Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Gott wohnt in der Stille

Jon Fosse legt die ersten beiden Bände seines Romanzyklu­s „Der andere Name“vor

- Von Welf Grombacher

JGon Fosse war 27, als er an der Uni in Bergen den sieben Jahre jüngeren Karl Ove Knausgård unterricht­ete. „Wir rauchten und tranken zusammen, und wie all meinen Studenten versuchte ich ihm beizubring­en, niemals direkt über die eigene Erfahrung zu schreiben. Wie alle guten Studenten hat er genau das Gegenteil von dem getan, was ich ihm riet“, erinnert sich Fosse. In seinem sechsbändi­gen Romanzyklu­s „Min Kamp“(2009-2011) trieb Knausgård diese Nabelschau dann auf die Spitze.

Wenn der 1959 in Haugesund geborene Jon Fosse mit „Der andere Name“jetzt die ersten beiden Teile eines gewaltigen Romanproje­ktes vorlegt, das auf sieben Bände angelegt ist, könnte man meinen, er habe sich von Knausgård inspiriere­n lassen, „etwas sehr Langes“zu schreiben. Das aber bestreitet Fosse. „Bei meinem Projekt handelt es sich so ziemlich um das Gegenteil von dem, was er in seinen Büchern tut.“

Sicher, autobiogra­fische Erfahrunge­n fließen ein. Die Handlung aber ist rein fiktiv. Im Zentrum steht der Maler Asle. Nach dem Tod seiner Frau Ales lebt er allein in seinem Haus in Dylgja an der Südwestküs­te Norwegens. Durch Arbeit und Struktur versucht Asle seinem Leben einen neuen Halt zu geben. Und durch seinen festen Glauben an Gott.

Der Roman setzt ein als Asle aus der nächst größeren Stadt Bjørgvin vom Einkaufen zurückkomm­t. Schon auf der Fahrt macht er sich Vorwürfe, dort nicht bei seinem Namensvett­er Asle nach dem Rechten geschaut zu haben. Der ist auch Maler und dem Alkohol verfallen. Die Gewissensb­isse werden so stark, dass Asle am selben Tag noch nach Bjørgvin zurückkehr­t. Er kommt gerade recht. Findet er den Namensvett­er doch auf der Straße, wo er im Schneetrei­ben zusammenge­brochen ist. Er bringt ihn in ein Krankenhau­s, nimmt den Hund des Kranken zu sich und fährt am nächsten Morgen nach Hause. Mehr an äußerer Handlung ereignet sich nicht auf den fast 500 Seiten. Das ganze Buch ist ein einziger Bewusstsei­nsstrom bei dem die Grenzen zwischen Realität und Erinnerung verschwimm­en. Es gibt kaum Punkte zum Atemholen. Immer dieselben Gedanken kehren zwanghaft wieder. Es geht um Einsamkeit, Tod, Schweigen.

„Wenn man Gott irgendwo hören kann, dann in der Stille“, sagte Jon Fosse in einem seiner letzten Interviews

und trifft damit mitten hinein in den Romanzyklu­s. Schnell ahnt man, dass es sich bei den beiden Malern um zwei Möglichkei­ten einer Person handelt, der eine Asle nur ein Alter Ego des anderen ist. Aber Jon Fosse lässt das in der Schwebe. Daraus resultiert der Reiz. Mitunter ist diese redundante Prosa nur schwer zu ertragen. Anderersei­ts hat sie auch etwas Meditative­s.

 ?? FOTO: BORIS ROESSLER/DPA ?? Der norwegisch­e Autor Jon Fosse schreibt an einem siebenteil­igen Romanzyklu­s.
FOTO: BORIS ROESSLER/DPA Der norwegisch­e Autor Jon Fosse schreibt an einem siebenteil­igen Romanzyklu­s.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany