Schuldig allein wegen der Hautfarbe
„Just Mercy“: Packendes Justizdrama über ein skandalöses Fehlurteil in Alabama
EGine Quelle, die leider nicht versiegt: Die Ungerechtigkeiten und teils skandalösen Mechanismen des amerikanischen Justizsystems liefern beständig Vorlagen für sozialkritische HollywoodDramen. Auch „Just Mercy“basiert auf solch einem Fall, bei dem man als Zuschauer kaum glauben will, dass er sich tatsächlich so zugetragen hat. Der Holzarbeiter Walter McMillian wurde im Jahre 1987 in Monroeville im Bundesstaat Alabama festgenommen, weil er eine junge weiße Frau ermordet haben soll. Dass der Afroamerikaner für diese Zeit ein Alibi hatte, spielte keine Rolle – ebenso, dass der einzige Zeuge äußerst unglaubwürdig war und zum Zeitpunkt seiner Aussage selber vor einer schweren Gefängnisstrafe stand. Auch für McMillian hatte die Jury eine solche lange Haftzeit gefordert, der zuständige Richter verschärfte das Urteil aber noch und verhängte die Todesstrafe.
Zwei Jahre später nahm sich der junge Anwalt Bryan Stevenson, der gerade frisch sein Jurastudium in Harvard abgeschlossen hatte, des Falls an und legte Einspruch gegen das Urteil ein. Auf den Memoiren dieses bis heute aktiven Juristen und Aktivisten beruht nun der Film von Destin Daniel Cretton („Schloss aus Glas“). Die Gerechtigkeitskämpfer im Film besetzte er mit gleich zwei Superhelden-Darstellern: „Black Panther“Michael B. Jordan spielt Anwalt Stevenson als ernsthaft-entschlossenen Mann mit einer Mission. Ihm zur Seite steht Cretton-Stammschauspielerin Brie Larson als Mitarbeiterin der Equal Justice Initiative (EJI). Die von Stevenson
gegründete gemeinnützige Organisation bietet Angeklagten, die möglicherweise zu Unrecht verurteilt wurden, und allen in Alabama von der Todesstrafe Bedrohten rechtlichen Beistand an.
Die beiden Darsteller machen ihre Sache sehr gut. Jamie Foxx spielt McMillian als gleichermaßen stolzes und verzweifeltes Justizopfer, dem schon viele Anwälte eine vermeintliche Rettung versprochen haben. Erst als er mitbekommt, wie sich Stevenson auch mit seiner Großfamilie berät, fasst er allmählich Vertrauen zu dem jungen Juristen. Ohne Fehl ist auch seine Figur nicht: Vor der Straftat hatte er seine Gattin in dem kleinen Ort mit einer anderen Frau betrogen – da diese weiß war, vermutet er, dass ihn seitdem der rassistische Sheriff Tom Tate (Michael Harding) im Visier hatte.
Besonders nahe geht dem Zuschauer schließlich das Schicksal von McMillians Zellennachbarn Herbert Richardson (Rob Morgan). Dass dieser ein kleines Mädchen getötet hatte, bestritt er selbst nicht; dass er mit einer schweren traumatischen Störung aus dem Vietnamkrieg zurückgekehrt war, wurde bei seinem Gerichtsverfahren aber nicht berücksichtigt, und so schildert der Film, wie er auf dem elektrischen Stuhl landet.
Das ist schwere Kost, aber „Just Mercy“nähert sich seinem Stoff über weitere Strecken recht zurückhaltend und streckenweise auch etwas zu routiniert. Das packende Ausgangsmaterial hält die Zuschauer aber in der geradlinigen Inszenierung über zwei Stunden engagiert – und weckt auch noch im Abspann Emotionen: Da erfährt man, dass Sheriff Tate selbst nach Bekanntwerden des skandalösen Fehlurteils bis zu seiner Pensionierung noch sechsmal erfolgreich wiedergewählt wurde.