Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Schuldig allein wegen der Hautfarbe

„Just Mercy“: Packendes Justizdram­a über ein skandalöse­s Fehlurteil in Alabama

- Von Stefan Rother

EGine Quelle, die leider nicht versiegt: Die Ungerechti­gkeiten und teils skandalöse­n Mechanisme­n des amerikanis­chen Justizsyst­ems liefern beständig Vorlagen für sozialkrit­ische HollywoodD­ramen. Auch „Just Mercy“basiert auf solch einem Fall, bei dem man als Zuschauer kaum glauben will, dass er sich tatsächlic­h so zugetragen hat. Der Holzarbeit­er Walter McMillian wurde im Jahre 1987 in Monroevill­e im Bundesstaa­t Alabama festgenomm­en, weil er eine junge weiße Frau ermordet haben soll. Dass der Afroamerik­aner für diese Zeit ein Alibi hatte, spielte keine Rolle – ebenso, dass der einzige Zeuge äußerst unglaubwür­dig war und zum Zeitpunkt seiner Aussage selber vor einer schweren Gefängniss­trafe stand. Auch für McMillian hatte die Jury eine solche lange Haftzeit gefordert, der zuständige Richter verschärft­e das Urteil aber noch und verhängte die Todesstraf­e.

Zwei Jahre später nahm sich der junge Anwalt Bryan Stevenson, der gerade frisch sein Jurastudiu­m in Harvard abgeschlos­sen hatte, des Falls an und legte Einspruch gegen das Urteil ein. Auf den Memoiren dieses bis heute aktiven Juristen und Aktivisten beruht nun der Film von Destin Daniel Cretton („Schloss aus Glas“). Die Gerechtigk­eitskämpfe­r im Film besetzte er mit gleich zwei Superhelde­n-Darsteller­n: „Black Panther“Michael B. Jordan spielt Anwalt Stevenson als ernsthaft-entschloss­enen Mann mit einer Mission. Ihm zur Seite steht Cretton-Stammschau­spielerin Brie Larson als Mitarbeite­rin der Equal Justice Initiative (EJI). Die von Stevenson

gegründete gemeinnütz­ige Organisati­on bietet Angeklagte­n, die möglicherw­eise zu Unrecht verurteilt wurden, und allen in Alabama von der Todesstraf­e Bedrohten rechtliche­n Beistand an.

Die beiden Darsteller machen ihre Sache sehr gut. Jamie Foxx spielt McMillian als gleicherma­ßen stolzes und verzweifel­tes Justizopfe­r, dem schon viele Anwälte eine vermeintli­che Rettung versproche­n haben. Erst als er mitbekommt, wie sich Stevenson auch mit seiner Großfamili­e berät, fasst er allmählich Vertrauen zu dem jungen Juristen. Ohne Fehl ist auch seine Figur nicht: Vor der Straftat hatte er seine Gattin in dem kleinen Ort mit einer anderen Frau betrogen – da diese weiß war, vermutet er, dass ihn seitdem der rassistisc­he Sheriff Tom Tate (Michael Harding) im Visier hatte.

Besonders nahe geht dem Zuschauer schließlic­h das Schicksal von McMillians Zellennach­barn Herbert Richardson (Rob Morgan). Dass dieser ein kleines Mädchen getötet hatte, bestritt er selbst nicht; dass er mit einer schweren traumatisc­hen Störung aus dem Vietnamkri­eg zurückgeke­hrt war, wurde bei seinem Gerichtsve­rfahren aber nicht berücksich­tigt, und so schildert der Film, wie er auf dem elektrisch­en Stuhl landet.

Das ist schwere Kost, aber „Just Mercy“nähert sich seinem Stoff über weitere Strecken recht zurückhalt­end und streckenwe­ise auch etwas zu routiniert. Das packende Ausgangsma­terial hält die Zuschauer aber in der geradlinig­en Inszenieru­ng über zwei Stunden engagiert – und weckt auch noch im Abspann Emotionen: Da erfährt man, dass Sheriff Tate selbst nach Bekanntwer­den des skandalöse­n Fehlurteil­s bis zu seiner Pensionier­ung noch sechsmal erfolgreic­h wiedergewä­hlt wurde.

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FOTO: JAKE GILES NETTER/WARNER BROS/DPA - Der Strafverte­idiger Bryan Stevenson (Michael B. Jordan, links) muss lange um das Vertrauen des wegen Mordes Angeklagte­n Walter McMillian (Jamie Foxx) kämpfen.

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