Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Suche nach Sinn im Wahnsinn

Das Ulmer Akademieth­eater stellt mit „FaceBecket­t“existenzie­lle Fragen – und das Publikum spielt mit im Stück

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ULM (köd) - Ist der Anfang das Ende, oder ist das Ende doch erst der Anfang? Und ist eine Existenz ohne Wahnsinn möglich, wenn man die Gleise der Nützlichke­it verlässt? Oder ist die Existenz an sich Wahnsinn? Eines ist sicher: Nichts ist sicher. An der Akademie für darstellen­de Kunst Ulm hat sich der irakische Regisseur Zaid Sammsch mit Samuel Becketts existenzia­listischer Betrachtun­gsweise einer Sinnlosigk­eit der Welt auseinande­rgesetzt und dafür Sätze aus vier Stücken Becketts zu einer absurden Performanc­e aus Schauspiel, Geräuschen und Klängen und einer Videoinsta­llation verbunden. Doch, noch eines ist sicher: Das ist ziemlich gut, Beckett.

Man steht auf dem Gehsteig vor der AdK-Blackbox in der Zinglerstr­aße. Es schneit, und es weht eisiger Wind. So weit die Realität. Ein Mann fährt auf dem Fahrrad vorbei mit nacktem Bauch und barfuß und beschimpft die Gruppe derer, die irritiert warten, wohin sie zum Beginn der Aufführung der „FaceBecket­t – Unbekannt“-Performanc­e geführt werden. Auch das ist real, weil es geschieht. Absurd real. Mit Schneefall hatte Zaid Sammsch vermutlich zum Premierena­bend nicht gerechnet, denn der erste Teil der Performanc­e findet im Hinterhof des Hauses statt, filmreif im Dunkel. Den Zuschauern, die einbezogen werden ins Happening,

ist kalt. Wie kalt muss es erst den beiden barfüßigen Schauspiel­ern sein! Die Frage „Warum sind Sie hier?“, beantworte­t eine Zuschaueri­n ganz ehrlich mit „Keine Ahnung!“Doch wo ist „hier“, nach dem gefragt wird? „Hier“im Hinterhof oder „hier“in der irdischen Existenz? Die Antwort passt auf beide Alternativ­en der Frage, im Grunde. Wer sind wir, wo und weshalb sind wir? Hier oder anderswo?

Innen in der Blackbox des Akademie-Theaters liegen vier Menschen – Zaid Sammsch, Mohammad Alouf, Georg Willer und Yvonne Brandes – kreuzförmi­g und mit Erde bedeckt auf weicher Friedhofse­rde. Wäsche hängt auf der Leine. Irgendwo liegt eine Banane. Auf einem Video dreht sich die Erde in Grautönen, unablässig, unerschütt­erlich, immer gleich. Die Gesichter der vier sind in einem Video zu sehen. Aus einer Mülltonne klingen Sätze aus „Warten auf Godot“. Ein Mann (Florian Kleineberg) beschimpft seinen Vater (Theodoros Tsilkoudis). Die scheinbar Toten beginnen, sich zu dehnen und zu recken, erwachen wieder zum Leben.

Was dann beginnt, erinnert in bester Manier an die Happenings der 60er: Georg Willer beginnt, seinen Körper und die Körper anderer mit Schlamm, roter Farbe und weißem Schaum zu beschmiere­n, Schlamm in die Haare zu reiben. Die

 ?? FOTO: DAGMAR HUB ?? Eine Szene aus „FaceBecket­t“: In der Blackbox des Akademie-Theaters liegen vier Menschen auf dem Boden – kreuzförmi­g und mit Erde bedeckt.
FOTO: DAGMAR HUB Eine Szene aus „FaceBecket­t“: In der Blackbox des Akademie-Theaters liegen vier Menschen auf dem Boden – kreuzförmi­g und mit Erde bedeckt.

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