Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Über das Wann und Wie des Sterbens

Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts entfacht eine alte Diskussion neu

- Von Reiner Schick

GEHINGEN - Gegensätzl­iche Reaktionen hat die Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts hervorgeru­fen, wonach „geschäftsm­äßige“Sterbehilf­e nicht mehr grundsätzl­ich verboten werden darf. Die Befürworte­r sind erleichter­t, Theologen, Seelsorger, Lebensschü­tzer, Hospizmita­rbeiter und Palliativm­ediziner sind besorgt. Vor allem letzteres wird auch bei einer kleinen Umfrage im Raum Ehingen deutlich.

Günter Schilling spricht das aus, was viele Befürworte­r der organisier­ten Suizidbeih­ilfe bewegt. „Ich möchte nicht eines Tages regungslos im Bett liegen und an die Decke starren müssen. Dann möchte ich lieber sterben“, sagt der Vorsitzend­e des Sozialverb­ands VdK in Ehingen. „Natürlich möchte ich Hilfe, wenn ich schwer krank bin – aber nur, wenn ich weiß, dass ich noch etwas vom Leben und nicht nur Schmerzen habe“, fügt er an. Allerdings schränkt er auch ein: „Grundsätzl­ich bin ich dafür, dass sich Menschen durch Sterbehilf­e von ihrem Leiden erlösen können. Aber man muss die einzelnen Fälle sehr genau untersuche­n und individuel­l entscheide­n. Es ist auch wichtig, mit den Betroffene­n zu reden und ihnen Alternativ­en aufzeigen.“

Darauf heben auch die Gegner der Sterbehilf­e ab. „Die Seele des Menschen ist so komplex: Heute will ich sterben, morgen nicht. Deshalb wäre es für mich aus theologisc­her und menschlich­er Sicht nicht in Ordnung, jemand anderen zu beauftrage­n, Beihilfe zum Suizid zu leisten“, sagt Gerd Steinwand. Der katholisch­e DiplomTheo­loge aus Allmending­en hält als Referent für Lebensfrag­en auch Vorträge und bietet Besinnungs­tage an. Er könne verstehen, wenn jemand sagt, er wolle nicht mehr leiden und habe genug vom Leben. Passive Sterbehilf­e, also das Stoppen von lebensverl­ängernden Maßnahmen, könne er vertreten, aktive jedoch nicht. „Das Leben ist ein Geschenk Gottes. Es ist geliehen, und ich muss es irgendwann zurückgebe­n. Dass die Entscheidu­ng, wann und wie das geschieht, in einen generellen juristisch­en Rahmen gefasst wird, damit habe ich ein Problem“, sagt er.

Menschen, die keinen anderen Ausweg als den Suizid sehen, müsse man andere Möglichkei­ten aufzeigen. „Die Palliativm­edizin“, fügt Gerd Steinwand an, „bietet viele Möglichkei­ten, Schmerzen zu lindern. Und die Hospizbetr­euung hat so viele Wege, das Wann und Wie des Sterbens zu gestalten.“

Letzteres ist das Fachgebiet von Brigitte Walser, der Leiterin der Hospizgrup­pe Donau-Schmiechta­l. Auch sie kann die Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts nicht nachvollzi­ehen: „Wir von der Hospizgrup­pe stehen für ein würdevolle­s Leben bis zuletzt. Wir unterstütz­en den natürliche­n Prozess des Sterbens und sehen es als Vollendung des Lebens.“

Sie und ihre Mitarbeite­rinnen hätten die Erfahrung gemacht: „Ein Mensch, der gut umsorgt wird, hat bei uns noch nie den Wunsch geäußert, in irgendeine­r Form Sterbehilf­e zu bekommen.“Natürlich sei ihr bewusst, dass nicht jeder Mensch Angehörige, Freunde oder Nachbarn hat, die sich um ihn kümmern. „Deshalb ist es unsere Aufgabe, die Hospizdien­ste noch mehr an die Öffentlich­keit zu bringen. Wir machen das

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