Gegengewicht zu Asien
Die maritime Wirtschaft soll auf EU-Ebene künftig mehr Gehör bekommen
FRIEDRICHSHAFEN – Die Bundesregierung will Reedereien, Werften und Zulieferer in Deutschland fit für die Zukunft machen. Das erklärte der maritime Koordinator der Bundesregierung, Norbert Brackmann, am Mittwoch in Friedrichshafen.
„Wir sehen uns international in einer etwas schrägen Lage. Preisdumping und illegale staatliche Hilfen in Asien verzerren den Markt“, skizzierte Brackmann die Lage. Deutschland müsse aufpassen, das heimische Firmen nicht aus dem Markt gedrängt werden. Vor allem Südkorea ist in der Vergangenheit wiederholt mit unlauteren Handelspraktiken im Schiffbau aufgefallen.
Brackmann will sich deshalb, zusammen mit seinem französischen Amtskollegen Denis Robin, für einen maritimen Koordinator auf EU-Ebene starkmachen. Der soll sich in Brüssel für die Belange der Branche einsetzen und Strategien erarbeiten, wie man mit der asiatischen Konkurrenz umgehen kann. Europa müsse für die maritime Wirtschaft mit einer Sprache sprechen; doch das tue es momentan nicht. Darüber hinaus soll der Koordinator für ganz Europa einheitliche Branchenstandards durchsetzen. „Heute hat jeder Hafen unterschiedliche Betriebsordnungen, die Stromanschlüsse für Schiffe sind in jedem Land anders und es gibt keine einheitliche Abfertigung wegen unterschiedlicher IT-Schnittstellen. Das muss sich ändern.“
Die maritime Wirtschaft ist eine wichtige Säule für die deutsche Volkswirtschaft – und insbesondere für den Südwesten. Sie erwirtschaftet rund 50 Milliarden Euro Umsatz jährlich und beschäftigt direkt und indirekt 400 000 Mitarbeiter. Ein gutes Fünftel der Wertschöpfung steuern Firmen aus Baden-Württemberg bei: Rolls-Royce Power Systems mit seiner Kernmarke MTU ist der größte deutsche Schiffszulieferer, Offshore-Windkraftanlagen laufen häufig mit Getrieben von ZF, Zeppelin ist Systemlieferant für Flüssigerdgasantriebe wie sie beispielsweise in Fähren eingesetzt werden und die Airbus-Tochter Defence and Space liefert Systeme zur Schiffserkennung und -nachverfolgung.
Hinzu kommt: 95 Prozent des deutschen Warenverkehrs wird über den Seeweg transportiert. Eine gut laufende maritime Wirtschaft ermöglicht erst den für Deutschland so wichtigen Export. Deshalb, so Brackmann, komme es darauf an, dass die Branche ihre Innovationsführerschaft behält. Bei Technologiesprüngen in der Vergangenheit ist das jeweils der Fall gewesen. Ob das auch für die Digitalisierung gilt, ist noch nicht ausgemacht. Der Bund unterstützt die Branche deshalb mit Fördergeldern. Bis 2022 sollen 240 Millionen Euro in neue Technologien gesteckt, die Branche besser vernetzt werden. Da trifft es sich gut, dass auch die EU die maritime Wirtschaft in der nächsten Dekade als einen Forschungs- und Förderungsschwerpunkt auserkoren hat. Für Volker Poßögel jedenfalls, den Chef der Zeppelin-Sparte Power Systems, geht von der elften Nationalen Maritimen Konferenz „ein ganz wichtiges Signal für die Branche“aus.