Weltkunst in der Provinz
„Reden von Oberschwaben“: Siegfried Weishaupt führt durch seine Sammlung in Ulm
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RAVENSBURG - Oberschwaben ist Provinz. Aber gilt das auch für die Kunst, die wir hier erleben können? Keineswegs. Zum Beispiel Siegfried Weishaupts Sammlung. Der aus Schwendi stammende Unternehmer präsentiert seit elf Jahren in seiner Kunsthalle in Ulm Weltkunst erster Güte. Dies ist als Zeichen der Verbundenheit mit seiner Heimat zu verstehen. Das hat Siegfried Weishaupt bei einer Führung durch die aktuelle Ausstellung in der Kunsthalle nun wieder deutlich gemacht.
Was ihm gefällt, was ihn berührt
Die Idee der Gesellschaft Oberschwaben (GO) ist es, zur Identitätsbildung der Region beizutragen. Sie will oberschwäbische Geschichte, vor allem auch deren republikanischdemokratische Tradition, sichtbar machen und die kulturelle Vielfalt stärken. Siegfried Weishaupt hat die inzwischen auf 1200 Mitglieder angewachsene Gesellschaft 1996 mitbegründet, er ist deren Ehrenpräsident und unterstützt sie nach wie vor finanziell, wie Thomas Zotz, der emeritierte Freiburger Mittelalterhistoriker und aktuelle GO-Vorsitzende, in seiner Rede in Ulm hervorhob.
Aus Anlass seines 80. Geburtstages hat die Gesellschaft nun ihren Förderer um einen Beitrag zu dem Format „Reden von Oberschwaben“gebeten. Siegfried Weishaupt hielt keine Rede, sondern führte durch sein Museum, erzählte, wie er zum Sammler wurde und was ihn dabei leitet. „Ich sammle, was mir gefällt, was ich sehe und was mich berührt“, sagt Weishaupt. Und dazu gehören Spitzenwerke internationaler Kunst aus den letzten 100 Jahren. „Geometrie ist der Grundstock meiner Sammlung.“Entscheidend sei der Einfluss der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Ulm auf ihn und seine Familie gewesen. Denn schon der Vater Weishaupt stellte den Kontakt zu den Leuten auf dem Kuhberg her. Hans Gugelot entwarf das Design eines Heizkessels. Man traf sich mit Josef Albers, Max Bense und immer wieder mit Max Bill. Dessen MöbiusSchleife begrüßt die Besucher im Foyer der Kunsthalle Weishaupt.
Mittagessen mit Warhol
Die Werke von Albers und Mondrian bildeten das Rückgrat seiner Sammlung, sagt Weishaupt. Als er in Aachen studierte, lernte er die damals äußerst vitale Kunstszene im Rheinland kennen und begann, Arbeiten der Künstlergruppe ZERO zu kaufen – Uecker, Piene, Mack. Heute allesamt große Hausnummern auf dem Kunstmarkt. Aber darum gehe es ihm nicht. Er sammle Kunst nicht als Geldanlage, sondern nach seinem persönlichen Geschmack.
Oft konnte oder kann er eine persönliche Beziehung zu den Künstlern aufbauen. Andy Warhol war zu Gast im Hause Weishaupt in Schwendi und porträtierte den Vater. Zusammen mit seinem Freund Friedrich Rentschler, dem 2018 verstorbenen Unternehmer und Kunstsammler aus Biberach, traf er sich zum Essen mit Keith Haring. Und zu dem US-Künstler Robert Longo ist das Verhältnis inzwischen so gut, dass Weishaupt auch schon mal Werke zu sehen bekommt, die noch gar nicht ausgestellt waren. In der aktuellen Ausstellung „Ausgang offen – Neues aus der Sammlung“(siehe „Schwäbische Zeitung“vom 22. Oktober 2018) zeigt Weishaupt allein vier von Longos großformatigen Kohlezeichnungen, darunter die jüngste Erwerbung, „Untitled („Raft at Sea“) von 2016/ 2017. Es zeigt ein mit Flüchtlingen voll besetztes Schlauchboot auf hoher See. Unheimlich ist die Szenerie, furchteinflößend. „Es hat mich mitten ins Herz getroffen,“sagt der Sammler. Für ihn ist Longo der „Historienmaler unserer Zeit“.
Öffentliche Sammlungen haben gar nicht mehr die Etats, um hoch gehandelte Kunst zu erwerben. Das leisten inzwischen private Sammler. Und so kommt Weltkunst in die Provinz – nach Künzelsau und Schwäbisch Hall durch Würth, nach Ulm durch Weishaupt und Rentschler.