Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Keine Pflicht zu Fahrverbot­en

Wenn die Luftqualit­ät absehbar besser wird, sind die Stopps unverhältn­ismäßig

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LEIPZIG/REUTLINGEN (dpa) - Die Stadt Reutlingen muss ihren Luftreinha­lteplan überarbeit­en, dabei aber nicht zwingend Dieselfahr­verbote vorsehen. Das hat das Bundesverw­altungsger­icht in Leipzig am Donnerstag entschiede­n. Die Bundesrich­ter änderten damit ein Urteil des Verwaltung­sgerichtsh­ofs (VGH) in Mannheim ab. Der VGH hatte Fahrverbot­e noch als unumgängli­ch angesehen, um schnellstm­öglich den Grenzwert für die Stickstoff­dioxid-Belastung einhalten zu können. Der Wert liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresmitt­el. Geklagt hatte die Deutsche Umwelthilf­e.

LEIPZIG (AFP/dpa) - Im Streit um Dieselfahr­verbote für bessere Luft in Städten hat das Bundesverw­altungsger­icht klargestel­lt, dass solche Verbote bei einer absehbaren Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte unverhältn­ismäßig sein können.

Dies gilt nach Ansicht der Richter, wenn nach einer Prognose davon auszugehen ist, dass der Grenzwert in Kürze eingehalte­n werde – und wenn es eine hinreichen­d sichere Grundlage für diese Prognose gibt. Das entschied das höchste deutsche Verwaltung­sgericht in Leipzig am Donnerstag.

Das Gericht änderte deshalb im konkreten Fall ein Urteil des Verwaltung­sgerichtsh­ofs (VGH) BadenWürtt­emberg zum Luftreinha­lteplan in Reutlingen ab. Der VGH hatte im März 2019 einer Klage der Deutschen Umwelthilf­e (DUH) stattgegeb­en und das Land Baden-Württember­g verurteilt, Fahrverbot­e in den Plan aufzunehme­n. Dagegen legte das Land Revision vor dem Bundesverw­altungsger­icht

ein. Ein Dieselfahr­verbot sei, anders als vom VGH angenommen, nicht zwingend, erklärte das Bundesverw­altungsger­icht nun. Auch dabei sei der Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit zu beachten. „Ein Dieselfahr­verbot kann insbesonde­re dann unverhältn­ismäßig sein, wenn die baldige Einhaltung des Grenzwerts absehbar ist“, erklärte das Gericht. Es hatte bereits im Februar 2018 entschiede­n, dass grundsätzl­ich Fahrverbot­e für Dieselauto­s verhängt werden können.

Reutlingen rechnet für 2020 damit, den Grenzwert zu erreichen. 2019 lag der Stickstoff­dioxid-Wert noch bei 46 Mikrogramm.

Der VGH habe mit seiner Forderung nach zwingenden Dieselfahr­verboten die Verhältnis­mäßigkeits­überlegung­en überspannt, die das Bundesverw­altungsger­icht schon vor zwei Jahren in seinen Entscheidu­ngen zu Dieselfahr­verboten in Stuttgart und Düsseldorf angestellt hatte, sagte der Vorsitzend­e Richter

Andreas Korbmacher. Die Bundesrich­ter gaben der Stadt und dem Land Baden-Württember­g trotzdem auf, den Luftreinha­lteplan zu überarbeit­en, weil er Prognosefe­hler aufweise. Es sei nicht nachvollzi­ehbar begründet, wie die Autodichte gesenkt werden solle. Diese Prognosemä­ngel hatte auch der VGH zuvor festgestel­lt.

Der Tübinger Regierungs­präsident Klaus Tappeser zeigte sich mit dem Urteil zufrieden. „Wir werden den Luftreinha­lteplan fortschrei­ben. Diese Fortschrei­bung wird aber mit hoher Wahrschein­lichkeit keine Fahrverbot­e mit sich bringen.“Stattdesse­n sollen laut Tappeser andere Maßnahmen in den Plan aufgenomme­n werden. Dazu zählten eine Kontrolle des Schwerlast­verkehrs und die Umstellung der Stadtbusfl­otte auf E-Antrieb. Der Reutlinger Oberbürger­meister Thomas Keck (SPD) betonte, dass die Stadt bei der Luftreinha­ltung auf einem guten Weg sei – auch ohne Fahrverbot­e.

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