Investitionsstau auf der Donautalbahn
Gründe für die Verspätungen der Donautalbahn: Fehlende Ausweichgleise
GRIEDLINGEN - Oft stehen sie genervt und hilflos am Riedlinger Bahnsteig und warten auf ihren Zug, der wieder einmal verspätet ist: Fahrgäste der Deutschen Bahn. Chronisch könnte man Betriebsverzögerungen auf der Strecke der Donautalbahn nennen. Über einen Zeitraum der vergangenen vier Jahren hinweg haben die Verspätungen von zehn Minuten oder länger in Richtung Donaueschingen oder Ulm deutlich zugenommen. Dadurch verpassen die Passagiere nicht selten ihre Anschlusszüge des Regional- und Fernverkehrs, insbesondere in Ulm (SZ berichtete am 22. Dezember 2019).
Die Ursachen für die Betriebsstörungen sind vielfältig, sie lassen sich nicht mit einer einfachen Fahrplanänderung beseitigen. Denn Hauptursache sind Infrastruktur-Mängel auf der eingleisigen Strecke zwischen Ulm und Donaueschingen. „Auf dem 22 Kilometer langen Abschnitt zwischen Munderkingen und Sigmaringen existiert in Rechtenstein lediglich eine Ausweichstelle für entgegenkommende Züge. Die Fahrpläne sind so konzipiert, dass sich Züge, aus Ulm und Donaueschingen kommend, an dieser Stelle pünktlich begegnen und aneinander in Rechtenstein passieren sollen“, sagt ein vormaliger Mitarbeiter der Deutschen Bahn, der anonym bleiben will. Komme es zu Verzögerungen an anderen
Stellen der Strecke, ist diese Ausweichstelle Rechtenstein der entscheidende Grund für weitere Verspätungen, weil ein Zug so lange warten müsse, bis die entgegenkommende Bahn an der Ausweichstelle vorbeigerollt sei. Auch Stefan Buhl, Landesvorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn, sagt: „Wie bei allen eingleisigen Strecken – und von diesen gibt es viele in Deutschland – stehen Züge lange, wenn man auf Gegenverkehr wartet.“Auch in der Schweiz sei das Streckennetz von eingleisige Strecken geprägt, jedoch gebe es viele Kreuzungsbahnhöfe als Ausweichstellen.
Allerdings gibt es noch an neuralgische Punkte auf der Strecke. „Betriebliche Auflagen wurden verschärft, das heißt Schranken müssen an gewissen Bahnübergängen länger geschlossen bleiben. Und am alten Bahnübergang Talhof bei Hausen im Tal dürfen Züge nur mit 30 Stundenkilometern durchfahren. Das bringt bereits einen Fahrzeitverlust von bis zu vier Minuten“, meint der Experte.
Ein weiteres Problem sei der sanierungsbedürftige Bahnhof Blaubeuren. Zwei Züge dürften dort nicht gleichzeitig halten, weil es keinen modernen, unterirdischen Zugang zum Mittelbahnsteig gebe. Fahrgäste im Bahnhof müssen ein Gleis überqueren, um den Mittelbahnsteig zu erreichen. Erst wenn der Zug an diesem Steig eingetroffen ist, dürfen die Fahrgäste das Gleis überqueren und sich dann auf der Plattform verteilen und einsteigen. Dadurch gibt es Verzögerungen, weil die gleichzeitig ankommenden Reisenden aussteigen.
„Ein weiteres Problem ist der komplizierte Zustieg mit Fahrrad in die Neigetechnikfahrzeuge. Die Bahnsteige sind niedrig. Je mehr Reisende mit Rädern einsteigen, desto länger dauern die Verzögerungen beim Halt. Obwohl die Neigezüge bis zu 160 Stundenkilometer fahren, können sie die Verspätungen kaum aufholen“, sagt der vormalige Bahnmitarbeiter.
Schließlich würden zudem die Unpünktlichkeit anderer Züge in den Betrieb der Donautalbahn eingeschleppt. Beispielsweise treffen die IRE-Züge der Linie Stuttgart-Tübingen-Aulendorf oft zu spät in Sigmaringen ein. Dieser Zeitrückstand ziehe sich aufgrund des eingleisigen Abschnitts zwischen Sigmaringen und Herbertingen bis nach Ulm durch.
Um derzeitigen Defizite der Donautalbahn in den Griff zu bekommen, müsse die Deutsche Bahn massiv in die Infrastruktur investieren, meint der Bahnfachmann. Er empfehle die Errichtung eines Ausweichgleises zwischen den Eisenbahnbrücken Zell und Zwiefaltendorf. Kostenschätzung: rund 20 Millionen Euro. Und er meint, eine weitere Ausweichstelle zwischen Sigmaringen und Herbertingen sei wichtig, weil hier vier Züge pro Stunden vorbeiführen.
Auch ein kompletter zweigleisiger Ausbau sei denkbar, denn die Trasse der Donautalbahn sei dafür ausgelegt. Im jeden Falle empfehle er eine Elektrifizierung der Strecke. Dadurch werde die Strecke leistungsfähiger und langfristig mit Zügen der Neigetechnik befahrbar. Doch ein Problem bleibe, zumal es keine starke Lobby für den Ausbau öffentlich auftrete: „Geld ist da, aber die Planungsverfahren werden immer komplizierter. Es könnte zehn Jahre dauern, bis die Donautal umfassend erneuert wird“, meint der Experte. Das bestätigt Pro Bahn. „Die Bahn hat derzeit keine Planungskapazitäten. Bund und Länder schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu, wenn es um Investitionen ins Bahnnetz geht“, sagt Stefan Buhl.
Auch das Land hatte bereits vor Jahren Pläne, die Donautalbahn komplett zu erneuern und meldete das Vorhaben von 120 Millionen Euro für den Bundesverkehrswegeplan 2015 an. Geplant war eine Elektrifizierung zwischen Immendingen und Ulm sowie ein partieller Ausbau der Zweigleisigkeit. Doch im jüngsten Verkehrswegeplan des Bundes ist von diesem Vorhaben keine Rede.
Die Deutsche Bahn in BadenWürttemberg teilte dieser Zeitung mit, welche Bauvorhaben für die Donautalbahn vorgesehen sind: In diesem und im kommenden Jahr wolle das Unternehmen Gleisschwellen, Weichen, Weichenheizungen und Videoanlagen erneuern. Die Erneuerung des Bahnhofs Blaubeuren werde 2021 in Angriff genommen, er solle 2022 in Betrieb gehen. Außerdem werde auf dem Streckenabschnitt Herbertingen-Immendingen ab 2020 ein elektronisches Stellwerk, das von Karlsruhe aus gesteuert wird, in zwei Abschnitten entstehen. Der erste Bauabschnitt erfolge von 2020 bis 2023, der zweite von 2022 bis 2024. „Ein zweigleisiger Ausbau der Donautalbahn ist nicht von der Deutschen Bahn Netz AG bestellt worden. Aber die Infrastruktur ist in einem betriebssicheren Zustand. Sicherheit ist ein hohes Gut für uns“, sagt ein Bahnsprecher.