Über das Wann und Wie des Sterbens
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entfacht eine alte Diskussion neu
GEHINGEN - Gegensätzliche Reaktionen hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hervorgerufen, wonach „geschäftsmäßige“Sterbehilfe nicht mehr grundsätzlich verboten werden darf. Die Befürworter sind erleichtert, Theologen, Seelsorger, Lebensschützer, Hospizmitarbeiter und Palliativmediziner sind besorgt. Vor allem letzteres wird auch bei einer kleinen Umfrage im Raum Ehingen deutlich.
Günter Schilling spricht das aus, was viele Befürworter der organisierten Suizidbeihilfe bewegt. „Ich möchte nicht eines Tages regungslos im Bett liegen und an die Decke starren müssen. Dann möchte ich lieber sterben“, sagt der Vorsitzende des Sozialverbands VdK in Ehingen. „Natürlich möchte ich Hilfe, wenn ich schwer krank bin – aber nur, wenn ich weiß, dass ich noch etwas vom Leben und nicht nur Schmerzen habe“, fügt er an. Allerdings schränkt er auch ein: „Grundsätzlich bin ich dafür, dass sich Menschen durch Sterbehilfe von ihrem Leiden erlösen können. Aber man muss die einzelnen Fälle sehr genau untersuchen und individuell entscheiden. Es ist auch wichtig, mit den Betroffenen zu reden und ihnen Alternativen aufzeigen.“
Darauf heben auch die Gegner der Sterbehilfe ab. „Die Seele des Menschen ist so komplex: Heute will ich sterben, morgen nicht. Deshalb wäre es für mich aus theologischer und menschlicher Sicht nicht in Ordnung, jemand anderen zu beauftragen, Beihilfe zum Suizid zu leisten“, sagt Gerd Steinwand. Der katholische DiplomTheologe aus Allmendingen hält als Referent für Lebensfragen auch Vorträge und bietet Besinnungstage an. Er könne verstehen, wenn jemand sagt, er wolle nicht mehr leiden und habe genug vom Leben. Passive Sterbehilfe, also das Stoppen von lebensverlängernden Maßnahmen, könne er vertreten, aktive jedoch nicht. „Das Leben ist ein Geschenk Gottes. Es ist geliehen, und ich muss es irgendwann zurückgeben. Dass die Entscheidung, wann und wie das geschieht, in einen generellen juristischen Rahmen gefasst wird, damit habe ich ein Problem“, sagt er.
Menschen, die keinen anderen Ausweg als den Suizid sehen, müsse man andere Möglichkeiten aufzeigen. „Die Palliativmedizin“, fügt Gerd Steinwand an, „bietet viele Möglichkeiten, Schmerzen zu lindern. Und die Hospizbetreuung hat so viele Wege, das Wann und Wie des Sterbens zu gestalten.“
Letzteres ist das Fachgebiet von Brigitte Walser, der Leiterin der Hospizgruppe Donau-Schmiechtal. Auch sie kann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht nachvollziehen: „Wir von der Hospizgruppe stehen für ein würdevolles Leben bis zuletzt. Wir unterstützen den natürlichen Prozess des Sterbens und sehen es als Vollendung des Lebens.“
Sie und ihre Mitarbeiterinnen hätten die Erfahrung gemacht: „Ein Mensch, der gut umsorgt wird, hat bei uns noch nie den Wunsch geäußert, in irgendeiner Form Sterbehilfe zu bekommen.“Natürlich sei ihr bewusst, dass nicht jeder Mensch Angehörige, Freunde oder Nachbarn hat, die sich um ihn kümmern. „Deshalb ist es unsere Aufgabe, die Hospizdienste noch mehr an die Öffentlichkeit zu bringen. Wir machen das