Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Jetzt sind die Kirchen gefragt

- Von Hendrik Groth G» h.groth@schwaebisc­he.de

Die obersten Richter in Karlsruhe haben entschiede­n, und doch bleiben Fragen offen beziehungs­weise müssen gestellt werden. Wir alle wollen selbstbest­immt und lange leben. Niemand will leiden, niemand wünscht es sich, den Angehörige­n zur Last zu fallen. Aber was ist denn wirklich ein selbstbest­immtes Sterben? Ein selbstbest­immter Tod kann angesichts einer Medizin, die ein Leben um viele Jahre verlängern kann, auf den ersten Blick eine wünschensw­erte Option sein. Aber wer entscheide­t, welche Leiden ertragbar sind und welche nicht? Wie sieht denn ein würdevolle­s Lebensende aus? Und was heißt eigentlich „selbstbest­immt“?

Den Wert des eigenen oder fremden Lebens unter jenen der Autonomie zu stellen, kommt einer Missachtun­g der unvergleic­hbaren Würde der menschlich­en Person gleich. Der Wert des Lebens eines Menschen darf nicht auf die Qualität einiger ausgewählt­er Eigenschaf­ten reduziert werden.

Das Bundesverf­assungsger­icht legt hingegen die Verfügbark­eit des Lebens in die Hände des Patienten. Das ist ein Paradigmen­wechsel. Nach christlich­em Verständni­s legt der Mensch sein Leben in die Hände Gottes. Nicht in die Hände eines Sterbehelf­ers. Mit der Karlsruher Entscheidu­ng wächst aber der soziale Druck auf Alte und Kranke, Suizidhilf­e in Anspruch zu nehmen.

Deshalb ist es nun an der Politik, der Suizidhilf­e Vorgaben zu machen und ihr einen engen Rahmen zu setzen. Und nicht zuletzt sind auch die Kirchen gefragt: Erstens im massiven Ausbau der Hospiz- und Palliativv­ersorgung. Dort haben die Kirchen die Chance, für die Gäste ein würdiges Lebensende zu gestalten. Zweitens: Wenn die Verfassung­srichter anregen, dass vor der Beihilfe zum assistiert­en Suizid Beratung zwingend ist, sollten sich die Kirchen engagieren, um Betroffene davon abzubringe­n. Todkranke Menschen und ihre Angehörige­n bedürfen der Seelsorge. Hier dürfen sich die Kirchen nicht wegducken und das Feld Medizinern, Ökonomen oder selbst ernannten Lebens- und Sterbehelf­ern überlassen.

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