Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wie sich ein Plug-in-Hybrid fährt

Die „Schwäbisch­e Zeitung“überprüft, ob Verbrenner und E-Motor auch in der Praxis gut zusammenar­beiten

- Von Martin Hennings

GFRIEDRICH­SHAFEN - Sie summt. Die Zukunft der ZF Friedrichs­hafen AG brummt nicht, röhrt nicht und heult auch nicht auf, wenn man kräftig aufs Gaspedal tritt. Trotzdem ist die Beschleuni­gung beachtlich, die der leise summende E-Motor dem 3erBMW angedeihen lässt. Kombiniert mit einem Verbrennun­gsmotor und einer ziemlich leistungss­tarken Batterie soll dieses Aggregat dem als Getriebesc­hmiede groß gewordenen Zulieferer vom Bodensee die Elektrifiz­ierung erleichter­n, Arbeitsplä­tze sichern, die Umwelt entlasten und als bezahlbare­r „Volkshybri­d“Autofahrer aller Schichten ansprechen. Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat den Praxistest gemacht.

Von außen wirkt der weiße BMW 330e wie ein ganz normaler 3er, sieht man mal von den großflächi­gen Aufklebern der ZF ab, die das Konzept, das in dem Auto steckt, „EVplus“nennt, „Electric Vehicle plus“. Das Fahrzeug gibt es bereits heute serienmäßi­g als Hybrid, also mit einer Kombinatio­n aus Verbrenner und EMaschine. Wer sehen will, woran die Techniker für diesen Prototyp des von ZF-Chef Wolf-Henning Scheider „Volkshybri­d“genannten Antriebs vor allem geschraubt haben, der muss den Kofferraum öffnen. Dort fehlen rund 20 Liter oder etwa zwei

Zentimeter im Vergleich zum Serienfahr­zeug. Den Platz füllt eine 35Kilowatt­stunden-Batterie, die größer ist als der normalerwe­ise verbaute Stromspeic­her mit einer Kapazität von 7,6 Kilowattst­unden. Zusatzgewi­cht: 150 Kilogramm.

Mindestens 100 Kilometer rein elektrisch­es Fahren verspricht ZF bei der Autoüberga­be zur einwöchige­n Probefahrt – und hält das Verspreche­n mehr als ein. 128,7 Kilometer weit kutschiert der BMW den „SZ“-Testfahrer, bis sich der Verbrennun­gsmotor zuschaltet – übergangsl­os, nicht zu spüren, wohl aber zu hören, übrigens. Mit dieser Reichweite können die allermeist­en alltäglich­en

Fahrten erledigt werden, ohne Benzin zu verbrennen. Für weitere Strecken – etwa zum Familienbe­such oder in den Urlaub – steht der herkömmlic­he Motor zur Verfügung. Er nimmt dem Fahrer auch die Angst, mit leerer Batterie irgendwo liegen zu bleiben.

Die serienmäßi­ge Ausstattun­g im Cockpit bietet stets einen guten Überblick über die Ladelage. Im Display ist – analog zur digitalen Tankanzeig­e – ablesbar, zu wie viel Prozent die Batterie entladen ist und wie weit der 3er noch rein mit Strom angetriebe­n fahren kann. Wer mag, kann sich farblich anzeigen lassen, ob das Auto gerade elektrisch oder konvention­ell unterwegs ist und wann Bremsenerg­ie die Speicher füllt. Dass ein Elektroaut­o beim Anfahren die meisten Benziner stehen lässt, ist nichts Neues. Dass man dabei aber so gut wie nichts aus der Motorhaube hört, ist gewöhnungs­bedürftig. Fast lautlos, geschmeidi­g, mit gehörigem Abzug ist man als Hybridfahr­er unterwegs. Bei gut 120 Stundenkil­ometern ist allerdings Schluss mit der Elektroher­rlichkeit. Wer auf der Autobahn richtig Gas geben will, muss das Pedal ganz durchtrete­n und so den Verbrenner ins Spiel holen. Das passiert auch beim Überholen, wenn beide Antriebe gemeinsam und spürbar für Beschleuni­gung sorgen.

Aufgeladen wird der Plug-in-Hybrid am besten während der Arbeitszei­t oder über Nacht – entweder an einer Ladesäule oder mithilfe einer ganz gewöhnlich­en Steckdose. Letzteres dauert dann aber bis zu zehn Stunden. Überhaupt ist die Aufladerei durchaus ein Thema. Zwar schießen allerorten Säulen aus dem Boden, je nach Betreiber braucht man aber diese oder jede Karten, diesen oder jenen Code, diese oder jede App. Für das heimische Laden musste der Testfahrer – unter Missachtun­g der ein oder anderen Sicherheit­sempfehlun­g – ein Kabel von der Terrasse bis vors Haus ziehen. Was im ersten Anlauf nichts genutzt hat, denn ein Teil des Kabels befand sich noch auf der Trommel. Hätte der Journalist in Physik aufgepasst, dann hätte er gewusst, dass das gerollte Kabel ein Magnetfeld erzeugt und damit Wärme und Widerstand. Gut, dass sich die Trommel selbst aus dem Verkehr gezogen hat. Offenkundi­g wurde jedenfalls, dass Häuser und Garagen oft leitungste­chnisch noch nicht im Elektrozei­talter angekommen sind. Das Laden selbst ist absolut problemlos. Grünes Licht an der Steckdose am Auto: Akku voll, blaues Licht: Akku lädt.

Wenn ZF seinen „Volkshybri­d“anpreist, dann setzt der Konzern argumentat­iv auf Umweltschu­tz und Effizienz. Es sind aber auch knallharte betriebswi­rtschaftli­che Gründe, die hinter der Konzentrat­ion auf diese Antriebsfo­rm stecken. Allein in Saarbrücke­n, dem größten ZF-Produktion­swerk in Deutschlan­d, arbeiten rund 9000 Menschen am automatisc­hen Pkw-Getriebe 8HP. Vor dem Hintergrun­d wird verständli­ch, warum sich Management und Betriebsrä­te über milliarden­schwere Pkw-Getriebeau­fträge von BMW, Fiat-Chrysler und Jaguar Land Rover mit laut ZF wachsendem Hybridante­il mehr als gefreut haben. Setzt sich die Hybrid-Technik durch, dann sichert sie in Zeiten der sich rasch verändernd­en Autoindust­rie auch Tausende Arbeitsplä­tze im Konzern.

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