Warum fasten nicht nur Verzicht bedeutet
Pfarrer der Region sprechen über Motivation, Bedeutung und Auslegung der Fastenzeit
GREGION - Obwohl viele es inzwischen als alte Tradition abtun, scheint das Interesse ungebrochen: Gibt man in des Menschen liebster Suchmaschine den Begriff ’Fastenzeit’ ein, erscheinen mehr als drei Millionen Ergebnisse, der Begriff ’Fasten’ bringt sogar 39 Millionen Ergebnisse. Was unterscheidet also das traditionelle Fasten von dem, das Lifestyle-Magazine ganzjährig anpreisen? Und wie viele Menschen in der Region fasten noch mit religiösen Hintergrund – und vor allem was? Drei Pfarrer der Region geben Antworten.
Mit dem Aschermittwoch hat der österliche Festkreis begonnen, der aus den beiden Elementen Fastenzeit (österliche Bußzeit) und Osterzeit besteht. Der Beginn der österlichen Bußzeit mit dem Aschermittwoch richtet sich nach dem Osterfest selbst: Ostern wird immer am Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling gefeiert. Von diesem Datum ausgehend wird rückwärts gerechnet.
Die Fastenzeit umfasst sechs Sonntage, die sogenannten Fastensonntage. „Mit dem Aschermittwoch hat die 40-tägige Fastenzeit begonnen, die bis zum Abend des Ostersonntags geht. Rechnet man genauer nach, kommt man aber auf mehr Tage“, sagt der Pfarrer der Seelsorgeeinheit Marchtal, Gianfranco Loi, und erklärt weiter: „Das hat damit zu tun, dass die Sonntage nicht eingerechnet werden. Die Fastensonntage sind etwas besonderes, es ist wie ein kleines Ostern. Sie bieten die Möglichkeit, an diesen Tagen mal nicht zu fasten.“
Für Pfarrer Loi ist das Thema Fasten
populärer denn je. „Wenn man die Zeitung aufschlägt, sieht man vor allem in puncto Ernährung viele verschiedene Methoden des Fastens. Mein Gefühl ist deshalb, dass eher mehr als weniger Leute heutzutage fasten, auch wenn sie nicht unbedingt gläubig sind“, so der Pfarrer. Aus seiner Sicht ist die christliche Fastenzeit mit so viel mehr verbunden, als nur dem Verzicht von etwas, auch wenn viele dies mit dieser Zeit assoziierten. „Die Fastenzeit soll dafür da sein, dass man mehr Zeit findet für Gott und für sich selbst. Es ist eine Zeit, um nach innen zu kehren, sich bewusster zu werden und vielleicht auch schlechte Angewohnheiten zu überdenken.“Das eine sei zwar der Verzicht, das andere aber, gleichzeitig etwas Gutes zu tun, auch für sich selbst. Etwa Geld zu sparen, indem man nicht raucht. Es könne darüber hinaus auch ein Mehr von etwas sein, wie etwa, dass man versucht, geduldiger oder großzügiger zu sein.
Pfarrer Gianfranco Loi verzichtet dieses Jahr selbst auf Süßigkeiten, „das ist meine Achillesferse“, sagt er. „Ich möchte durchgängig darauf verzichten, also nicht an den Fastensonntagen aussetzen. Ich hoffe, ich stehe es durch. Aber wenn ich dann in der Nacht auf Ostersonntag wieder etwas Süßes esse, dann schmeckt es mir umso mehr.“
Für die Fastenden gibt es in der Seelsorgeeinheit Marchtal spezielle Angebote: „Zur Fastenzeit kehrt bei uns in den Gottesdiensten eine geprägte Zeit ein, die Orgelstücke sind gedämpfter und nicht so festlich. In unserer Seelsorgeeinheit bieten wir außerdem seit diesem Jahr ein Abendlob an jedem Mittwoch an“, so Loi. Das sei ein Angebot für all die Menschen, die während der Fastenzeit noch besondere Akzente setzen und Impulse erhalten wollen.
Und was genau fasten die Mitglieder der Seelsorgeeinheit Marchtal? „Bei den Drittklässlern, die ich betreue, verzichten viele Kinder auf Süßigkeiten oder auf Nutella. Bei den Erwachsenen ist es eher Alkohol, auf den sie verzichten wollen“, zählt der Pfarrer auf. Es seien also eher die klassischen Dinge. „Bei den Jüngeren gibt es aber auch immer mehr, die Social Media fasten“, sagt er.
Pfarrer Loi hat für jeden Fastenden einen Tipp: „Man sollte kein schlechtes Gewissen haben, wenn man einmal schwach wird. Am nächsten Tag macht man mit dem Fasten einfach weiter und lässt sich nicht demotivieren. Es geht einfach darum, sein Verhalten zu überdenken und das aber nicht allzu hoch zu hängen.“
Auch für Thomas Pitour, Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde Munderkingen, stellt die Fastenzeit weit mehr als nur Verzicht dar. „Es geht vor allem darum, das wahre Leben zu entdecken, das wir dann an Ostern feiern“, sagt der Pfarrer. Durch den Verzicht werde deutlich, von was man abhängig ist. „Das kann auch einen Freiraum schaffen, zum Beispiel, wenn man auf Fernsehschauen verzichtet und dafür sich Zeit schafft, um einen spannenden Roman zu lesen“, erklärt Pfarrer Pitour, der selbst gleich mehrere Dinge in diesem Jahr fastet: „Ich möchte weniger Kaffee und Alkohol trinken und auf Süßigkeiten verzichten.“
Auch der Munderkinger Pfarrer hat den Eindruck, dass das Thema Fasten immer aktueller wird, statt altmodischer. „Auch wenn es bei manchen eher um den Wellnesscharakter geht. Angebote dazu werden nachgefragt“, so Pitour. Für die Mitglieder der Kirchengemeinde Munderkingen werden an den Fastensonntagen besondere Gottesdienste angeboten. „Außerdem veranstalten verschiedene Gruppierungen wie etwa unsere St.-Dionysius-Senioren besondere Andachten“, informiert der Pfarrer. Sein persönlicher Höhepunkt ist jedoch die anstehende Pilgerfahrt nach Israel, auch wenn diese nicht direkt mit der Fastenzeit zu tun hat. „Trotzdem passt es meines Erachtens nach ganz gut, während der Fastenzeit zu den christlichen Pilgerstätten zu reisen und sich dem Glauben bewusster zu werden“, sagt Pitour.
In der evangelischen Kirchengemeinde in Munderkingen habe sich der Fokus während der Fastenzeit in den Jahren immer mehr gewandelt. „Essen zu fasten, das ist bei uns in der evangelischen Kirche weniger geworden und eigentlich kaum noch Thema“, sagt Pfarrer Michael Hain. Stattdessen starteten die Kirchen deutschlandweit vor rund 30 Jahren mit den Aktionen „Sieben Wochen ohne“, die sich jedes Jahr einem anderen Thema widmen.
„In diesem Jahr steht die Fastenzeit unter dem Motto 'Zuversicht – Sieben Wochen ohne Pessimismus’. Es geht darum, optimistisch zu sein, auch wenn es eigentlich genug Gründe auf der Welt gibt, pessimistisch zu sein“, so der evangelische Pfarrer. Entsprechende Impulse dazu geben Kalender und Tagebücher. „Auch privat erspare ich es mir, auf bestimmtes Essen zu verzichten. Aber wir wollen in der Familie auch mehr das Motto in den Blick nehmen“, sagt Hain. Für ihn sei der Verzicht aber weiterhin sinnvoll: „Überall da, wo eben Abhängigkeiten herrschen und man sich selbst das Zeichen setzen kann, dass es auch ohne geht, wie zum Beispiel die Sozialen Medien.“