Neue Abstände für Windräder
Bundeswirtschaftsminister will Bewegung in festgefahrenen Konflikt bringen – Was der Vorstoß bringt
BERLIN (smn) - Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will die Abstandsregel für Windräder lockern. Windkraftanlagen sollen demnach nicht mehr pauschal einen Abstand von 1000 Metern zur nächsten Wohnsiedlung haben. Nach dem monatelangen Streit zwischen Union und SPD könnte so wieder Bewegung in den Ausbau der Windenergie kommen. Die Windkraft-Branche und auch viele Umweltverbände begrüßen das Einlenken Altmaiers beim Mindestabstand.
BERLIN - Wie groß muss der Abstand zwischen neuen Windrädern und Wohnsiedlungen sein? Das im September 2019 vorgestellte Klimapaket der Bundesregierung sieht bisher einen pauschalen Mindestabstand von 1000 Metern vor. Nach harscher Kritik daran will Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) diese Abstandsregelung jetzt lockern. Was der neue Vorschlag für Baden-Württemberg und Bayern bedeutet und ob er den Ausbau der Windenergie ankurbeln kann:
Was hat die Bundesregierung im Klimapaket bisher vorgesehen?
Das Klimapaket der Großen Koalition sieht einen bundesweiten Mindestabstand von 1000 Metern zwischen Windkraftanlagen und Wohngebieten vor. Nach dieser ursprünglich geplanten Regelung hätten die einzelnen Länder explizit widersprechen müssen, wenn sie die Regelung nicht umsetzen wollen – auch Optout-Lösung genannt.
Welche Änderung will Peter Altmaier jetzt vornehmen?
Der Bundeswirtschaftsminister sieht eine Lockerung der geplanten Abstandregelung vor. Die Bundesländer und Kommunen sollen demnach mehr Freiheit und Teilhabe bei der Abstandsentscheidung bekommen. Die Länder sollen laut Altmaier selbst entscheiden, ob die 1000 Meter Abstand zwischen Siedlungen und Windrädern bei ihnen eingehalten werden oder nicht. In Abstimvon mung mit den Kommunen könnten die Länder demnach auch mehr oder weniger Abstand bei der Errichtung neuer Windräder halten.
Statt der bisherigen Opt-out-Option könnte es also zur sogenannten Opt-in-Regelung kommen: Wer 1000 Meter Abstand will, muss sich in dem Fall aktiv dafür entscheiden.
Kann die Änderung den Ausbau der Windenergie ankurbeln?
Die Änderung soll den Ländern und Kommunen zumindest mehr Flexibilität bei dem Ausbau von Windkraft geben. Laut Bundeswirtschaftsministerium wird die 1000-Meter-Regelung wie vom Klimakabinett geplant zwar trotz Opt-in-Modifizierung im Baugesetzbuch und damit im Bundesrecht verankert werden. Allerdings solle die neue Variante „den Ländern und Kommunen den nötigen Planungsspielraum geben, um Flächen für den Windausbau und gleichzeitig die Akzeptanz vor Ort für die Windkraft zu sichern“, sagt eine Sprecherin des Bundesministeriums auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Bis 2030 soll Deutschland 65 Prozent seines Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Energien speisen, so das erklärte Ziel Altmaiers.
Was würde Altmaiers Vorstoß für Baden Württemberg und Bayern bedeuten?
In Bayern gilt seit fünf Jahren das 10H-Gesetz. Demnach dürfen in Bayern nur dann neue Windräder gebaut werden, wenn ihr Abstand zur nächsten Siedlung mindestens das Zehnfache der Höhe der Anlage beträgt. Das bayerische 10-H-Gesetz wurde
der neuen Abstandsregelung im Klimaschutzpaket explizit ausgenommen. Man habe der bayerischen Regelung „Bestandsschutz gewährt“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der Vorstellung des Klimaschutzpakets im September 2019. Bayern ist also weder von der bisherigen Regelung noch vom Änderungsvorschlag Altmaiers betroffen.
In Baden-Württemberg hat es bislang keine feste Regelung für den Abstand zwischen Windkraftanlagen und Wohnsiedlungen gegeben. Bis heute wird hier nach Einzelfall entschieden. Laut Fachagentur „Windenergie an Land“beträgt der durchschnittliche Abstand zwischen Windrädern und Siedlungen in Baden-Württemberg derzeit 700 Meter. Tritt die bisher vorgesehene Abstandsregelung im Klimaschutzpaket in Kraft, müssten auch im Südwesten künftig pauschal alle neuen Windkraftanlagen einen Mindestabstand von 1000 Metern zu Wohnsiedlungen einhalten. Altmaiers neuer Änderungsvorschlag hingegen würde für Baden-Württemberg de facto keine direkte Veränderung bedeuten – da das Bundesland weiterhin entscheiden könnte wie bisher.
Wie reagiert die Energiebranche auf Altmaiers Vorstoß?
Die Windkraftbranche hat Altmaiers Kursänderung begrüßt. „Es ist gut, wenn der Bund jetzt die Verantwortung der Länder anerkennt“, sagte der Präsident des Bundesverbands Windenergie (BWE), Hermann Albers. Er forderte erneut die Einhaltung der Ausbauziele für Ökostrom für 2030 sowie der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens. Wenn dies durch „die gegenwärtig diskutierte Verständigung der Koalition“zur Windkraft der Fall sei, „wäre das ein wichtiger Schritt“.
Auch EnBW reagiert positiv auf den Vorstoß Altmaiers. Dadurch sei „wieder Dynamik in die Diskussion gekommen“, sagt eine Unternehmenssprecherin. Aufgrund der derzeitig „dramatischen Situation“des Marktes sei dies auch dringend nötig. „Im vergangenen Jahr wurden hierzulande lediglich etwa 1000 Megawatt (MW) errichtet – so wenig wie noch nie seit der Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2000.“
Um das 65-Prozent-Ziel für 2030 zu erreichen, braucht es laut EnBWSprecherin einen Zubau von 4000 bis 5000 MW pro Jahr. Schuld am langsamen Ausbau seien die Genehmigungszeiten und Auflagen. Die Dauer für Genehmigungsverfahren habe sich in den vergangenen Jahren bis zu verfünffacht.
Wie reagieren die Umweltschutzverbände?
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace reagierte positiv auf das Einlenken des Bundeswirtschaftsministers. „Altmaier scheint endlich erkannt zu haben, dass die Blockadepolitik der CDU gegen den Ausbau der Windenergie an Land weder dem Klima noch dem Wirtschaftsstandort nützen und so auch keine Wahlen zu gewinnen sind“, sagte GreenpeaceEnergie-Experte Andree Böhling.
Zurückhaltend äußerte sich dagegen der Ökostromanbieter Greenpeace Energy. „Noch ist unklar, ob der Vorschlag von Minister Altmaier die Energiewende und den Klimaschutz voranbringt oder am Ende sogar behindert“, erklärte dessen Politikchef Marcel Keiffenheim. So könnten einzelne Bundesländer möglicherweise sogar schärfere Mindestabstandsregeln beschließen und damit den Windkraftausbau bremsen.
Keiffenheim forderte daher besonders die Landesregierungen dazu auf, sich klar zum Ausbau der Windkraft an Land zu bekennen.
Erneut gegen pauschale Mindestabstandsregeln für Windkraftanlagen wandte sich der baden-württembergische Landesumweltverband BUND. „Der Vorschlag ist unserer Meinung nach völlig unzureichend“, sagte eine Sprecherin. Altmaier erwecke den Eindruck, „dass ein Abstand von 1000 Metern einen Nutzen hätte. Vor allem aber schürt eine solche, unverbindliche Abstandsregelung Ängste vor Windenergie und verschärft so Konflikte“, sagte die Sprecherin.