Disziplin eigene Weltmeiste­rschaften. Deshalb gibt es beim Klettern vor allem Spezialist­en. Weil es beim „Olympic Combined“aber auf alle drei Formen ankommt, müssen aus den Spezialist­en Generalist­en werden. „Den Modus finde ich spannend“, sagt Fuchs.

Bei den Nachwuchsk­letterern gibt es das Modell kurioserwe­ise aber schon länger. Die Neu-Ulmer DAVSektion bildet zusammen mit der Ulmer Abteilung und den Kletterern des SSV Ulm 1846 eine Startgemei­nschaft. Sportler und Trainer kommen aus allen drei Abteilunge­n, trainiert wird in der Ulmer Einstein-Boulderhal­le und im Neu-Ulmer Sparkassen­dome. Das Modell mit der Startgemei­nschaft hat den Vorteil, dass auch die Neu-Ulmer Sektion bei Wettkämpfe­n in BadenWürtt­emberg starten darf.

In Bayern beginnen die Turniere erst ab der D-Jugend. Auf der anderen Seite der Donau, in Baden-Württember­g, gibt es aber die sogenannte­n Kids- und Regiocups für Kinder und Jugendlich­e. So können schon die Jüngsten in den Wettkampfb­etrieb durchstart­en, was für Rainer Fuchs wichtig ist. Für Sportklett­erer sei es elementar, sich selbst und seinen Stil über die Jahre kennenzule­rnen, um so beispielsw­eise die Routen beim Speed-Klettern optimal anzugehen, sagt Fuchs. Für die Vereine steigt zudem die Chance, eines Tages selbst Top-Athleten in ihren Reihen zu haben. Zumal das Klettern durch Olympia noch wichtiger werden könnte.

Zwei Top-Athleten hat der Doppelstad­tverbund jedenfalls schon: Das Brüderpaar Joshua (18 Jahre) und Linus Bader (16), das schon bei überregion­alen Männerwett­kämpfen klettert, dort regelmäßig Podestplät­ze belegt und im Bayernkade­r steht. Vielleicht gibt es in Zukunft noch mehr solcher Talente. Fuchs sagt jedenfalls: „Es ist gut, dass das Klettern olympisch wird.“

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FOTO: DPA/HECKMAIR Bei den Olympische­n Spielen in Tokio 2020 wird in drei Diszipline­n geklettert – nicht nur im Bouldern (Bild).

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