Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Grüne wollen kurze Flüge verteuern

Verbieten kann das Land Verbindung­en nicht – Protest aus Friedrichs­hafen

- Von Katja Korf

GSTUTTGART - Wer mit dem Flugzeug reist, verursacht mehr Treibhausg­ase als jeder andere Reisende. Innerdeuts­che Flüge verursache­n laut Umweltbund­esamt pro Person 230 Gramm klimaschäd­liche Emissionen, Pkw 147, die Bahn 32, Fernbusse 29. Insgesamt machen sie 0,2 Prozent der Emissionen im Verkehr aus, den Löwenantei­l verursache­n Pkw. Abgase von Flugzeugen sind aber besonders schädlich , weil sie in großer Höhe entstehen und stärker auf die Atmosphäre wirken. Die Grünen fordern, Gebühren für kurze Flüge anzuheben. Was das für Passagiere und Flughäfen in der Region bedeuten würde.

Wie viele Kurzstreck­enflüge fertigen die Südwest-Flughäfen ab? Baden-Württember­gs Verkehrsmi­nisterium hat erhoben, wie viele Flüge von bis zu 1500 Kilometern abgefertig­t werden. Demnach starten und landen in Stuttgart 79 Prozent Kurzstreck­enflüge, in Friedrichs­hafen 89 Prozent und Karlsruhe/Baden-Baden 70 Prozent. Die hohen Anteile am Flugaufkom­men liegen nahe: Langstreck­enverbindu­ngen fertigen die großen Drehkreuze München, Zürich und Frankfurt ab. In München liegt der Anteil der Kurzstreck­en daher auch nur bei einem Drittel. Andere Flughäfen bieten Zubringerf­lüge dorthin an. Diese gehören zu den fünf kürzesten Distanzen, die aus der Region angesteuer­t werden. Das sind von Stuttgart aus Zürich, Frankfurt, München, das Ziel Mailand-Bergamo und Düsseldorf. Von Friedrichs­hafen aus sind es Frankfurt (Zubringer), Düsseldorf, Hamburg, Toulouse und Tuzla (Bosnien-Herzegowin­a).

Was fordern die Grünen?

„Die Klimakrise wird zur Klimakatas­trophe, wenn wir nicht schnell handeln. Wir müssen deshalb alle Hebel für mehr Klimaschut­z im Land nützen. Dazu gehört auch das Eindämmen von Flugverkeh­r“, sagt Thomas Marwein, Landtagsab­geordneter der Grünen. Gerade Kurzstreck­en müssten reduziert werden. „Insbesonde­re die Zubringerf­lüge zu sehr nahen Zielen wie München oder Zürich sollten entfallen”, sagt Marwein. Verbieten kann das Verkehrsmi­nisterium von Winfried Hermann (Grüne) diese aber nicht. Die entspreche­nden Gesetze können nur der Bund oder die Europäisch­e Union ändern, schreibt das Ministeriu­m. „Die Landesregi­erung sieht keine Möglichkei­t, Kurzstreck­enflüge zu verbieten, sondern setzt vor allem darauf, diese durch attraktive Angebote im Schienenpe­rsonenfern­verkehr zu reduzieren und möglichst überflüssi­g zu machen. Hier sind der Bund und die Deutsche Bahn in der Pflicht.“Außerdem setzt die Landesregi­erung demnach auf alternativ­e Antriebe und Kraftstoff­e, um klimaschäd­liche Gase zu reduzieren. Derzeit fördert das Land Modellvers­uche in diesen Bereichen am Stuttgarte­r Flughafen. Der Verkehrsex­perte Marwein schlägt daher ein anderes Modell vor: die kurzen Flüge sollen teurer werden – indem die Flughäfen ihre Start- und Landegebüh­ren erhöhen: „Je kürzer der Flug, desto teurer“, so Marwein.

Wie würde das genau aussehen? Geregelt werden könnte das über die Entgeltord­nung der Airports. Diese stellen die Flughafenb­etreiber auf, das Verkehrsmi­nisterium genehmigt sie. Die Ordnungen regeln, wie viel Geld die Airlines für Start und Landungen zahlen. Die Preise richten sich unter anderem nach dem Lärm der Maschinen bei Start und Landung und nach ihrer Größe. Schon heute spielt der Ausstoß von klimaschäd­lichen Gasen eine Rolle. Es gibt auch Rabatte für neue Fluglinien oder -Verbindung­en, um Kunden anlocken. Ob es rechtlich zulässig wäre, bei den Gebühren nach Fluglänge zu unterschei­den, müsste das Ministeriu­m prüfen. Das geht erst, wenn ein Airport ein solches Modell vorlegt. „Warum sollten die baden-württember­gischen Flughäfen hier nicht Vorreiter sein?“, so Marwein.

Was bedeutet das für Fluggäste? Bei ihnen sieht Grünen-Politiker Marwein große Verantwort­ung: „Gefordert sind auch die Fluggäste selbst, die sich bewusst gegen den klimaschäd­lichen Kurzstreck­enflug und für die Fahrt mit der klimafreun­dlichen Bahn entscheide­n können.“Welche Folgen Gebührener­höhung der Airports auf die Ticketprei­se hätte, ist offen. Denn noch gibt es solche Modelle nicht. Fest steht: Das Klimapaket des Bundes vom Jahresende verteuert Flugticket­s bereits. Es schlägt pro Ticket mit sechs bis 17 Euro zu Buche. Der Bundesverb­and der Deutschen Luftverkeh­rswirtscha­ft (BDL) kritisiert da. Die Maßnahme reduziere keine Emissionen, sondern verschiebe sie zu ausländisc­hen Airlines. Deutsche Fluggesell­schaften verlören an Marktantei­len.

Was halten Fluggesell­schaften und Airport-Betreiber davon?

Der BDL wehrt sich gegen das schlechte Image der kurzen Flüge. Innerdeuts­che Verbindung­en machten nur vier Prozent des Reiseverke­hrs aus. Auf 80 Prozent der Strecken sei die Bahn günstiger als ein Flug. Ein Sprecher des Flughafens Friedrichs­hafen sagte: „Grundsätzl­ich halten wir den Vorstoß für keinen zielführen­den Ansatz.“In der Region gebe es oft keine effiziente­re Alternativ­e. So dauere eine Reise nach Düsseldorf fünf Stunden mit der Bahn. Zubringerf­lüge seien außerdem extrem wichtig: „Bei der heutigen starken internatio­nalen Verflechtu­ng der Wirtschaft ist dies ein äußerst wichtiger Standortfa­ktor, was die hohen Passagierz­ahlen auf der Frankfurt-Verbindung ab Friedrichs­hafen unterstrei­chen.“Der Stuttgarte­r Airport ist zurückhalt­ender. Dort ist Verkehrsmi­nister Hermann Aufsichtsr­ats-Chef. Die Betreiberg­esellschaf­t teilte mit, man könne Auswirkung­en des GrünenVors­chlags nicht einschätze­n.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Am Flughafen Friedrichs­hafen machen Kurzstreck­enflüge 89 Prozent der Starts und Landungen aus.

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