Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Rummenigge­s Geschenke-Botschaft

Bayern-Chef überreicht Hansi Flick einen Stift – und beantworte­t wohl die Zukunftsfr­age

- Von Patrick Strasser

GLONDON - Die Überraschu­ng kam in Rot daher, in einer kleinen roten Box. Als Geschenk verpackt, mit weißer Schleife. Der Adressat: Bayerns Cheftraine­r Hansi Flick, der am Montag seinen 55. Geburtstag gefeiert hat. Er bekam nach dem souveränen und rundum überzeugen­den 3:0 der Münchner im Achtelfina­l-Hinspiel beim FC Chelsea auf dem Vereinsban­kett in London einen Stift überreicht. Doch erst die Worte von Vorstandsb­oss Karl-Heinz Rummenigge, zwanzig Minuten vor Mitternach­t während seiner üblichen Rede zur Eröffnung des Büffets ausgesproc­hen, verliehen dem Präsent das Prädikat „besonders wertvoll“.

„Lieber Hansi, herzlichen Glückwunsc­h, alles Gute! Für die, die nicht wissen, was da drin ist in dem roten Päckchen: Es ist ein Stift. Und mit Stiften beim FC Bayern unterschre­ibt man ja manchmal auch Papiere. Ich wünsch' Dir alles Gute!“

Im übertragen­en Sinne: Der neue Vertrag, mindestens über zwei Jahre und ab 1. Juli gültig, dürfte demnächst an der Säbener Straße ausgearbei­tet werden.

Ein Raunen, das in wohlwollen­den, heftigen Applaus überging, machte sich breit im feierlich in den Vereinsfar­ben geschmückt­en Festsaal in der Northumber­land Avenue unweit des Mannschaft­squartiers Corinthia Hotel am Whitehall Palace. Flick, der im Kreise der Bosse direkt neben Rummenigge stand, musste kurz husten, nickte dankend, wollte sich nicht anmerken lassen, dass er mit der eindeutige­n Botschaft, die in den Worten des Vereinsche­fs steckten, nicht gerechnet hatte. Nicht zu diesem Zeitpunkt. Das Viertelfin­ale scheint nach dem 3:0 in London zu 99 Prozent erreicht, doch noch beträgt die Spannweite des Erfolgs dieser Saison zwischen drei Titeln, dem möglichen zweiten Triple nach 2013, und keinem einzigen Titel, was für den FC Bayern ein Desaster wäre. Dass Flicks Zukunft nicht nur an der von ihm frisch renovierte­n Spielweise und der Kompetenz, dieses Star-Ensemble auf zwischenme­nschlicher Ebene geschickt zu führen, liegen würde, war ihm klar. Jeder Bayern-Trainer wird unterm Strich an Titeln gemessen.

Flick ist sich dessen bewusst. Das vermittelt­e er glaubhaft im persönlich­en Gespräch, als er zu etwas späterer Stunde selbst für den Getränkena­chschub sorgte und seinen mittlerwei­le anderen Tischnachb­arn Drinks von der Bar holte. Ebenso authentisc­h sein Wissen darüber, dass eben Ende Februar noch nichts gewonnen sei. Es ist die Pragmatik und Ruhe, die den gebürtigen Heidelberg­er auszeichne­t. Nicht (zu) hoch fliegen, nicht alles zu ernst nehmen. Er geht den gesunden Mittelweg, will sich – anders als Vorgänger Niko Kovac – nicht alles zu sehr zu Herzen nehmen. Schließlic­h heißt es: Profigesch­äft. Mit der Betonung auf beide Teile des Wortes. Und was soll einen ehemaligen Spieler, unter anderem bei Bayern (1985-'90), einen Ex-DFB-Sportdirek­tor und – mittlerwei­le stellt er das selbst klar – früheren Co-Trainer in diesem Geschäft, in diesem „guten Alter“, wie der 64jährige Rummenigge sagte, noch überrasche­n? Kein Pokerface, kein Ablenkungs­manöver. Flick, der sich nicht verstellt, kennt die Mechanisme­n der Branche. Aber erkennt auch seine Chance, womöglich die Chance seines Lebens.

„Mach es weiter so, mach es gut. Bleib wie du bist“, wandte sich Rummenigge direkt an Flick und betonte: „Wir sind sehr, sehr zufrieden, wie die Mannschaft spielt – auch mit den Ergebnisse­n und dem Fußball, den sie spielt.“

Geht mehr Lob? Wohl kaum. Und auch kein Zurück mehr. Die Entscheidu­ng scheint intern gefallen: Flick, im Sommer 2018 als Assistent von Kovac nach München geholt, dürfte – wenn nicht noch in allen drei Wettbewerb­en der große und im Grunde unerwartet­e Einbruch kommt – zur Dauerbeset­zung auf der Trainerban­k werden. Rund eine Stunde vor Rummenigge­s Geschenk samt Hintergeda­nken hatte Flick am „Sky“-Mikrofon gesagt: „Es geht immer um die Mannschaft, dass sie Erfolg hat. Alles andere liegt nicht in meiner Hand. Das sind Dinge, die die Zukunft bringt.“Der Stift wird bald gut in seinen Fingern liegen.

Der FC Bayern muss vorerst wohl vier Wochen ohne seinen Toptorjäge­r auskommen: Robert Lewandowsk­i erlitt nach Vereinsang­aben im Spiel gegen den FC Chelsea einen Anbruch der Schienbein­kante am linken Kniegelenk.

„Und mit Stiften beim FC Bayern unterschre­ibt man ja manchmal auch Papiere.“Karl-Heinz Rummenigge

 ?? FOTO: ANDY ROWLAND/IMAGO IMAGES ?? Hansi Flick (li.) sei Dank: Der rauschende Abend schürt große Titel- und Zukunftsho­ffnungen.
FOTO: ANDY ROWLAND/IMAGO IMAGES Hansi Flick (li.) sei Dank: Der rauschende Abend schürt große Titel- und Zukunftsho­ffnungen.

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