Ungewöhnlich, aber erfolgreich
Reinhard Stengel aus Rottenacker betreibt eine Akademie für Seelenschamanismus und ist international bekannt
Reinhard Stengel aus Rottenacker betreibt eine Akademie für Schamanismus.
GROTTENACKER - Seine Bücher verkaufen sich weltweit, doch in seiner Heimatregion kennen ihn wenige für seine Arbeit. Reinhard Stengel betreibt seit zehn Jahren eine Akademie für Seelenschamanismus in Rottenacker, seine Klienten kommen aus aller Herren Länder. Unscheinbar und schlicht wirkt das Gebäude außen und innen – ganz anders, als das Bild, das einem bei dem Wort Schamanismus in den Sinn kommen könnte. Und auch Reinhard Stengel selbst trägt weder ausgefallenen Kopfschmuck noch gibt er mit heilenden Kräften an. Doch sein voller Terminkalender und die Menge an verkauften Büchern im Jahr machen deutlich: Viele können sich für seine Angebote öffnen.
Seine Botschaft: „Jede Krankheit hat einen seelischen Hintergrund.“Bevor innere Blockaden nicht gelöst würden, sei es ein weiter Weg zur Heilung. Deshalb kommen so viele verschiedene Menschen zu ihm und hoffen, dass Stengel ihnen diese Blockaden aufzeigen kann. „Die Schulmedizin ist natürlich ein wichtiger Baustein, das darf man nicht einfach verteufeln. Aber nur wenn sich die seelischen Blockaden lösen, kann diese Medizin greifen“, ist Stengel überzeugt.
Geboren wurde der Seelenschamane in Wien, doch schon seine Kindheit verbrachte er in Deutschland. In Friedrichshafen wuchs er auf – und schon bald stellte er fest, dass er irgendwie anders war als der Rest. Statt mit seinen Schulkameraden zu raufen oder zu spielen, zog es ihn in die Natur, wo er Zeit mit sich allein verbrachte. Von den Mitschülern wurde er ausgegrenzt, doch Reinhard Stengel stand zu sich und seinen Überzeugungen. So kam es auch mal vor, dass er einem Altersgenossen nach einem Sturz die Hand auflegte und die Schmerzen somit lindern wollte.
Als sich Stengel dann für einen Beruf entscheiden musste, wählte er den des Kfz-Mechanikers – denn neben der Natur hatten ihn auch Autos fasziniert. Nach der Lehre machte er sich selbstständig, pachtete eine Tankstelle mit Werkstatt und steckte seine Energie zu 100 Prozent in seinen Traum: ein eigenes Autohaus. „Statussymbole traten mehr und mehr in den Fokus meiner Begierden. Wir hatten mehrere Mitarbeiter und verkauften Autos am laufenden Band“, so Stengel. Von der Liebe zur Natur war wenig übrig geblieben, und so drehte sich das Rad um Geld, Wohlstand und Macht – bis sein Körper 1986 die Reißleine zog und ihm einen Herzinfarkt bescherte. „Nimm dir eine Auszeit, wenn du noch eine Weile leben willst“, riet der Arzt. Die Einsicht ließ nicht lange warten, und so verschlug es Stengel in die USA.
Die Reise sollte sein Leben komplett verändern. In einem Indianerreservat in Montana lernte Stengel einen Schamanen kennen, das Angebot zu einer Ausbildung dort nahm er sofort an, ohne lange nachzudenken. Sein Lehrer gab ihm am Ende den Namen Rainbowman (zu deutsch Regenbogenmann), weil sich im Augenblick laut Stengel ein Regenbogen direkt hinter ihm erstreckte.
Doch zurück in Deutschland angekommen, zog es den frisch ausgebildeten Schamanen schnell wieder in den alten Trott. Das eigene Geschäft, der Wohlstand und die Verpflichtungen hatten ihn bald wieder fest im Griff, ein zweiter Herzinfarkt folgte. Und auch nach einem Neustart als Unternehmensberater, nachdem er sein Autohaus verkauft und seine damalige Frau ihn verlassen hatte, war keine Aussicht auf Besserung seiner
Gesundheit in Aussicht. Er erlitt 2004 einen dritten Herzinfarkt, der so heftig war, dass drei Stents gesetzt wurden. „Ich fühlte mich gänzlich verloren, lag zwischen den Geräten und fragte mich, wie ich hier nur hatte hingelangen können.“
Seine heutige Frau Petra-Maria war es, die ihm dann Mut zusprach und auf die Idee brachte, das in Montana Erlernte vor vielen Jahren jetzt in seinen Lebensmittelpunkt zu rücken. Er las sich in zahlreiche Bücher ein, lauschte Vorträgen und besuchte andere Schamanen, bildete sich weiter. Dann entschloss er sich schließlich dazu, seine eigene Schule für Seelenschamanismus zu eröffnen, die nun seit zehn Jahren in Rottenacker in der Grundlerstraße untergebracht ist.
Stengel betont: „Ich heile niemanden. Ich kann nur dabei helfen, den Menschen zu seiner eigenen Mitte zu bringen.“Das, was er in seinen Seminaren und Ausbildungen anbietet, sei das Auflösen von Blockaden. „Nicht die Darstellung des Menschen nach außen ist wichtig, sondern der Ausdruck seiner Seele. Und die benutzt den Körper, um zu kommunizieren.“Durch den Körper – sei es über die Finger, die Haut oder die Position der Beine – könne Stengel erkennen, welche Blockaden ein Mensch besitzt und welche es gilt, zu lösen. Er nennt Beispiele: „Du hast Probleme mit deinen Knien. Schmerzen in den Knien bedeuten, dass du dich für andere knechtest. Probleme mit der Lunge deuten darauf, dass du nicht in Freiheit lebst und dir Raum zum Atmen schaffen musst, zum Leben.“
Mit seinem Angebot ist Stengel international bekannt und erfolgreich. Seine Bücher erscheinen in mehr als zehn verschiedenen Sprachen, eines der Bücher gilt als Bestseller. Der Seelenschamane gibt inzwischen Vorträge und Seminare auf der ganzen Welt. 300 Tage im Jahr verbringe er in Hotelzimmern.
Und sein Kundenstamm? Der sei bunt gemischt. „Von der Hausfrau über Geschäftsleute mit mehreren Hundert Mitarbeitern bis zum Rechtsanwalt habe ich Teilnehmer dabei“, erzählt er und ergänzt: „Zu mir kommen Leute aus Russland, Tschechien, Holland oder sonst wo mit ihren Dolmetschern und wollen erfahren, wie sie ihre Blockaden lösen können.“
Auch viele bekannte Politiker und Promis seien Klienten von ihm. „Über die Politiker darf ich natürlich nichts sagen“, betont Stengel. Willkommen ist jeder, eine Prämisse für seine Kunden hat er jedoch: „Ich würde nie zu jemandem sagen: Komm, ich heile dich. Die Menschen müssen von sich aus zu mir kommen.“Geld sei dabei auch kein primärer Anreiz, auch wenn er mit seinen Büchern und Seminaren natürlich seinen Lebensunterhalt bestreiten muss. „An Kindern beispielsweise möchte ich nichts verdienen. Denen helfe ich ohne Bezahlung“, sagt der 70-Jährige.
Schlimme Schicksale hätte er durch seine Arbeit bisher erfahren, vor allem bei Kindern. Er erinnert sich an eine Mutter, deren 18 Monate altes Kind jeden einzelnen Tag zahlreiche epileptische Anfälle hatte. „Meine erste Intuition war, dass es ein Schockerlebnis in der Schwangerschaft gab. Die Mutter hat das lange verneint, aber dann doch davon erzählt, dass sie im vierten Monat daran dachte, abzutreiben. Als wir das dann zusammen verarbeiteten, nahmen die Anfälle ihres Sohnes ab und sind bis heute nicht mehr aufgetreten.“Auch für sich selbst habe Reinhard Stengel positive Erfahrungen für seine Gesundheit machen können: „Seit meinem letzten Herzinfarkt 2004 hatte ich keinen einzigen mehr, und auch mein damals prognostizierter Prostatakrebs kam nicht zurück.“
Bekehren möchte Reinhard Stengel niemanden, auch wenn ihn jemand als Spinner abtut, sei das kein Grund, betrübt zu sein. Eines jedoch möchte er jedem ans Herz legen: „Ich wünsche mir, dass die Menschen eigenverantwortlicher denken und mehr auf sich selbst achten. Man wird in der heutigen Welt so unter Druck gesetzt und nimmt sich zu wenig Zeit für sich selbst.“
„Wir hatten mehrere Mitarbeiter und verkauften Autos am laufenden Band.“Reinhard Stengel über seine frühere Karriere.