Kunden müssen sperrige Produkte nicht zurücksenden
Gericht stärkt Verbraucherrechte – Kunden müssen sperrige Waren nicht zurückschicken
LUXEMBURG (dpa) - Kunden sind nicht zwingend in der Pflicht, sperrige Produkte bei Mängeln zurückzusenden. Wenn mit dem Transport von etwa im Internet gekauften Waren erhebliche Unannehmlichkeiten verbunden wären, müssten die Verkäufer sich darum kümmern, erklärte der Europäische Gerichtshof am Donnerstag. Außerdem dürften für Verbraucher keine Zusatzkosten entstehen. Hintergrund des Urteils war eine Klage aus Deutschland. Ein Mann hatte per Telefon ein mangelhaftes Partyzelt gekauft und die Rücksendung verweigert.
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BERLIN - Ein Partyzelt von sechs Metern Länge lässt sich nicht einfach in ein DHL-Paket stecken und zurücksenden. Dennoch soll der Verbraucherschutz gelten: Wer im Netz oder am Telefon bestellt, hat bei Mängeln immer Anspruch auf Ersatz. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Donnerstag entschieden, dass Kunden sperrige Gegenstände nicht unbedingt zurücksenden müssen und vom Anbieter trotzdem neue Ware erhalten müssen.
Konkret betraf das Urteil (Aktenzeichen C-52/18) einen Verbraucher, der ein Partyzelt bestellt hatte. Er glaubte, daran einige Mängel zu erkennen, und forderte vom Anbieter ein neues Zelt. Wegen der Ausmaße des Artikels weigerte er sich zugleich, das Riesenpaket zurückzusenden. Als der Händler sich daraufhin seinerseits weigerte, den Schaden anzuerkennen, kam es zum Rechtsstreit. Das Amtsgericht Norderstedt war sich jedoch unsicher, wie das zuständige EU-Recht zu interpretieren sei. Denn die Rechte der Verbraucher im Distanzhandel sind europaweit einheitlich geregelt. Die deutschen Richter baten deshalb ihre EuGH-Kollegen in Luxemburg um eine Rechtsauslegung.
Die Frage aus Norderstedt lautete, wo genau die Verbraucher die mangelhafte Ware zurückgeben können. Die Richter in Luxemburg schrieben in ihrem Gutachten, dass es zwar auf den Einzelfall ankomme. So viel ist jedoch jetzt klar: Lieferungen, die nicht den Versprechungen des Händlers entsprechen, muss der Kunde jedoch nicht unbedingt zurückschicken, wenn sie sperrig sind. Falls doch eine Rücksendung angebracht sei, soll der Verkäufer die kompletten Kosten übernehmen. Der Käufer hat in jedem Fall Anspruch auf Ersatz. Das Gericht stärkt damit weiter den Verbraucherschutz – zu Lasten der Online-Händler, die zwar unterm Strich glänzende Geschäfte machen, zugleich aber unter mäkeligen Kunden leiden.
Meist sind es dabei gar nicht echte oder vermeintliche Mängel, sondern das großzügige Rückgaberecht in der EU, die zu Rücksendungen führen. Alle in virtuellen Läden erworbenen Waren können die europäischen Bürger mindestens zwei Wochen lang ohne Angabe von Gründen zurückgeben. Die Kunden machen davon begeistert Gebrauch. Zehn Prozent der Gartenartikel, unter die das Partyzelt fallen würde, gehen nach einer Studie des EHI Retail Institute in Köln zurück. Eine ähnliche Quote gilt für Heimwerkerartikel und Bücher. Bei Drogerieartikeln gefallen sogar 20 Prozent der Waren nicht. Der Spitzenreiter sind Klamotten mit einer Rücksendequote von 40 Prozent. Ein knappes Drittel der zurückgesandten Artikel lässt sich dabei nicht wieder als neu verkaufen, so das EHI-Institut.
Eine aktuelle Studie der Universität Bamberg zeigt die Auswirkungen der Beliebigkeit im Online-Handel auf. Im vergangenen Jahr sind 280 Millionen Sendungen an die Händler zurückgegangen – und jedes Mal mussten die Wagen der Lieferfirmen durch die Straßen kurven.
Zuletzt häuften sich zudem die Streitfälle um größere Artikel, wo die Ansprüche der Kunden und die Vorstellungen der Händler wohl besonders hart aufeinanderprallen. Im März erst hat der EuGH entschieden, dass die Verkäufer sogar Matratzen zurücknehmen müssen, auf denen jemand schon länger geschlafen hat. Sie dürfen bei deutlichen Gebrauchsspuren jedoch Nutzungsgebühren verlangen. Ausgangspunkt war der Konflikt um eine Matratze, auf der ein Kunde schon fünf Tage geschlafen hatte, bevor ihm doch noch klar wurde, dass er die Schlafunterlage nicht so recht mag.
Zum Zurücksenden erzogen
Die E-Commerce-Anbieter sind zum Teil allerdings auch selbst schuld. Sie haben ihren Kunden in den vergangenen zwei Jahrzehnten systematisch beigebracht, dass sie mit Kulanz rechnen können. Der OnlineModehändler Zalando hat in seiner Anfangszeit selbst mit dem Spruch geworben: „Schrei vor Glück – oder schick’s zurück“. Diese Haltung hat sich beim Kunden verfestigt. Der Händlerbund, ein E-Commerce-Verband, hat von seinen Mitgliedern etwas über die Konsequenzen dieser Einstellung erfahren. „Aus dem Bereich Kosmetik wurden besonders dreiste Fälle berichtet: Kunden tauschten Markenprodukte gegen Billigware aus und versuchten diese zu retournieren.“