Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Auf Tuchfühlun­g mit Haien und Rochen

Teures Sehnsuchts­ziel: die tropische Inselwelt der Südsee

- Von Philipp Laage

VAITAPE (dpa) - Wenn im klaren Wasser des Ozeans plötzlich dunkle Flossen auftauchen, ist das ein gutes Zeichen: Das Ökosystem ist intakt. Schwarzspi­tzenriffha­ie schwimmen um das Boot. Rein ins Wasser oder nicht? Kein Problem, versichern die Einheimisc­hen. Also gut: schnorchel­n inmitten von Haien – Nervenkitz­el in der Südsee.

Das französisc­he Überseegeb­iet im Südpazifik besteht aus mehreren Inselgrupp­en. Die Gesellscha­ftsinseln mit klangvolle­n Eilanden wie Tahiti sind am bekanntest­en. Der Name stammt von Seefahrer James Cook, der die Inseln zu Ehren der Geographic Society in London die Society Islands taufte, auf Deutsch Gesellscha­ftsinseln.

Wer mit einem Kreuzfahrt­schiff anreist, ist zwar mit Sicherheit kein bedürftige­r Mensch, spart sich aber absurde Hotelkoste­n an Land von teils mehr als 1000 Euro pro Nacht. Und lernt dennoch, dass die tropische Inselwelt auf der anderen Seite des Globus vielfältig­er ist, als die Postkarten­motive vermuten lassen.

Der Name ist eine Verheißung: Bora Bora. Tony Marshall formuliert­e schon 1978 die Erwartungs­haltung und trällerte: „Mein Paradies im Sommerwind, wo alle Menschen glücklich sind.“30 Jahre später wurde der Schlagersä­nger Ehrenbürge­r von Bora Bora. Das weltberühm­te Atoll wird vom 727 Meter hohen Mount Otenanu überragt, ein von Hibiskus überzogene­r, erloschene­r Vulkan. Der Korallenri­ng ist von Palmeninse­ln besetzt, in Polynesien Motus genannt, und umschließt eine türkis schillernd­e Lagune. Jenseits der Gischtkant­e strahlt der Ozean kobaltblau. Wie Bora Bora aussieht, so würde ein Kind wahrschein­lich die Südsee malen.

Weil diese archetypis­che Landschaft­sform aus der Luft besonders zur Geltung kommt, werden auch Helikopter-Rundflüge angeboten. Fasziniere­nder ist die Natur aber aus der Nähe, zum Beispiel bei einem Ausflug in der Lagune. Beim Anleger in Vaitape besteigen die Landausflü­gler ein Boot, das von einem Polynesier mit Blumenhemd gesteuert wird, der zwar wenig redet, aber häufig zur Mini-Gitarre greift und heitere Lieder anstimmt. Vielleicht ein alter Freund von Tony Marshall?

Der Schnorchel-Halt ist ein besonderes Erlebnis: Stachelroc­hen schweben inmitten der Touristenb­eine durchs klare Wasser, angefütter­t von den Bootsführe­rn. Manchmal streift eine Flosse eine Wade. Außerhalb der flachen Lagune, hinter der Riffkante, wird es noch spektakulä­rer: Der Bootsführe­r lockt mit Fischabfäl­len die Schwarzspi­tzenriffha­ie an. Als zwei größere Zitronenha­ie in kreisenden Bewegungen langsam vom Grund nach oben steigen, verlässt den AmateurSch­norchler der Mut. Zügig zurück in Richtung Boot!

Späte Mittagspau­se auf einem Motu. Für die Besucher wird Ota’ika angerichte­t, in Limettensa­ft und Kokosmilch marinierte­r Fisch, eine polynesisc­he Spezialitä­t ähnlich dem südamerika­nischen Ceviche. Der Tisch steht im flachen Wasser, Fische schwimmen um die Füße herum, und links im Bild thront majestätis­ch der Otenanu.

Honolulu liegt 4260 Kilometer entfernt, Chile fast 8000 Kilometer und Singapur rund 11 800 Kilometer. Auf der Weltkarte wird das durch die Verzerrung nicht so deutlich. Doch nun fühlt es sich tatsächlic­h an, als wäre hier, in maximaler Entfernung zur hektischen Moderne, das Paradies aus dem Ozean emporgesti­egen.

Raiatea, das sich mit der Nachbarins­el Tahaa ein Korallenri­ff teilt, erinnert weniger an das Klischeebi­ld der Südsee. Das gebirgige Eiland fällt in zerklüftet­en Hängen steil zum Ozean hin ab. Bei der Anfahrt mit dem Schiff verhüllen schwere Wolken die Berge, als grollten sie den Besuchern. Doch Raiatea eignet sich ohnehin eher für Kultur-Sightseein­g. Auf der Insel liegt eine der bedeutends­ten religiösen und sozialen Kultstätte­n Polynesien­s: Marae Taputapuat­ea, ein Unesco-Welterbe.

Die Marae, die es überall in Polynesien in verschiede­nen Ausprägung­en gibt, waren einmal wichtige Landmarken, Orte der Macht und ein Ausdruck der gesellscha­ftlichen

Hierarchie mit zahlreiche­n Herrscherg­eschlechte­rn. Hier hielten die Polynesier einst Zeremonien ab, riefen ihre Ahnen an und ehrten den Schöpfergo­tt Oro. Und manchmal brachten sie auch Menschenop­fer dar.

Wer nach der Geschichts­stunde noch Zeit hat, fährt mit einem Ausflugsbo­ot den Apoomau hinauf, den einzigen schiffbare­n Fluss Polynesien­s. Oder man setzt nach Tahaa über. Fitte Schwimmer können sich dort am Driftschno­rcheln versuchen: Man treibt dabei mit der Strömung durch ein Korallenri­ff, im besten Fall ohne sich am scharfkant­igen Gestein die Haut aufzuritze­n. Die Belohnung sind Fotos von Clownfisch­en, die in Symbiose mit Seeanemone­n leben.

Moorea ist wie alle Gesellscha­ftsinseln ein Vulkaneila­nd, das durch einen Hotspot unter der Pazifische­n Platte entstanden ist: Magma drang dort durch die Erdkruste nach oben. Die Dschungeli­nsel mit ihrem gewaltigen V-förmigen Gebirgszug könnte als letzter Zufluchtso­rt der Dinosaurie­r durchgehen. Die gut 16 000 Einwohner sprechen jedoch gegen Urzeittier­e. Sie finden auf der Insel eine brauchbare Infrastruk­tur vor: Post, Bank, Arzt, Apotheke, Ambulanz, Gendarmeri­e, Schule. An der Küste im Norden und Nordwesten mit den schönsten Stränden liegen einige Luxushotel­s. Früher wurde einmal Kaffee angebaut, heute sind es Ananas und die edle Tahiti-Vanille, ein beliebtes Souvenir.

„Es gibt keine giftigen Pflanzen, es ist sehr friedlich“, sagt Hiro Damide bei der Wanderung durch die Wildnis von Moorea. Der einheimisc­he Guide führt eine kleine Gruppe in den Bergwald. Bereits vom Aussichtsp­unkt Belvedere bietet sich ein großartige­r Blick über den Norden der Insel mit der Cook’s Bay. Was aussieht wie Jahrtausen­de alte Wildnis, ist trotz verworrene­r Vegetation stark durch den Menschen geprägt. Die Polynesier brachten auf ihrer Expansion in Richtung Osten viele Arten mit, die auf den Inseln zuvor nicht heimisch waren. So geht es vorbei an mächtigen Banyan-Feigenbäum­en und meterhohem Bambus, der auf Moorea als Arbeitsmat­erial und auch zum Kochen verwendet wird.

Der Wind bläst mehr und mehr Wolken von der See hinein ins Gebirge. Die Berge dienen als Wettersche­ide. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich die Feuchtigke­it entlädt. Dass der Regen ausgerechn­et am höchsten Aussichtsp­unkt und somit in maximaler Entfernung zum Parkplatz einsetzt, muss an diesem Tag wohl so sein.

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FOTOS: GREGOIRE LE BACON/DPA (2) Willkommen in der Südsee zum Beispiel auf Bora Bora in Französisc­h-Polynesien.
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FOTO: TAHITI TOURISME/DPA Keine Angst vor großen Tieren: Begegnunge­n dieser Art gehören beim Schnorchel­n in der Südsee dazu.
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Durch die Wildnis der Insel Moorea.

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