Jetzt sind die Kirchen gefragt
Die obersten Richter in Karlsruhe haben entschieden, und doch bleiben Fragen offen beziehungsweise müssen gestellt werden. Wir alle wollen selbstbestimmt und lange leben. Niemand will leiden, niemand wünscht es sich, den Angehörigen zur Last zu fallen. Aber was ist denn wirklich ein selbstbestimmtes Sterben? Ein selbstbestimmter Tod kann angesichts einer Medizin, die ein Leben um viele Jahre verlängern kann, auf den ersten Blick eine wünschenswerte Option sein. Aber wer entscheidet, welche Leiden ertragbar sind und welche nicht? Wie sieht denn ein würdevolles Lebensende aus? Und was heißt eigentlich „selbstbestimmt“?
Den Wert des eigenen oder fremden Lebens unter jenen der Autonomie zu stellen, kommt einer Missachtung der unvergleichbaren Würde der menschlichen Person gleich. Der Wert des Lebens eines Menschen darf nicht auf die Qualität einiger ausgewählter Eigenschaften reduziert werden.
Das Bundesverfassungsgericht legt hingegen die Verfügbarkeit des Lebens in die Hände des Patienten. Das ist ein Paradigmenwechsel. Nach christlichem Verständnis legt der Mensch sein Leben in die Hände Gottes. Nicht in die Hände eines Sterbehelfers. Mit der Karlsruher Entscheidung wächst aber der soziale Druck auf Alte und Kranke, Suizidhilfe in Anspruch zu nehmen.
Deshalb ist es nun an der Politik, der Suizidhilfe Vorgaben zu machen und ihr einen engen Rahmen zu setzen. Und nicht zuletzt sind auch die Kirchen gefragt: Erstens im massiven Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung. Dort haben die Kirchen die Chance, für die Gäste ein würdiges Lebensende zu gestalten. Zweitens: Wenn die Verfassungsrichter anregen, dass vor der Beihilfe zum assistierten Suizid Beratung zwingend ist, sollten sich die Kirchen engagieren, um Betroffene davon abzubringen. Todkranke Menschen und ihre Angehörigen bedürfen der Seelsorge. Hier dürfen sich die Kirchen nicht wegducken und das Feld Medizinern, Ökonomen oder selbst ernannten Lebens- und Sterbehelfern überlassen.