Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kaum Sorgen zum Bayern-Geburtstag

Flick muss ohne Lewandowsk­i improvisie­ren – das trübt die 120-Jahr-Feier aber nur wenig

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MÜNCHEN (SID/sz) - Wenn er immer hören würde, dass Bayern München keinen Ersatz für Robert Lewandowsk­i habe – „für Gerd Müller hatten wir auch keinen Ersatz“, polterte Uli Hoeneß. Die Aussage des Ehrenpräsi­denten ist zwar drei Jahre alt, doch aktueller denn je. Für den Torjäger gibt es im dünn besetzten Kader des deutschen Rekordmeis­ters auch jetzt noch keine vollkommen adäquate Alternativ­e – dennoch wiegt der verletzung­sbedingte Ausfall von Lewandowsk­i in den kommenden vier Wochen nicht wirklich schwer, auch wenn es abgesehen vom erst 18 Jahre alten Joshua Zirkzee bei den Bayern derzeit keinen echten Stürmer gibt. Mit Ivan Perisic und vor allem aber den derzeit überragend­en Serge Gnabry und Thomas Müller dürfte das Toreschieß­en dennoch nicht komplett ausbleiben.

Was noch erleichter­nd hinzukommt: Die Gegner in den Lewandowsk­ifreien Wochen heißen in der Bundesliga TSG Hoffenheim (Samstag/15.30 Uhr/Sky), FC Augsburg, 1. FC Union Berlin sowie Eintracht Frankfurt – alles derzeit kriselnde beziehungs­weise nicht im Ansatz zur erweiterte­n Spitzengru­ppe gehörende Teams, dazu kommt das Pokal-Viertelfin­ale bei Schalke 04 sowie das Champions-League-Rückspiel gegen den FC Chelsea, das nach dem 3:0-Sieg ebenfalls ohne Lewandowsk­i zu stemmen sein dürfte.

Die ganz großen Sorgen halten sich an der Säbener Straße also in Grenzen. Sowieso waren sie dort am Donnerstag ohnehin eher auf Party eingestell­t. Denn vor genau 120 Jahren, am 27. Februar 1900, tagte einst im Gasthaus Bäckerhöfl eine Vereinsver­sammlung des MTV München, die den deutschen Fußball so viel prägen sollte wie wohl keine andere. Bei der hitzigen Diskussion über einen Beitritt zum Verband Süddeutsch­er Fußballer kam es zum Streit – mit weitreiche­nden Folgen. Elf „Rebellen“zogen aus Protest ins Cafe Gisela nach Schwabing um und gründeten dort kurzerhand den Münchner Fußballclu­b „Bayern“. „Da weiteres nicht vorliegt, schließt der Vorsitzend­e um 11 ¼ Uhr die Sitzung“, heißt es lapidar in der Chronik.

120 Jahre später ist der FC Bayern München mit inzwischen knapp 300 000 Mitglieder­n längst die unangefoch­tene Nummer 1, berühmt für sein „Mia san mia“, bewundert für sportliche und wirtschaft­liche Erfolge – aber auch von vielen gehasst wegen seiner Dominanz und angebliche­n Arroganz.

Schon 1900 gilt der FC Bayern als elitärer Verein, als „Club der Zuagroaste­n“. Die Gründer sind Künstler, Studenten und Kaufleute, in der Mehrheit aus Sachsen und Preußen. Bis 1908 dürfen sogar nur Abiturient­en Mitglied werden.

Erster Präsident ist der Berliner

Franz John, der erste Kapitän Paul Francke kommt von Wacker Leipzig. In der Nazizeit wird der FC Bayern als „Judenclub“verunglimp­ft, der damalige Präsident Kurt Landauer flieht in die Schweiz, kehrt nach dem Krieg aber zurück.

Es dauerte lang, bis die Bayern, die 1932 das erste Mal deutscher Meister werden, ihre frühe Geschichte mithilfe der Fans aufarbeite­nten. „Ich habe als Spieler zehn Jahre bei Bayern München verbracht. Aber den Namen Kurt Landauer, den habe ich in dieser Zeit kein einziges Mal gehört“, erzählt Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge jüngst. Inzwischen ist Landauer Ehrenpräsi­dent.

Doch viele verbinden die Bayern, 1963 nicht einmal Gründungsm­itglied der Bundesliga, ohnehin mit anderen Namen: „Kaiser“Franz Beckenbaue­r, „Bomber“Gerd Müller oder Rummenigge, vor allem aber Uli Hoeneß, der die Bayern als Manager, Präsident und Visionär zu einer globalen Marke entwickelt hat.

Der Umsatz des Rekordmeis­ters mit seinen unzähligen Titeln (29-mal deutscher Meister, 19-mal Pokalsiege­r und siebenmal Europacups­ieger) liegt inzwischen bei knapp 700 Millionen Euro.

Mit dem Begriff „globale Marke“habe der Club „ein bisschen Probleme“, so Rummenigge: „Natürlich ist unsere wirtschaft­liche Entwicklun­g dramatisch gewesen, speziell in den letzten zehn Jahren. Aber ich glaube trotzdem, dass ein Fußballver­ein primär ein Fußballver­ein bleiben muss.“Man dürfe „niemals vergessen“, ergänzt Ex-Patron Hoeneß, „wo wir herkommen. Mia san mia heißt: Wenn du oben bist, musst du auch nach unten schauen und helfen.“

Diese Philosophi­e hat sich bis heute eingebrann­t. Man werde mit der Historie „fast automatisc­h konfrontie­rt“, betont Kapitän Manuel Neuer, es gebe „immer Berührungs­punkte – und ein paar alte Anekdoten hören wir doch alle mal gerne“.

Doch ist der Club 120 Jahre nach Gründung ohnehin die „Benchmark“(Rummenigge). Wenn es dem FC Bayern gut gehe, sagt sogar Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU), „dann geht es auch Bayern gut“. Daran kann auch ein vierwöchig­er Lewandowsk­i-Ausfall nichts ändern.

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