Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der Urlaub und die Angst

Reisebranc­he registrier­t wegen des Coronaviru­s Verunsiche­rung bei Kunden – Anbieter im Südwesten weitgehend gelassen

- Von Mischa Ehrhardt, Helena Golz und Simon Siman

GFRANKFURT/RAVENSBURG - Die Reisebranc­he in Deutschlan­d stellt sich auf unsichere Zeiten wegen des Ausbruchs des Coronaviru­s ein. Zumindest registrier­en die Reiseveran­stalter eine Zurückhalt­ung, was Urlaubsbuc­hungen zu Beginn des Jahres angeht. „Wir sehen uns einem herausford­ernden Jahr gegenüber“, sagte Norbert Fiebig, Präsident des Reisewirts­chaftsverb­andes DRV am Donnerstag in Frankfurt. „Wir stellen eine zunehmende Verunsiche­rung bei Kunden fest.“Zu spüren sei die Buchungszu­rückhaltun­g insbesonde­re bei Reisen nach Asien. Bei Buchungen für Sommerurla­ube insgesamt verzeichne­t die Reisewirts­chaft zu Jahresbegi­nn ein Minus von etwa drei Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Wie stark sich die Corona-Epidemie tatsächlic­h auswirken wird, sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzuschätz­en. Die Branche hofft aber darauf, dass die Epidemie rasch eingegrenz­t werden kann – und Buchungen dann nachgeholt werden. Auch könnte dann das Last-MinuteGesc­häft stärker ausfallen und mögliche Flauten bei den Frühbuchun­gen wieder ausgleiche­n. Denn grundsätzl­ich seien die Deutschen in Urlaubslau­ne. Im vergangene­n Reisejahr gaben die Deutschen laut DRV für ihren Urlaub insgesamt 98,1 Milliarden Euro aus. Das waren 3,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

„Ich persönlich rechne nicht mit einer katastroph­alen Entwicklun­g, so dass keiner mehr in den Urlaub fährt“, sagte Fiebig. Er sei zuversicht­lich, dass die Branche ein ordentlich­es Jahr hinlegen werde. „Je länger aber diese Krise anhält und je länger das nicht verlässlic­h gelöst ist, desto stärker wird natürlich auch die Reisebranc­he betroffen sein.“Und das gelte nicht nur für Urlaubs- sondern auch Geschäftsr­eisen.

Neben Asien dürften auch andere Reiseziele bei möglichen Urlaubern aktuell eher Sorgen als Buchungen hervorrufe­n. In Norditalie­n klagen Hoteliers über schwere Einbußen. In der Region war in der Stadt Codogno der erste Patient Italiens positiv auf das Coronaviru­s getestet worden. Mehrere Gemeinden in der Provinz Lodi rund 60 Kilometer von Mailand entfernt wurden isoliert, die Straßen Codognos gleichen einer Geistersta­dt. Doch auch die Wirtschaft­smetropole Mailand selbst ist betroffen.

Für die dortige Tourismusb­ranche kommt erschweren­d hinzu, dass mehrere Länder mittlerwei­le vor Reisen in das Land warnen. Das USAußenmin­isterium etwa fordert Amerikaner auf, bei Reisen nach Italien Vorsicht walten zu lassen. Russland empfiehlt seinen Reiseagent­uren kurzerhand, das südeuropäi­sche Land zu meiden. Einige Fluggesell­schaften haben schon Verbindung­en nach Mailand eingestell­t.

Und wie reagieren Reiseanbie­ter aus Baden-Württember­g? Rund drei Stunden von Mailand entfernt, in der Provinz Padua, ist der Busreisena­nbieter Ehrmann aus Bad Wurzach im Landkreis Ravensburg derzeit mit einer Reisegrupp­e unterwegs. „Wir sind im Kontakt mit dem Busfahrer und laut ihm ist alles ok“, sagt Ralf Hofmeister, Marketingl­eiter von Ehrmann auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Unter den Teilnehmer­n habe es keine Stornierun­gen gegeben. „Wir haben allerdings eine Mailand-Reise aus unserem Programm abgesagt, die für Mai geplant war“, sagt Hofmeister. „25 Personen waren bereits für die Reise vorgemerkt, aber wir haben zu viele Absagen bekommen, weil die Leute durch die aktuellen Ereignisse verunsiche­rt sind.“

Eine Sprecherin der Center Parcs Group gibt Entwarnung. Im Center Parcs Allgäu hätten keine Besucher ihre Reise wegen des Cornonavir­us abgesagt. In allen Parks gebe es grundsätzl­ich einen Maßnahmenk­atalog für jegliche Art von Virenausbr­eitung.

Kreuzfahrt­reisenanbi­eter Holdenried aus Heimenkirc­h im Landkreis Lindau registrier­t derweil Kunden, die beunruhigt anrufen. Geschäftsf­ührer Günther Holdenried sagt: „Es gibt einige wenige Kunden, die fragen, ob es gefährlich ist, jetzt eine Kreuzfahrt zu machen.“Holdenried verneint das. Natürlich sei Vorsicht immer geboten, „Sauberkeit, Händewasch­en, Hygiene einhalten“, das sei immer Voraussetz­ung, aber es gebe keinen Grund zur Aufregung. „Wenn eine Kreuzfahrt zu gefährlich wäre, dann wird sie von der Reederei abgesagt. Dann kann man kostenlos zurücktret­en, aber das ist nicht der Fall“. Keine Kreuzfahrt habe der Anbieter bisher stornieren müssen. Die Gäste müssten, wie bereits seit langer Zeit üblich, einen Fragebogen ausfüllen ob sie beispielsw­eise Fieber oder Husten haben bevor sie an Bord gehen, aber sonst spiele sich das Leben auf den Kreuzfahrt­schiffen ganz normal ab.

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