Der Mordversuch mit Glykol in der Maultaschensuppe missglückt
Klare Rezeptur: Frostschutz 400 mg pro Kilo/2 Schluck – 82-Jähriger überlebt, die 74-jährige Ehefrau muss zehneinhalb Jahre in Haft
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MÜNCHEN - Aus Habgier hat eine 74-Jährige ihrem Ehemann eine tödliche Dosis Frostschutzmittel in seine Maultaschensuppe gemischt. Wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung ist die Frau zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt worden.
Als Hans L. nach dem Prozess am Donnerstag den Gerichtssaal verlässt, sucht die Frau, die ja immer noch seine Ehefrau ist, den Blickkontakt zu dem 82-Jährigen. Doch der geht an ihr vorüber, ohne den Kopf zu wenden, und lässt Brigitte L. inmitten von zwei Polizisten stehen, die sie kurz darauf abführen.
Für die 74-Jährige geht es nun zurück in die Frauenabteilung der Justizvollzugsanstalt München, wo sie nach diesem Urteil voraussichtlich den Großteil ihres restlichen Lebens verbringen wird. Denn das Landgericht München sah es als erwiesen an, dass sie ihren Ehemann mit einem Frostschutzmittel im Abendessen vergiften wollte.
Das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, stellt den Schlusspunkt in einem Prozess dar, dessen Handlung wie aus der Feder eines Drehbuchautors scheint. In einer der zwei Hauptrollen ist dabei Hans L., der sich nach einer geschiedenen Ehe noch mal neu verliebt, als er 2012 über das Internet eine Berlinerin kennenlernt. Wenige Monate später heiraten die beiden, und Brigitte L. – für die zweite Protagonistin dieser Geschichte ist es bereits die vierte Ehe – zieht in die Wohnung ihres Mannes nach München.
Die ersten Jahre sei man „sehr glücklich“gewesen, hat der Rentner im Prozess gesagt. Allein seine finanziell deutlich schlechter gestellte Ehefrau sieht das offenbar anders. Schon am Tag nach ihrem ersten Hochzeitstag sucht sie im Internet nach dem Begriff „Witwenrente“. Später informiert sich Brigitte L. bei Google und Co. auch noch über mögliche Tötungsarten, „ohne Spuren zu hinterlassen“. Unter anderem tippt sie Fragen ein wie: „Wo finde ich Eisenhut?“. Oder: „Wo sitzen die Bremsschläuche?“Im Sommer 2017 – die Ehe ist inzwischen zerrüttet, das Paar streitet aber noch über die finanziellen Folgen einer Trennung – legt die 74-Jährige auf ihrem Handy eine Liste mit Giften an. Unter anderem heißt es darin: „Frostschutz 400 mg pro Kilo/2 Schluck“.
Zunächst keine klare Diagnose
Als ihr Mann im März 2018 im Skiurlaub ist, bestellt Brigitte L. im Internet einen Liter Glykol. Davon schüttet sie Hans L. zwei Monate später eine potenziell tödliche Dosis in sein Abendessen, es gibt Maultaschen in Gemüsebrühe. Als das Paar wenig später vor dem Fernseher sitzt, wird dem 82-Jährigen schlecht, er muss sich mehrmals übergeben. Seine Frau verzieht sich ins Schlafzimmer – ohne Hilfe zu holen und ohne auf die Rufe ihres Mannes zu reagieren. Der kann sich nicht mehr auf den Beinen halten, kriecht auf allen Vieren zum Telefon und ruft eine Bekannte an, die den Notarzt verständigt. Im Krankenhaus geht man erst von einem Schlaganfall aus. Eine Woche später wird Hans L. ohne klare Diagnose entlassen.
Die Ermittlungen gegen Brigitte L. kommen erst ins Rollen, nachdem ihre Tochter die Polizei verständigt hat. Sie bekräftigt vor Gericht, dass die Mutter ihr am Telefon erzählt habe, dass sie ihren Mann mit Frostschutzmittel umbringen wolle. In der Folge kommen nicht nur die Internetrecherchen der 74-Jährigen ans Licht. Sondern es stellt sich auch heraus, dass Brigitte L. am Tag vor der Tat eine gefälschte Generalvollmacht ausstellte, mit der sie nach dem Tod ihres Mannes an dessen Konten herankommen würde. Zur Sprache kommt während des Verfahrens erschwerend hinzu, dass die Frau schon einmal einen ihrer früheren Ehemänner und dessen Bekannten mit K.-o-Tropfen betäubt habe, um an Geld zu kommen.
„Die Angeklagte wollte eine finanzielle Basis für ihr weiteres Leben legen“, sagt der Vorsitzende Richter Norbert Riedmann – durch die Witwenrente, „garniert mit einer Generalvollmacht“. Ihre Tat sei geplant gewesen. Mehr noch: „Es drängt sich fast der Gedanke auf, dass die ganze Ehe geplant war.“
Bei diesem Satz nickt Hans L. auf der Nebenklägerbank, während seine Frau den Worten des Richters ebenso regungslos lauscht wie der gesamten Urteilsverkündung. Auch am letzten Verhandlungstag trägt sie viel Schminke, einen schwarzen Blazer und wirkt jünger als ihre 74 Jahre. Im Prozess hat sich Brigitte L. zu den Vorwürfen nicht äußern wollen; ihr Verteidiger hatte einen Freispruch gefordert mit dem Argument, der Mann habe sich das Essen selbst zubereitet. Nach dem Urteil kündigt der Anwalt an, dass seine Mandantin in Revision gehen werde.
Keine zwei Meter entfernt steht derweil Hans L., sichtlich erleichtert. Er fühle sich „zum dritten Mal neu geboren“, sagt der 82-Jährige. Das erste Mal sei nach der Vergiftung gewesen. Das zweite Mal, „als ich sie endlich losgeworden bin“. Und das dritte Mal nun also nach dem Urteil, das, so sagt es Hans L., „aus meiner Sicht angemessen ist“.