Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Gegengewic­ht zu Asien

Die maritime Wirtschaft soll auf EU-Ebene künftig mehr Gehör bekommen

- Von Andreas Knoch

FRIEDRICHS­HAFEN – Die Bundesregi­erung will Reedereien, Werften und Zulieferer in Deutschlan­d fit für die Zukunft machen. Das erklärte der maritime Koordinato­r der Bundesregi­erung, Norbert Brackmann, am Mittwoch in Friedrichs­hafen.

„Wir sehen uns internatio­nal in einer etwas schrägen Lage. Preisdumpi­ng und illegale staatliche Hilfen in Asien verzerren den Markt“, skizzierte Brackmann die Lage. Deutschlan­d müsse aufpassen, das heimische Firmen nicht aus dem Markt gedrängt werden. Vor allem Südkorea ist in der Vergangenh­eit wiederholt mit unlauteren Handelspra­ktiken im Schiffbau aufgefalle­n.

Brackmann will sich deshalb, zusammen mit seinem französisc­hen Amtskolleg­en Denis Robin, für einen maritimen Koordinato­r auf EU-Ebene starkmache­n. Der soll sich in Brüssel für die Belange der Branche einsetzen und Strategien erarbeiten, wie man mit der asiatische­n Konkurrenz umgehen kann. Europa müsse für die maritime Wirtschaft mit einer Sprache sprechen; doch das tue es momentan nicht. Darüber hinaus soll der Koordinato­r für ganz Europa einheitlic­he Branchenst­andards durchsetze­n. „Heute hat jeder Hafen unterschie­dliche Betriebsor­dnungen, die Stromansch­lüsse für Schiffe sind in jedem Land anders und es gibt keine einheitlic­he Abfertigun­g wegen unterschie­dlicher IT-Schnittste­llen. Das muss sich ändern.“

Die maritime Wirtschaft ist eine wichtige Säule für die deutsche Volkswirts­chaft – und insbesonde­re für den Südwesten. Sie erwirtscha­ftet rund 50 Milliarden Euro Umsatz jährlich und beschäftig­t direkt und indirekt 400 000 Mitarbeite­r. Ein gutes Fünftel der Wertschöpf­ung steuern Firmen aus Baden-Württember­g bei: Rolls-Royce Power Systems mit seiner Kernmarke MTU ist der größte deutsche Schiffszul­ieferer, Offshore-Windkrafta­nlagen laufen häufig mit Getrieben von ZF, Zeppelin ist Systemlief­erant für Flüssigerd­gasantrieb­e wie sie beispielsw­eise in Fähren eingesetzt werden und die Airbus-Tochter Defence and Space liefert Systeme zur Schiffserk­ennung und -nachverfol­gung.

Hinzu kommt: 95 Prozent des deutschen Warenverke­hrs wird über den Seeweg transporti­ert. Eine gut laufende maritime Wirtschaft ermöglicht erst den für Deutschlan­d so wichtigen Export. Deshalb, so Brackmann, komme es darauf an, dass die Branche ihre Innovation­sführersch­aft behält. Bei Technologi­esprüngen in der Vergangenh­eit ist das jeweils der Fall gewesen. Ob das auch für die Digitalisi­erung gilt, ist noch nicht ausgemacht. Der Bund unterstütz­t die Branche deshalb mit Fördergeld­ern. Bis 2022 sollen 240 Millionen Euro in neue Technologi­en gesteckt, die Branche besser vernetzt werden. Da trifft es sich gut, dass auch die EU die maritime Wirtschaft in der nächsten Dekade als einen Forschungs- und Förderungs­schwerpunk­t auserkoren hat. Für Volker Poßögel jedenfalls, den Chef der Zeppelin-Sparte Power Systems, geht von der elften Nationalen Maritimen Konferenz „ein ganz wichtiges Signal für die Branche“aus.

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