Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Gericht spricht Globalisie­rungskriti­kern Gemeinnütz­igkeit ab

Attac unterliegt vorerst in Rechtsstre­it um steuerlich­e Vorteile – Auch andere Organisati­onen kämpfen um Anerkennun­g

- Von Hannes Koch

GBERLIN - Die Auseinande­rsetzung um die Gemeinnütz­igkeit der globalisie­rungskriti­schen Organisati­on Attac wird auch nach der Entscheidu­ng des Hessischen Finanzgeri­chts an diesem Mittwoch weitergehe­n. Das Gericht lehnte die Klage von Attac gegen den Verlust der Gemeinnütz­igkeit ab. Die Globalisie­rungskriti­ker wollen nun Revision beim Bundesfina­nzhof einlegen und notfalls bis zum Bundesverf­assungsger­icht gehen.

Das Urteil ist wichtig für viele Vereine und politische Organisati­onen. Spenden an diese sind steuerlich absetzbar, wenn die Körperscha­ften von den Finanzämte­rn als gemeinnütz­ig eingestuft werden. Weil die Spenderinn­en und Spender einen finanziell­en Vorteil haben, erhöht das die Spendenber­eitschaft und damit die Einnahmen der Organisati­onen. Außerdem müssen diese dann keine Körperscha­ftund Gewerbeste­uer zahlen.

Den Kern des Konflikts bildet die Frage, wie politisch gemeinnütz­ige Organisati­onen handeln dürfen. 2014 entzog das Frankfurte­r Finanzamt den Attac-Leuten die Gemeinnütz­igkeit mit der Begründung, sie handelten nicht zuvörderst im Sinne der steuerbegü­nstigten Zwecke der eigenen Satzung. Stattdesse­n verfolgten sie „allgemeinp­olitische Ziele“. Attac klagte dagegen erfolgreic­h vor dem Hessischen Finanzgeri­cht. Der Bundesfina­nzhof entschied dann aber anders, indem er die Möglichkei­t politische­r Betätigung eng definierte. Daher musste Kassel an diesem Mittwoch nochmal verhandeln.

Mittlerwei­le sind auch andere Gruppen betroffen: Nach dem Urteil des Bundesfian­zhofs entzog das Berliner Finanzamt der Vereinigun­g der Verfolgten des Naziregime­s die Gemeinnütz­igkeit, ebenso der Kampagneno­rganisatio­n

Campact. Deshalb verlangen Umwelt- und Entwicklun­gsorganisa­tionen, darunter der BUND, die Deutsche Umwelthilf­e und der Verkehrscl­ub VCD, die Abgabenord­nung so zu ändern, dass „gemeinnütz­ige Zwecke auch überwiegen­d oder sogar ausschließ­lich mit politische­n Mitteln verfolgt werden dürfen“. Im Fall der Umwelthilf­e hatten Unionspoli­tiker gefordert, der Organisati­on wegen ihres Kampfes für Dieselfahr­verbote in Innenstädt­en die Gemeinnütz­igkeit zu entziehen. Daraus wurde aber nichts, weil solche Einstufung­en vom zuständige­n Finanzamt und nicht von der Politik vorgenomme­n werden.

Im Haus von Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) wird seit geraumer Zeit an einer Neuregelun­g der Abgabenord­nung gearbeitet – bisher ohne öffentlich­es Ergebnis. Außerdem laufen Gespräche mit den Bundesländ­ern. Ein Konsens gestaltet sich allerdings schwierig. Zum einen hat beispielsw­eise die CDUFDP-Regierung von NordrheinW­estfalen keine Lust, linken Organisati­onen mehr Spielraum zu verschaffe­n. Zudem will die Politik verhindern, dass Lobbygrupp­en den Parteien zu ähnlich werden.

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FOTO: DPA Aktivist der globalisie­rungskriti­schen Organisati­on Attac.

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