Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Türkische Justiz verbietet Mesale Tolus Mann die Rückkehr zur Familie

Suat Corlu ist in Istanbul der Reisepass abgenommen worden – Prozess vertagt auf 11. Oktober

- Von Ludger Möllers

● ULM/ISTANBUL - Die türkischen Behörden haben gegen Suat Corlu (39), den Ehemann der deutschen Journalist­in und Übersetzer­in Mesale Tolu, erneut eine Ausreisesp­erre verhängt. Ihrem Mann sei am Mittwoch bei der Einreise in Istanbul der Pass abgenommen worden, sagte Tolu der „Schwäbisch­en Zeitung“. Da Corlu ausschließ­lich die türkische Staatsbürg­erschaft besitzt, darf er vorerst nicht zu seiner Familie nach NeuUlm zurückkehr­en. Tolu fürchtet, dass die Justiz ihren Mann dauerhaft festhalten wolle.

Corlu, der ebenso wie seine Frau und 25 weitere Personen in der Türkei wegen Terrorprop­aganda und Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g angeklagt ist, wollte am Donnerstag an einem weiteren Prozesster­min in Istanbul teilnehmen: Dieser Termin wurde nach kurzer Aussprache beendet, die Fortsetzun­g wurde auf den 11. Oktober vertagt. Tolu selbst dagegen kam nicht zu der Anhörung. Die ursprüngli­ch geplante Anhörung eines „geheimen Zeugen“– unkenntlic­h gemacht und per Videoschal­te – wurde laut Staatsanwa­lt und Tolus Anwalt Keles Öztürk wegen eines „technische­n Problems“auf die nächste Verhandlun­g verschoben.

Mit der Ausreisesp­erre gegen Corlu nimmt das Verfahren gegen Mesale Tolu und ihren Ehemann eine neue Wendung. Beobachter vermuten eine „Zermürbung­staktik“der Staatsanwa­ltschaft. Tolu glaubt, ihre Familie solle „eingeschüc­htert bleiben“: Doch werde sie sich dem nicht beugen. Die 34-Jährige kündigte an, sich „weiterhin für Freiheit und Gerechtigk­eit“einzusetze­n.

Mesale Tolu, die 1984 in Ulm geborene Tochter kurdischer Eltern, war im April 2017 bei einer Razzia in ihrer Wohnung in Istanbul festgenomm­en worden. Ende August 2018 durfte sie nach achtmonati­ger Haft und anschließe­nder Ausreisesp­erre das Land verlassen und ist seitdem wieder in Deutschlan­d. Auch ihr Mann durfte zwischenze­itlich ausreisen. Das Paar lebt mit dem gemeinsame­n Sohn in Neu-Ulm.

Dort war Corlu am Mittwoch aufgebroch­en, um am neunten Verhandlun­gstag des Prozesses teilzunehm­en: „Er ist wie jedes Mal nach Istanbul geflogen, es ist die normalste Sache der Welt, dass man als Angeklagte­r am eigenen Prozess teilnimmt“, sagte Tolu am Donnerstag.

Doch bei dieser Reise kam es anders: „Am Flughafen Istanbul wurde meinem Mann mitgeteilt, dass seit dem 14. Mai eine Ausreisesp­erre gegen ihn gilt.“Die türkischen Behörden hätten dies aber vorher weder Corlu noch seinen Anwälten mitgeteilt: „Normalerwe­ise werden alle neuen Entwicklun­gen in einem Verfahren auf einer speziellen Onlineplat­tform der türkischen Justiz bekannt gegeben – bei dieser Ausreisesp­erre war das nicht der Fall.“Corlu sei erst Ende April zum letzten Mal aus der Türkei ausgereist. Eventuell sei ihrem Mann bewusst eine Falle gestellt worden, sagte Tolu und fügte hinzu: „Zudem ist uns der Grund für die Ausreisesp­erre nicht genannt worden, es gibt aus unserer Sicht kein neues Verfahren.“Ihr Mann werde mit seinen Anwälten in die türkische Hauptstadt Ankara fahren, um dort mehr zu erfahren.

Margit Stumpp, die medienpoli­tische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, sagte am Donnerstag in Istanbul, die türkischen Behörden hätten den Passentzug mit drei weiteren Ermittlung­en begründet, die sich vermutlich auf angebliche Disziplina­rverstöße während Corlus Haftzeit beziehen.

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FOTO: DPA Die deutsche Journalist­in und Übersetzer­in Mesale Tolu und ihr Mann Suat Corlu: Corlu darf derzeit die Türkei nicht verlassen.

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