Gericht spricht Globalisierungskritikern Gemeinnützigkeit ab
Attac unterliegt vorerst in Rechtsstreit um steuerliche Vorteile – Auch andere Organisationen kämpfen um Anerkennung
GBERLIN - Die Auseinandersetzung um die Gemeinnützigkeit der globalisierungskritischen Organisation Attac wird auch nach der Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts an diesem Mittwoch weitergehen. Das Gericht lehnte die Klage von Attac gegen den Verlust der Gemeinnützigkeit ab. Die Globalisierungskritiker wollen nun Revision beim Bundesfinanzhof einlegen und notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht gehen.
Das Urteil ist wichtig für viele Vereine und politische Organisationen. Spenden an diese sind steuerlich absetzbar, wenn die Körperschaften von den Finanzämtern als gemeinnützig eingestuft werden. Weil die Spenderinnen und Spender einen finanziellen Vorteil haben, erhöht das die Spendenbereitschaft und damit die Einnahmen der Organisationen. Außerdem müssen diese dann keine Körperschaftund Gewerbesteuer zahlen.
Den Kern des Konflikts bildet die Frage, wie politisch gemeinnützige Organisationen handeln dürfen. 2014 entzog das Frankfurter Finanzamt den Attac-Leuten die Gemeinnützigkeit mit der Begründung, sie handelten nicht zuvörderst im Sinne der steuerbegünstigten Zwecke der eigenen Satzung. Stattdessen verfolgten sie „allgemeinpolitische Ziele“. Attac klagte dagegen erfolgreich vor dem Hessischen Finanzgericht. Der Bundesfinanzhof entschied dann aber anders, indem er die Möglichkeit politischer Betätigung eng definierte. Daher musste Kassel an diesem Mittwoch nochmal verhandeln.
Mittlerweile sind auch andere Gruppen betroffen: Nach dem Urteil des Bundesfianzhofs entzog das Berliner Finanzamt der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes die Gemeinnützigkeit, ebenso der Kampagnenorganisation
Campact. Deshalb verlangen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, darunter der BUND, die Deutsche Umwelthilfe und der Verkehrsclub VCD, die Abgabenordnung so zu ändern, dass „gemeinnützige Zwecke auch überwiegend oder sogar ausschließlich mit politischen Mitteln verfolgt werden dürfen“. Im Fall der Umwelthilfe hatten Unionspolitiker gefordert, der Organisation wegen ihres Kampfes für Dieselfahrverbote in Innenstädten die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Daraus wurde aber nichts, weil solche Einstufungen vom zuständigen Finanzamt und nicht von der Politik vorgenommen werden.
Im Haus von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wird seit geraumer Zeit an einer Neuregelung der Abgabenordnung gearbeitet – bisher ohne öffentliches Ergebnis. Außerdem laufen Gespräche mit den Bundesländern. Ein Konsens gestaltet sich allerdings schwierig. Zum einen hat beispielsweise die CDUFDP-Regierung von NordrheinWestfalen keine Lust, linken Organisationen mehr Spielraum zu verschaffen. Zudem will die Politik verhindern, dass Lobbygruppen den Parteien zu ähnlich werden.