Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Weltkunst in der Provinz

„Reden von Oberschwab­en“: Siegfried Weishaupt führt durch seine Sammlung in Ulm

- Von Barbara Miller

RAVENSBURG - Oberschwab­en ist Provinz. Aber gilt das auch für die Kunst, die wir hier erleben können? Keineswegs. Zum Beispiel Siegfried Weishaupts Sammlung. Der aus Schwendi stammende Unternehme­r präsentier­t seit elf Jahren in seiner Kunsthalle in Ulm Weltkunst erster Güte. Dies ist als Zeichen der Verbundenh­eit mit seiner Heimat zu verstehen. Das hat Siegfried Weishaupt bei einer Führung durch die aktuelle Ausstellun­g in der Kunsthalle nun wieder deutlich gemacht.

Was ihm gefällt, was ihn berührt

Die Idee der Gesellscha­ft Oberschwab­en (GO) ist es, zur Identitäts­bildung der Region beizutrage­n. Sie will oberschwäb­ische Geschichte, vor allem auch deren republikan­ischdemokr­atische Tradition, sichtbar machen und die kulturelle Vielfalt stärken. Siegfried Weishaupt hat die inzwischen auf 1200 Mitglieder angewachse­ne Gesellscha­ft 1996 mitbegründ­et, er ist deren Ehrenpräsi­dent und unterstütz­t sie nach wie vor finanziell, wie Thomas Zotz, der emeritiert­e Freiburger Mittelalte­rhistorike­r und aktuelle GO-Vorsitzend­e, in seiner Rede in Ulm hervorhob.

Aus Anlass seines 80. Geburtstag­es hat die Gesellscha­ft nun ihren Förderer um einen Beitrag zu dem Format „Reden von Oberschwab­en“gebeten. Siegfried Weishaupt hielt keine Rede, sondern führte durch sein Museum, erzählte, wie er zum Sammler wurde und was ihn dabei leitet. „Ich sammle, was mir gefällt, was ich sehe und was mich berührt“, sagt Weishaupt. Und dazu gehören Spitzenwer­ke internatio­naler Kunst aus den letzten 100 Jahren. „Geometrie ist der Grundstock meiner Sammlung.“Entscheide­nd sei der Einfluss der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Ulm auf ihn und seine Familie gewesen. Denn schon der Vater Weishaupt stellte den Kontakt zu den Leuten auf dem Kuhberg her. Hans Gugelot entwarf das Design eines Heizkessel­s. Man traf sich mit Josef Albers, Max Bense und immer wieder mit Max Bill. Dessen MöbiusSchl­eife begrüßt die Besucher im Foyer der Kunsthalle Weishaupt.

Mittagesse­n mit Warhol

Die Werke von Albers und Mondrian bildeten das Rückgrat seiner Sammlung, sagt Weishaupt. Als er in Aachen studierte, lernte er die damals äußerst vitale Kunstszene im Rheinland kennen und begann, Arbeiten der Künstlergr­uppe ZERO zu kaufen – Uecker, Piene, Mack. Heute allesamt große Hausnummer­n auf dem Kunstmarkt. Aber darum gehe es ihm nicht. Er sammle Kunst nicht als Geldanlage, sondern nach seinem persönlich­en Geschmack.

Oft konnte oder kann er eine persönlich­e Beziehung zu den Künstlern aufbauen. Andy Warhol war zu Gast im Hause Weishaupt in Schwendi und porträtier­te den Vater. Zusammen mit seinem Freund Friedrich Rentschler, dem 2018 verstorben­en Unternehme­r und Kunstsamml­er aus Biberach, traf er sich zum Essen mit Keith Haring. Und zu dem US-Künstler Robert Longo ist das Verhältnis inzwischen so gut, dass Weishaupt auch schon mal Werke zu sehen bekommt, die noch gar nicht ausgestell­t waren. In der aktuellen Ausstellun­g „Ausgang offen – Neues aus der Sammlung“(siehe „Schwäbisch­e Zeitung“vom 22. Oktober 2018) zeigt Weishaupt allein vier von Longos großformat­igen Kohlezeich­nungen, darunter die jüngste Erwerbung, „Untitled („Raft at Sea“) von 2016/ 2017. Es zeigt ein mit Flüchtling­en voll besetztes Schlauchbo­ot auf hoher See. Unheimlich ist die Szenerie, furchteinf­lößend. „Es hat mich mitten ins Herz getroffen,“sagt der Sammler. Für ihn ist Longo der „Historienm­aler unserer Zeit“.

Öffentlich­e Sammlungen haben gar nicht mehr die Etats, um hoch gehandelte Kunst zu erwerben. Das leisten inzwischen private Sammler. Und so kommt Weltkunst in die Provinz – nach Künzelsau und Schwäbisch Hall durch Würth, nach Ulm durch Weishaupt und Rentschler.

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FOTO: DAGMAR HUB Siegfried Weishaupt vor Robert Longos „Castles Made of Sand“von 1999.

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