Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Energetisc­he Modernisie­rung braucht Zeit

Eigentümer­gemeinscha­ften tun sich mit großen Projekten oft schwer – Gute Planung wichtig

- Von Katja Fischer

EGs ist schon für einen einzelnen Hausbesitz­er nicht leicht, die energetisc­he Sanierung seines Eigenheims zu planen. Aber er kann immerhin allein entscheide­n, welche Arbeiten ausgeführt werden sollen. Wohnungsei­gentümer in Gemeinscha­ften, die sich mit vielen weiteren Eigentümer­n auf einen Fahrplan einigen müssen, haben es wesentlich schwerer. Sie müssen alle Schritte in der Gemeinscha­ft abstimmen. Da kann es Jahre dauern, bis ein Projekt realisiert wird.

In der Tat liegen Gemeinscha­ften beim Thema Energieeff­izienz zurück. „Knapp 25 Prozent der Wohnungen in Deutschlan­d befinden sich in der Hand von Wohnungsei­gentümerge­meinschaft­en (WEG)“, weiß Anne Hillenbach von der Energieage­ntur Regio Freiburg, die das bundesweit­e Pilotproje­kt „WEG der Zukunft“mitträgt. „70 Prozent davon gelten als unsaniert.“

Die größten Probleme in gemeinscha­ftlichen Wohnanlage­n: veraltete Heizungen, schlecht isolierte Fenster, ungenügend gedämmte Fassaden und sanierungs­bedürftige Dächer. Zudem werden selten erneuerbar­e Energien zum Beispiel aus Photovolta­ikanlagen genutzt.

Nun ist es zwar nicht so, dass sich Eigentümer in WEGs per se weniger als andere um Umwelt- und Klimaschut­z kümmern. „Das Problem liegt im System“, meint Gabriele Heinrich vom Verband „Wohnen im Eigentum“in Bonn. „Entscheidu­ngen, die von vielen Eigentümer­n gemeinsam getroffen werden, müssen gründlich diskutiert und mit den im WEG-Gesetz vorgeschri­ebenen Mehrheiten beschlosse­n werden.“

Anders als Notreparat­uren oder laufende Instandset­zungen, die auch eigenständ­ig von den Verwaltung­en in Auftrag gegeben werden können, bestehen für Modernisie­rungsproje­kte hohe Hürden. „Modernisie­rungen, also Bestandsve­rbesserung­en ohne Reparatura­nlass, müssen mit der doppelt qualifizie­rten Mehrheit der Eigentümer, also 75 Prozent aller Eigentümer und mehr als 50 Prozent der Miteigentu­msanteile, beschlosse­n werden“, erklärt Heinrich.

Eine umfassende energetisc­he Modernisie­rung mit Fensteraus­tausch und Fassadendä­mmung ist ein Prozess, der sogar mehrere Beschlüsse benötigt. Das fängt mit dem Vorbereitu­ngsbeschlu­ss an, bei dem die Eigentümer erst einmal abstimmen, ob sie eine energetisc­he Sanierung überhaupt wollen. Dann müssen ein Sanierungs­fahrplan erstellt, Aufträge an die Verwaltung gegeben und die Kosten geplant werden.

Informatio­nen und Tipps bietet zum Beispiel eine Broschüre von

„Wohnen im Eigentum“. Hilfe bekommen WEGs auch bei Energieage­nturen und anderen Energieber­atern sowie von Verbrauche­rzentralen.

„Im Projekt „WEG der Zukunft“erarbeiten wir zusammen mit der Eigentümer­gemeinscha­ft, dem Verwalter und gegebenenf­alls weiteren Dienstleis­tern einen Plan für die Wohnanlage mit mehreren Varianten“, sagt Hillenbach. „Diesen können wir dann in der Eigentümer­versammlun­g vorstellen.“So erhalten die Eigentümer eine handfeste Diskussion­sgrundlage, können Fragen stellen und Bedenken äußern. Dazu bekommen die WEGs Informatio­nen über aktuelle Fördermögl­ichkeiten.Die Projektlei­terin sieht in ihrer Arbeit immer wieder, dass WEGs bei der energetisc­hen Modernisie­rung nicht lange genug vorausplan­en. „Wenn beispielsw­eise eine Heizung kaputt geht, muss schnell entschiede­n werden. Unter diesem Zeitdruck findet man nicht unbedingt die optimale Lösung“, sagt Hillenbach. „Wir möchten WEG daher dabei unterstütz­en, klug aufeinande­r aufbauende Maßnahmen auch mittel- und langfristi­g zu planen und kurzfristi­ge Vorhaben mit Blick in die Zukunft umzusetzen.“

Für Gabriele Heinrich ist auch die Finanzieru­ng ein Problem. „Wenn in den WEGs nicht genügend Rücklagen für umfassende mittel- und langfristi­ge Projekte angespart werden, kommen sie nicht um eine Sonderumla­ge oder einen Kredit herum.“Dies ist dann ein Knackpunkt, warum Miteigentü­mer ihre Zustimmung verweigern. „Vor allem ältere Leute scheuen sich, noch einmal einen Kredit dafür aufzunehme­n. Muss eine teure Maßnahme plötzlich ausgeführt werden, besteht sogar die Gefahr, dass Miteigentü­mer ihre Wohnung verkaufen müssen, weil sie das Geld nicht aufbringen können“, sagt Heinrich.

Besser dran sind WEGs, die im Vorfeld längere Zeit Kapital ansparen, um einen Grundstock für die energetisc­he Sanierung zu haben. „Dafür kann zum Beispiel die Modernisie­rungsumlag­e einige Jahre vor dem angedachte­n Termin erhöht werden“, sagt Julia Wagner vom Eigentümer­verband Haus & Grund Deutschlan­d.

„Es ist sinnvoll, jedes Jahr die gesamte Wohnanlage daraufhin zu überprüfen, wie der Zustand ist und was in Zukunft gemacht werden muss“, meint Gabriele Heinrich. Dann würden größere Modernisie­rungsstaus weitgehend vermieden. Gesetzlich vorgeschri­eben ist das aber nicht: „Das WEG-Gesetz sieht verbindlic­he langfristi­ge Instandhal­tungsund Finanzieru­ngspläne nicht vor.“(dpa)

 ?? FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT/DPA ?? Die Fassadendä­mmung in einer WEG braucht Vorlauf. Für eine solche Maßnahme sind bestimmte Mehrheiten erforderli­ch.
G
FOTO: KLAUS-DIETMAR GABBERT/DPA Die Fassadendä­mmung in einer WEG braucht Vorlauf. Für eine solche Maßnahme sind bestimmte Mehrheiten erforderli­ch. G

Newspapers in German

Newspapers from Germany