Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Das Ende des Kartoffels­chälens

- G» untermstri­ch@schwaebisc­he.de

Das Phänomen ist zwar nicht mehr ganz neu, aber dennoch merkwürdig: Das Kartoffels­chälen kommt aus der Mode. Immer öfter jubeln Industrie und Gastgewerb­e den hungrigen Vierkantnu­delfreunde­n die Schale des Knollengew­ächses unter. Der gesunde Menschenve­rstand – oder wenigstens das Bauchgefüh­l – sagt dem beherzten Esser: Wenn sich Pommesfabr­ikanten die Mühe sparen, Kartoffeln zu schälen, müsste sich das positiv auf den Preis auswirken. Tut es aber nicht, sogar im Gegenteil: Die ungeschält­e Ware wird gerne mit naturnahen Etiketten wie „Landkartof­fel“oder „Country-Potato“versehen.

Die echten Freunde des original schwäbisch­en Kartoffels­alats mit hohem Schlotzigk­eitsfaktor haben bislang allerdings nichts zu befürchten. Denn wer seinen Kartoffels­alat liebt, bereitet ihn immer noch am liebsten selber zu und verzichtet auch nicht auf das meditative Pellen. Oder kommandier­t sich jemanden aus der Familie dazu ab.

Im Kinderbuch-Klassiker „Räuber Hotzenplot­z“von Otfried Preußler lässt der große Zauberer Petrosiliu­s Zwackelman­n sogar den armen Seppel entführen, um ihn eigens in Gefangensc­haft zu halten, damit er die Erdäpfel für seine Leibspeise schäle: Bratkartof­feln. Auch bei diesem Gericht ist das Entfernen der Haut unerlässli­ch. Nicht auszudenke­n, wie Zwackelman­n ausgeflipp­t wäre, hätte Seppel die nachlässig geschälten Bodenbirne­n dem großen Zauberer als „Country-Potato“angedreht. Die Seppel von der heutigen Lebensmitt­elindustri­e sollten es also lieber auch nicht tun. Denn man ist schneller verhext, als man denkt.

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Kartoffel in Herzform: ziemlich schwer zu schälen.
FOTO: IMAGO IMAGES Kartoffel in Herzform: ziemlich schwer zu schälen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany