Auf Tuchfühlung mit Haien und Rochen
Teures Sehnsuchtsziel: die tropische Inselwelt der Südsee
VAITAPE (dpa) - Wenn im klaren Wasser des Ozeans plötzlich dunkle Flossen auftauchen, ist das ein gutes Zeichen: Das Ökosystem ist intakt. Schwarzspitzenriffhaie schwimmen um das Boot. Rein ins Wasser oder nicht? Kein Problem, versichern die Einheimischen. Also gut: schnorcheln inmitten von Haien – Nervenkitzel in der Südsee.
Das französische Überseegebiet im Südpazifik besteht aus mehreren Inselgruppen. Die Gesellschaftsinseln mit klangvollen Eilanden wie Tahiti sind am bekanntesten. Der Name stammt von Seefahrer James Cook, der die Inseln zu Ehren der Geographic Society in London die Society Islands taufte, auf Deutsch Gesellschaftsinseln.
Wer mit einem Kreuzfahrtschiff anreist, ist zwar mit Sicherheit kein bedürftiger Mensch, spart sich aber absurde Hotelkosten an Land von teils mehr als 1000 Euro pro Nacht. Und lernt dennoch, dass die tropische Inselwelt auf der anderen Seite des Globus vielfältiger ist, als die Postkartenmotive vermuten lassen.
Der Name ist eine Verheißung: Bora Bora. Tony Marshall formulierte schon 1978 die Erwartungshaltung und trällerte: „Mein Paradies im Sommerwind, wo alle Menschen glücklich sind.“30 Jahre später wurde der Schlagersänger Ehrenbürger von Bora Bora. Das weltberühmte Atoll wird vom 727 Meter hohen Mount Otenanu überragt, ein von Hibiskus überzogener, erloschener Vulkan. Der Korallenring ist von Palmeninseln besetzt, in Polynesien Motus genannt, und umschließt eine türkis schillernde Lagune. Jenseits der Gischtkante strahlt der Ozean kobaltblau. Wie Bora Bora aussieht, so würde ein Kind wahrscheinlich die Südsee malen.
Weil diese archetypische Landschaftsform aus der Luft besonders zur Geltung kommt, werden auch Helikopter-Rundflüge angeboten. Faszinierender ist die Natur aber aus der Nähe, zum Beispiel bei einem Ausflug in der Lagune. Beim Anleger in Vaitape besteigen die Landausflügler ein Boot, das von einem Polynesier mit Blumenhemd gesteuert wird, der zwar wenig redet, aber häufig zur Mini-Gitarre greift und heitere Lieder anstimmt. Vielleicht ein alter Freund von Tony Marshall?
Der Schnorchel-Halt ist ein besonderes Erlebnis: Stachelrochen schweben inmitten der Touristenbeine durchs klare Wasser, angefüttert von den Bootsführern. Manchmal streift eine Flosse eine Wade. Außerhalb der flachen Lagune, hinter der Riffkante, wird es noch spektakulärer: Der Bootsführer lockt mit Fischabfällen die Schwarzspitzenriffhaie an. Als zwei größere Zitronenhaie in kreisenden Bewegungen langsam vom Grund nach oben steigen, verlässt den AmateurSchnorchler der Mut. Zügig zurück in Richtung Boot!
Späte Mittagspause auf einem Motu. Für die Besucher wird Ota’ika angerichtet, in Limettensaft und Kokosmilch marinierter Fisch, eine polynesische Spezialität ähnlich dem südamerikanischen Ceviche. Der Tisch steht im flachen Wasser, Fische schwimmen um die Füße herum, und links im Bild thront majestätisch der Otenanu.
Honolulu liegt 4260 Kilometer entfernt, Chile fast 8000 Kilometer und Singapur rund 11 800 Kilometer. Auf der Weltkarte wird das durch die Verzerrung nicht so deutlich. Doch nun fühlt es sich tatsächlich an, als wäre hier, in maximaler Entfernung zur hektischen Moderne, das Paradies aus dem Ozean emporgestiegen.
Raiatea, das sich mit der Nachbarinsel Tahaa ein Korallenriff teilt, erinnert weniger an das Klischeebild der Südsee. Das gebirgige Eiland fällt in zerklüfteten Hängen steil zum Ozean hin ab. Bei der Anfahrt mit dem Schiff verhüllen schwere Wolken die Berge, als grollten sie den Besuchern. Doch Raiatea eignet sich ohnehin eher für Kultur-Sightseeing. Auf der Insel liegt eine der bedeutendsten religiösen und sozialen Kultstätten Polynesiens: Marae Taputapuatea, ein Unesco-Welterbe.
Die Marae, die es überall in Polynesien in verschiedenen Ausprägungen gibt, waren einmal wichtige Landmarken, Orte der Macht und ein Ausdruck der gesellschaftlichen
Hierarchie mit zahlreichen Herrschergeschlechtern. Hier hielten die Polynesier einst Zeremonien ab, riefen ihre Ahnen an und ehrten den Schöpfergott Oro. Und manchmal brachten sie auch Menschenopfer dar.
Wer nach der Geschichtsstunde noch Zeit hat, fährt mit einem Ausflugsboot den Apoomau hinauf, den einzigen schiffbaren Fluss Polynesiens. Oder man setzt nach Tahaa über. Fitte Schwimmer können sich dort am Driftschnorcheln versuchen: Man treibt dabei mit der Strömung durch ein Korallenriff, im besten Fall ohne sich am scharfkantigen Gestein die Haut aufzuritzen. Die Belohnung sind Fotos von Clownfischen, die in Symbiose mit Seeanemonen leben.
Moorea ist wie alle Gesellschaftsinseln ein Vulkaneiland, das durch einen Hotspot unter der Pazifischen Platte entstanden ist: Magma drang dort durch die Erdkruste nach oben. Die Dschungelinsel mit ihrem gewaltigen V-förmigen Gebirgszug könnte als letzter Zufluchtsort der Dinosaurier durchgehen. Die gut 16 000 Einwohner sprechen jedoch gegen Urzeittiere. Sie finden auf der Insel eine brauchbare Infrastruktur vor: Post, Bank, Arzt, Apotheke, Ambulanz, Gendarmerie, Schule. An der Küste im Norden und Nordwesten mit den schönsten Stränden liegen einige Luxushotels. Früher wurde einmal Kaffee angebaut, heute sind es Ananas und die edle Tahiti-Vanille, ein beliebtes Souvenir.
„Es gibt keine giftigen Pflanzen, es ist sehr friedlich“, sagt Hiro Damide bei der Wanderung durch die Wildnis von Moorea. Der einheimische Guide führt eine kleine Gruppe in den Bergwald. Bereits vom Aussichtspunkt Belvedere bietet sich ein großartiger Blick über den Norden der Insel mit der Cook’s Bay. Was aussieht wie Jahrtausende alte Wildnis, ist trotz verworrener Vegetation stark durch den Menschen geprägt. Die Polynesier brachten auf ihrer Expansion in Richtung Osten viele Arten mit, die auf den Inseln zuvor nicht heimisch waren. So geht es vorbei an mächtigen Banyan-Feigenbäumen und meterhohem Bambus, der auf Moorea als Arbeitsmaterial und auch zum Kochen verwendet wird.
Der Wind bläst mehr und mehr Wolken von der See hinein ins Gebirge. Die Berge dienen als Wetterscheide. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich die Feuchtigkeit entlädt. Dass der Regen ausgerechnet am höchsten Aussichtspunkt und somit in maximaler Entfernung zum Parkplatz einsetzt, muss an diesem Tag wohl so sein.